24 Dezember, 2020
Revolver 43
Über Michael Lonsdale
Für die aktuelle Ausgabe von Cargo habe ich einen Text über den Schauspieler Michael Lonsdale verfasst.
23 Dezember, 2020
Encore
So zwiespältig ich Coppolas Versuche sehe, seine Filme zwanzig Jahre später „zu reparieren”, hier macht das „Encore” einen großen Unterschied. Vor allem Gregory Hines, der wunderbare Tänzer und Schauspieler, hat jetzt mehr Platz; in Umrissen wird so die Rolle schwarzer Kunst in der politischen Emanzipationsgeschichte der USA sichtbar, und das inmitten eines glossy musicals. Coppola mag das rhythmische Gespür eines Bob Fosse fehlen, um aus tollen Tanznummern Metaphern für das Leben selbst zu machen – die Performer glänzen trotzdem. Nur schade, dass der Film die Gangsterwelt so nahe an der Parodie erzählt, dass es mir schwer fiel, mich dafür zu interessieren (nach zwei Godfather-Filmen hatte Coppola das Genre vielleicht auch selbst über). Dass Gere als „Dixie” vor diesem Hintergrund blass bleibt, liegt aber vor allem daran, dass Coppola ihm kein Geheimnis oder Motiv gibt; er ist einer, der sich treiben lässt und den die Dramaturgie mal hierhin, mal dorthin stösst. Trotzdem hat er Momente, vor allem zusammen mit Diane Lane, die den Ton zwischen schön und falsch genau trifft. Sehenswert.
22 Dezember, 2020
(Wieder-) Gesehen [13]
THE OFFENCE (Sydney Lumet, GB/USA 1973)
Ein Film wie aus dem Innern eines Kopfes - eine schmerzliche, ja traumatische Einladung, die wir (das ist Regie!) nicht ausschlagen können.
THE SPIRAL STAIRCASE (Robert Siodmak, USA 1946)
Ein Lehrstück darüber, wie das Nichts-sagen-können der traumatisierten Hauptfigur zu doppelter Leseanstrengung des Zuschauers führt – eine Aufmerksamkeit, die Dorothy McGuires Spiel (und insbesondere ihr Gesicht) magisch auflädt.
LYULSKIY DOZHD (Marlen Khutsiev, UdSSR 1967)
Fotographie als ein technisches Verfahren, Licht aufzuzeichnen, Bewegung, Menschen - wird hier zur eigentlichen Sensation. Ich kann mich an diesen Straßen und ihren Menschen nicht satt sehen.
ARCHIPELAGO (Joanna Hogg, GB 2010)
Erstaunlich, wie die Szenen hier, die auf dem Papier auf nichts hinauslaufen, in der Summe ergreifend zum Menschen führen.
NO MAN OF HER OWN (Mitchell Leisen, USA 1950)
Ein großes taktiles Vergnügen. Selten habe ich so sinnliche Close-ups gesehen. Und Barbara Stanwyck führt hier einen Zwiespalt, ein Leid auf, das durch mich hindurchgeht.
23 Juli, 2020
Revolverkino im September
Die nächste Ausgabe von Revolverkino, ursprünglich für Mai 2020 geplant und Corona-bedingt verschoben, steht unter der Überschrift „Was ist Landschaft?”.
Sehr frei Bezug nehmend auf die aktuelle Ausstellung von Otobong Nkangas THERE'S IS NO SUCH THING AS SOLID GROUND habe ich ein Filmprogramm zusammen gestellt, das ganz unterschiedliche Filme in Bezug auf Raum- und Machtfragen verknüpft. Es ist eine sehr subjektive Mischung, die aber wie ich hoffe im Zusammenhang Funken schlägt.
Da unter Corona-Bedingungen nur ein kleiner Teil der Plätze vergeben werden kann, muss reserviert werden, und zwar [voraussichtlich ab 31.08.2020] hier. Der Eintritt ist wie immer frei.
Vielen Dank an Hannes Brühwiler – der sich dieses Mal auf die logistische Seite konzentriert hat – und Filippa Carlini.
„Was ist Landschaft? Vielleicht: Berührte Natur, oder auch: Para-Natur, aber in einem Zusammenhang, der über uns hinausgeht, jenseits unserer Kontrolle ist, räumlich und zeitlich. Das Wort „Landschaft” provoziert nicht nur die Frage, wie man sie definieren, sonder immer auch, wie man sie zeigen, festhalten oder filmen kann. Wie die Filme dieses Programms beweisen, gibt es darauf sehr verschiedene Antworten.”
TX-REVERSE (Virgil Widrich & Martin Reinhart, Österreich 2019) – 5 Min (Berlin Premiere)
Virgil Widrichs und Martin Reinharts Experimentalfilm TX-REVERSE (Berlin Premiere) vertauscht Raum und Zeit und entdeckt „unmögliche” Landschaften zwischen den Bildern.
PEAK (Hannes Lang, D 2011) – 1 h 26 Min
Hannes Langs Dokumentarfilm PEAK, erzählt von Landschaft als Produkt und „Freizeit” als ein Konzept, das Zeit und Welt verbraucht.
SZEGÉNYLEGÉNYEK (Miklos Jancsó, Ungarn ) – 90 Min
Miklós Jancsós SZEGÉNYLEGÉNYEK bringt in komplexen Plansequenzen ein absurdes Theater der Macht zur Aufführung. Anhand eines KZ-Systems der (ungarischen) k.u.k. Militärs in den 1860er Jahren - errichtet als Antwort auf die Reste rebellischen Widerstands - verschränkt der Film Macht- und Raumfragen auf nie gesehene Weise.
RIAFN (Hannes Lang, D 2019) – 30 Min (Berlin Premiere)
Hannes Langs RIAFN (Berlin Premiere) ist der Versuch, mit realen Tönen im Resonanzraum Alpen ein Musical zu machen.
QUARRY (Amie Siegel, USA 2015) - 34 Min
Amie Siegels QUARRY interessiert sich für die „Verschiebung” zwischen einem Steinbruch und den New Yorker Luxusapartments, die in Stein gekleidet werden. Der leere Berg „enthält” einen Reichtum, der sich im Stein materialisieren will. Zu welchem Preis?
ARCHIPELAGO (Joanna Hogg, GB 2010) – 1 h 54 Min
In Joanna Hoggs ARCHIPELAGO parallelisiert die stürmische Landschaft und der Versuch, sie zu malen den Zustand der Figuren: jeder Mensch eine Insel.
20 Juli, 2020
Fernsehtipp:
11 Juli, 2020
MILCHWALD in Köln
25 Juni, 2020
Aus dem Leben der Echsen
Hier der offizielle Kurzinhalt:
„Tez tötet für Geld. Charles Mahr, ein legendärer Gangster, gibt ihr den Auftrag, den Mord an einem seiner Kuriere zu rächen. Schnell gerät sie in das Dickicht einer Intrige, in der sie selbst zur Gejagten wird. Tez muss sich entscheiden, wessen Werkzeug sie sein möchte.”
08 Juni, 2020
Wohlbrück & Walbrook
Vorhang auf für Wohlbrück & Walbrook! Am 1. Juli startet im Zeughauskino Berlin eine große Werkschau mit Filmen des Ausnahmeschauspielers Adolf Wohlbrück / Anton Walbrook, kuratiert von Frederik Lang. Ich freue mich sehr, denn nicht nur zählt Walbrook zu meinen ewigen Favoriten, ich durfte auch einen Beitrag zum Katalog beisteuern – zu „Walbrooks Spiel im Spiel in Max Ophüls' LA RONDE” – und werde am Donnerstag, den 16.07.2020 ein Filmgespräch zu diesem Lieblingsfilm machen.
Da die Zahl der Sitzplätze Corona-bedingt stark reduziert ist, lohnt sich die Reservierung.
Hier ein Blick ins Inhaltsverzeichnis des Katalogs (der bei Synema erscheint), ich bin schon sehr gespannt auf die Texte der Kolleg*innen:
13 April, 2020
Skandalöse Sachlichkeit
Die Erinnerung an diese Szene – beinahe so, als hätte sie auf der Netzhaut Narben hinterlassen – prägt den ganzen Film. Sie wurde am ersten Drehtag gedreht, bewusst als Vorzeichen gesetzt, um die Mitarbeiter auf einen Ton einzustimmen. Losey hat in der Vorbereitung – so schreibt er in seinem Arbeitsjournal zu dem Film, das in der Zeitschrift Positif erschienen ist (Nr. 186, 10/1976) – die Szenen des Films in drei Kategorien aufgeteilt: „Irrealität”, „Realität”, „Abstraktion”. Diese Szene, die niemandem gehört, die sich nicht fortsetzt (einmal kommt Klein indirekt darauf zu sprechen, wenn er sagt, er wolle sich nicht „wie ein Pferd untersuchen lassen”), gehört zur Kategorie „Abstraktion” und damit zu einer Reihe von Szenen, die keinen subjektiven Anschluss an die Erzählung haben.
Dreharbeiten: Losey, Delon. Paris 1975. |
18 März, 2020
Fest steht: Nichts.
02 März, 2020
21 Lieblingsfilme
17 Februar, 2020
J'accuse
Bei der Arbeit: Polanski, Dujardin. |
Die erste Merkwürdigkeit: dass sich Polanski nicht für das Leid der Opfer interessiert. Ich verstehe, er will nicht, dass wir aus Sympathie für die richtige Sache sind, wir sollen lernen, das Prinzip zu lieben. Aber warum gibt er sich so große Mühe, Dreyfus als unsympathischen Pedanten zu zeichnen, während er der Ermittlerfigur jede Menge Rabatt gibt? Sein Picquard jedenfalls ist ein allzu fehlerloser Held, und Dujardin hat nicht dass Zeug dazu, die brave Anlage herauszufordern. Er spielt ihn als Denkmal in der Art des Hollywood-Biopics, aber ohne den Charme eines Errol Flynn, und sogar der Antisemitismus der historischen Figur (der gut belegt ist) wird uns so schonend wie möglich beigebracht. Dabei könnte seine Prinzipienfestigkeit dem selben Rassedünkel entsprungen sein wie die antisemitische Korruption seiner Vorgesetzten.* Das würde sein historisches Verdienst nicht schmälern, aber die Erzählung auf einen schmaleren Grat führen, was der Sache gut getan hätte.
Womöglich hat meine sanfte Enttäuschung nicht nur mit der harten Konkurrenz durch die Erinnerung an den jüngeren Polanski zu tun, sondern auch mit der Begeisterung für einen anderen aktuellen Vorschlag filmischer Geschichtsdeutung, über den ich vielleicht noch Gelegenheit haben werde, ausführlicher zu schreiben: Marco Bellocchios IL TRADITORE (deutscher Kinostart 23.04.), der mich gerade durch die Risiken bewegt hat, die er mit und für seine Hauptfigur eingeht. Auch ein Whistleblower als Held, auch ein Gerichtsfilm, und ein ähnlicher langer Zeitraum, aber Bellocchio verbindet die „große” Geschichte mit der „kleinen” eines ganz spezifischen, empfindsamen Charakters, dem es auf wundersame Weise zu gelingen scheint, mitten im falschen Leben ein richtiges zu finden. Bellocchio, der Modernist, traut sich, die historischen Linien ganz in die Gegenwart des Kinos zu transponieren, und erlaubt es seinem Schauspieler Pierfrancesco Favino, sich die Figur zu eigen zu machen, sie zu erfinden. Es ist diese Freiheit, die Polanskis Film im Vergleich etwas angestaubt wirken lässt.
24 Januar, 2020
Erfinder
The Sound of Fury
In diesem neu erschienen Buch – benannt nach Cy Endfields gleichnamigen, erstaunlichen Film – durfte ich auf Einladung meines Revolver-Kollegen Hannes Brühwiler über den nicht minder sehenswerten ODDS AGAINST TOMORROW (Regie: Robert Wise, Drehbuch: Abraham Polonsky, USA 1959) schreiben. Inhaltsverzeichnis hier.
19 Januar, 2020
Störgeräusche
07 Januar, 2020
Der Spalt
In Nuri Bilge Ceylans UZAK (Türkei 2002) gibt es eine vielsagende Szene, in der Mahmut, die von Muzaffer Özedemir gespielte Stellvertreterfigur des Regisseurs, den unerwünschten Verwandten aus der Provinz mit der Monotonie eines eigentlich geliebten Films – Tarkowskis STALKER – bewusst vertreibt. Kaum hat sich der vermeintliche Banause zum Schlafen zurückgezogen, legt Mahmut einen billigen Porno ein.
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(Das wäre vielleicht auch eine brauchbare Populismus-Definition: den Schweinehund zum Leitwolf machen.)