29 August, 2021

(Wieder-) Gesehen [16]


SEA OF LOVE (Harold Becker, USA 1989)

Alles ist hier Spiel und Spiel im Spiel, die Schauspieler werfen sich Bälle zu (Pacino, Barkin, Goodman, Jenkins ...), der Leichtsinn ist ansteckend bis in die kleinste Nebenrolle, es fliegen Funken wie bei einem Live-Auftritt. Gleichzeitig ist die Handlung weder lose noch heiter. Das freie Spiel und der Serienkiller-Plot verhalten sich wie die Aquarellfarbe, die sich wolkig-transparent im Wasser löst, aber die dicken Konturen des Ausmalbildes nicht zum Verschwinden bringen kann. Dieser Kontrast gibt dem Film etwas zweischneidiges, frivoles, aber Becker (und seinem brillanten Drehbuchautor Richard Price) gelingt das Kunststück, daraus eine Stärke zu machen. Immer wieder eine Freude.

10 RILLINGTON PLACE (Richard Fleischer, GB 1971)


Der „dokumentarische” Gestus ist dem Genrekino nur scheinbar entgegengesetzt, jedenfalls in den Händen von Richard Fleischer wird daraus ein doppeltes Unbehagen. Die Tatsachen nehmen das Filmbild in Haftung, engen es ein, zugleich befreien sie den Erzähler im Zwischenraum, weil er die belegbaren Fakten auf beinahe beliebige Weise verbinden kann und sich nicht um jene Wahrscheinlichkeit kümmern muss, auf die der Zuschauer die „reine” Fiktion gerne verpflichtet. Diese Paradoxie - gerade weil es wirklich geschehen ist, muss es nicht wahrscheinlich sein - rückt den Film noch näher an den Alptraum. Richard Attenborough spielt den „Creep“ stilbildend mit weicher Stimme und englischer Höflichkeit, seine pathologische Mordlust schleicht sich an („to creep”) und entlädt sich in der Intimität des engen, schmutzigen Hauses, dessen Alberich er ist.



HUD (Martin Ritt, USA 1963)

Wie so viele Newman-Figuren ist auch Hud einer, der sich verschwendet. Wofür genau, bleibt offen. Der Film macht Erklärungsangebote entlang des damals populären Modells „Patriarchen und ihre nach Liebe schreienden Söhne” (Elia Kazans EAST OF EDEN und Douglas Sirks WRITTEN ON THE WIND grüßen herüber), aber die Fronten sind zu klar, die Qualitäten zu eindeutig verteilt, als dass die Situation ins Rutschen kommen könnte. Newman ist auf dem Gipfel seiner Schönheit, sein „römisches” Profil zieht unsere Blicke an, aber bei aller Spielfreude bleibt sein Charakter gefesselt. Nur mit der von Patricia Neale gespielten Haushälterin Anne entsteht ein ambivalenter drift, sie ist ein ebenbürtiges Gegenüber, das Huds (oder Newmans) nihilistischem Wirbel die Stirn bieten kann – schade dass sie die gerade Linie, die das Drehbuch zeichnet, nicht stärker durchkreuzen darf. 



NORMA RAE (Martin Ritt, USA 1979)

Martin Ritts unbedingter Professionalismus, seine Liebe zum „gut Gemachten” verdeckt manchmal, was für ein unerhört guter Schauspieler-Regisseur er war. Sally Field ist eine Offenbarung in diesem Film: eigensinnig, lebenshungrig, solidarisch, kämmt sie den Alltag gegen den Strich der Südstaaten-Kleinstadt, in der alle (unter vormodernen Bedingungen) in der Textilfabrik arbeiten. Auch wenn der politische Furor eher gedämpft wirkt – vielleicht ist die formale „Stabilität“ dem reaktionären Gegenwind geschuldet, mit dem Ritt (der in den 50ern ein Opfer der Blacklist war) immer rechnen musste – ist NORMA die erstaunliche Ausnahme eines klar pro-gewerkschaftlichen Films im amerikanischen Kino. Unbedingt sehenswert.


DRUK (Thomas Vinterberg, Dänemark 2020)

Zu meiner Überraschung hat Vinterberg einen guten Film gemacht. Ein bewegender, trauriger, stellenweise sehr witziger Film, der den Dickens-Satz „Für die Lebenden ist es nie zu spät” zum Schwingen bringt. Die Frage ist dann natürlich: Lebst du noch? Mad Mikkelsen überzeugt als „untoter” und erst recht als wieder zum Leben erweckter Lehrer, der seine bleierne Gegenwart im Schulterschluss mit seinen Freunden und Kollegen zunächst im Rahmen eines „alkoholischen Experiments”, später aber (gerade noch rechtzeitig) aus eigener Kraft zum Tanzen bringt. Dass die Ekstase der Schlussszene von einer bejahenden SMS der vermeintlich verlorenen Liebe flankiert wird, habe ich bedauert, weil der „Ausgang” des Films so ohne Not verengt und das sehr funktionale Verhältnis des Films zu den Frauenfiguren noch einmal bekräftigt wird.

20 August, 2021

Schlachtfeld



Es rührt mich, durch Deutschland zu fahren, es rührt mich, weil Straßen, Häuser, Landschaften Testament einer geradezu manischen Betriebsamkeit sind. Ein gigantischer horror vacui regiert dieses Land, alle tun tun tun, nichts bleibt unberührt. In der Quersumme ist das schrecklich-schön, alle strengen sich so unglaublich an. Ich muss heulen, dieses verrückte Volk ist unermüdlich, will dem Leben entkommen vielleicht, in dem es alles in Arbeit verwandelt. Wir sind König Midas' arme Verwandtesein Fluch hat sich hier fortgesetzt. Schon Hölderlin hat es gewusst: 

„Barbaren von Alters her, durch Fleiß und Wissenschaft und selbst durch Religion barbarischer geworden, tiefunfähig jedes göttlichen Gefühls, verdorben bis ins Mark (…), in jedem Grad der Übertreibung und der Ärmlichkeit beleidigend für jede gutgeartete Seele, dumpf und harmonielos, wie die Scherben eines weggeworfenen Gefäßes (…) Es ist ein hartes Wort, und dennoch sag' ich’s, weil es Wahrheit ist: ich kann kein Volk mir denken, das zerrißner wäre, wie die Deutschen. Handwerker siehst du, aber keine Menschen, Denker, aber keine Menschen, Priester, aber keine Menschen, Herrn und Knechte, Jungen und gesetzte Leute, aber keine Menschen - ist das nicht, wie ein Schlachtfeld, wo Hände und Arme und alle Glieder zerstückelt untereinander liegen, indessen das vergossene Lebensblut im Sande zerrinnt?” * 

 „Worum geht’s eigentlich, Leute?” möchte man schreien – und beugt sich wieder über den Computer. Um den Gedanken in Text zu verwandeln. Wieder was geschafft.



*Aus: Hölderlin. Hyperion oder der Eremit in Griechenland, 1797. Das komplette Buch hier.


Foto von © Katrin Eißing.

19 August, 2021

Gesehen von. Männer in Filmen von Frauen.

Die November 2020-Ausgabe von Revolverkino im Gropiusbau hätte unter der Überschrift „Gesehen von. Männer in Filmen von Frauen” stehen sollen. Nachdem sie zuerst auf Januar 2021, dann auf unbestimmt verschoben worden war, ist inzwischen klar, dass sie ganz ausfallen muss. Vielleicht ist die Filmauswahl aber trotzdem für den einen oder anderen interessant.


Begleitend zu der Ausstellung Masculinities hatten Hannes Brühwiler und ich drei Double Features mit Filmen von Frauen zusammengestellt, die sich (in der Hauptsache) Männerbildern widmen. Wir waren neugierig auf die Erfahrungsunterschiede, die die Nuancen verschieben. Auffällig ist die Genauigkeit im Blick auf das Geschlecht, das so gerne stark wäre, und mit dieser Betonung die Schwäche erst recht zum Thema macht. 



I



In Mary Harrons Zeitgeist-Schocker AMERICAN PSYCHO (USA 2000) ist die Oberfläche „Mann” so hysterisiert, dass schon das Zeigen einer Visitenkarte zum existenziellen Duell wird. 



In Shirley Clarkes PORTRAIT OF JASON (USA 1967) wird die „Hysterie” zur emanzipatorischen Kraft. 



II



In Larisa Shepitkos Meisterwerk THE ASCENT (UdSSR 1977) geraten zwei russische Partisanen in die Hand der Deutschen. Im Gefängnis, in Erwartung des Todes, bricht die Männerfreundschaft in zwei Extreme. 


Auch in Kelly Reichardts Debütfilm OLD JOY (USA 2006) steht eine Männerfreundschaft auf der Kippe, mit subtileren Herausforderungen. 

III



Debra Granik erzählt in LEAVE NO TRACE (USA 2018) eine Vater-Tochter-Geschichte, in der lange in der Schwebe bleibt, wer wen schützen muss. 



Lina Wertmüllers LIEBE UND ANARCHIE (Italien 1973) ist eine politische Komödie über einen Mann, der versucht, so groß zu sein wie sein Plan – und den Frauen, die ihn vor sich selbst schützen wollen.

Algorithmische Selbstportraits

Es gehört zum Unbehagen unserer Zeit, dass die Maschinen sich maskieren. Wer die technischen Grundlagen nicht kennt, wird sie aus der äußeren Form oder den Benutzeroberflächen nicht ableiten können. Und historisierende Sound-Effekte – etwa das Verschlussgeräusch einer Spiegelreflexkamera – führen unsere Ursache-Wirkungs-süchtigen Sinne zusätzlich auf (allegorische) Abwege. 

Vielleicht bin ich deshalb so begeistert, wenn sich in der Zweckentfremdung oder im Fehler etwas Unvorhergesehenes zeigt. Wenn man zum Beispiel die Panoramafunktion des iPhones mit Bewegung überfordert, scheint sich der Algorithmus selbst zu portraitieren. Hier ein paar Panoramen, die ichichich gerade „fotografiert” habe:


16 August, 2021

Zeitmaschine

Einen ersten Eindruck zu revidieren ist schwer, vielleicht unmöglich. Das trifft auf Menschen zu, aber auch auf Filme. Den ersten Eindruck eines Filmes vermittelt oft ein Plakat. Wenn es nichts taugt, findet das ‚Date‘ im Kino womöglich nie statt. Ein gutes Poster dagegen ist wie eine Zeitmaschine. Es gibt einen Vorgeschmack auf das, was uns erwartet - und noch lange nachdem wir den Film gesehen haben, schließt es uns mit unserem Erlebnis kurz. 

Bild: Plakat (1966) von Hans Hillmann für Louis Malles LE FEU FOLLET (F 1963). 

11 August, 2021

Train Dreams

 


L'ARRIVÉE D'UN TRAIN À LA CIOTAT (Auguste & Louis Lumière, F 1896)

Das Eisenbahngenre gehört zu den ältesten des Kinos, vielleicht, weil die Technologien verwandt sind und einen ähnlich transformativen Charakter haben. Es sind beides Maschinen, die unsere Sinne oder körperlichen Möglichkeiten künstlich verlängern und uns so die Welt nahebringen, sie dabei aber zugleich bedrohen oder sogar verzehren (und uns von ihr entfremden). 

Das hatte von vorne herein etwas Fantastisches und Unheimliches, erinnert an die Siebenmeilenstiefel aus dem Märchen oder an den Jäger, der einer Fliege auf zwei Meilen ein Auge ausschießen will („Sechse kommen durch die ganze Welt”, Brüder Grimm). Der Passagier ist Zuschauer, die Geschwindigkeit verdichtet die Landschaft zum Ereignis, der Zuschauer Passagier, von der Bewegung im „Fenster” Leinwand gebannt. 

Auch in der Filmherstellung selbst spielt das „travelling”, die Bewegung auf Schienen, eine wichtige Rolle und in so manchem Zugfilm fällt das Unausweichliche der Schienenfahrt und die Schicksalhaftigkeit der Geschichte in eins – ich denke zum Beispiel an Jean Renoirs großartigen LA BÊTE HUMAINE (F 1938) und Fritz Langs sehenswerte Neuverfilmung HUMAN DESIRE (USA 1954)

Die Tatsache, dass man einen fahrenden Zug nicht ohne Weiteres verlassen kann, machen sich viele Filme dramaturgisch zu nutze, denn auch der Zuschauer soll nicht „aussteigen”, Blumenpflücken während der Fahrt ist verboten. Gleichzeitig muss es in jedem Eisenbahnfilm natürlich um die Entgleisung gehen, wörtlich oder im übertragenen Sinne. 

Natürlich gibt es tolle Eisenbahnfilme auch aus anderen Teilen der Welt, POCIAG (Jerzy Kawalerowicz, Polen 1959) fällt mir gerade ein, aber so weit ich sehe ist das Genre nirgendwo tiefer verankert als in der amerikanischen Filmgeschichte, von THE GREAT TRAIN ROBBERY (Edwin S. Porter, USA 1903) und THE IRON HORSE (John Ford, USA 1924) über SHANGHAI EXPRESS (Josef von Sternberg, USA 1932) und 20TH CENTURY (Howard Hawks, USA 1934) – zwei Filme, die nach einem Zug heißen und die ich beide liebe! – bis, sagen wir, UNSTOPPABLE (Tony Scott, USA 2010) gibt es zahllose Beispiele, Testament der mythischen Rolle, die die Eisenbahn bei der Eroberung und Verwandlung des nordamerikanischen Kontinents gespielt hat.

Zu den amerikanischen Filmen, die Eisenbahn- und Kinologik auf kongeniale Weise verschmelzen, gehören für mich THE GENERAL (Clyde Bruckman, Buster Keaton, USA 1926), THE TALL TARGET (Anthony Mann, USA 1951), THE NARROW MARGIN (Richard Fleischer, USA 1952), THE TRAIN (John Frankenheimer, USA 1964), THE INCIDENT (Larry Peerce, USA 1967), EMPEROR OF THE NORTH POLE (Robert Aldrich, USA 1973) und RUNAWAY TRAIN (Andrey Konchalovskiy, USA 1985).

Was sind eure Zugfilm-Favoriten?

05 August, 2021

Unsterblich


Das Kino ist ein "Sitzstreik gegen den Tod“ und also eine Anstrengung, die sich ihrer Vergeblichkeit bewusst ist. Warum dann trotzdem auf bleibende Werte, unsterbliche Filme, einen Platz im Kanon hoffen? Sicher, auch Filmemacher*innen sind nur Menschen und hadern mit ihrem sicheren Verschwinden, aber oft genug geht dieses Bleiben-wollen gegen die Interessen der Zuschauer. Womöglich gilt das Paradox der Unsterblichkeit: nur wer nicht an Morgen denkt, lebt im Gedächtnis weiter.


Bild: Marek Freudenreichs Plakat für STAGE FRIGHT (Alfred Hitchcock, USA 1950) – Polen 1966.

Was ist ein Held?


Ein Held

...vollbringt eine ungeheure Tat (Odysseus lauscht den Sirenen)

...mit Mitteln die ihm eigen sind (List, Willensstärke usw.)


...fordert die Ordnung heraus (die sagt, den Sirenen zu lauschen führe in den Tod)


...teilt die Gegenwart in ein Davor und Danach (der Horizont des Möglichen hat sich verschoben)


...'macht' Geschichte, weil sie sich erzählen lässt




Bild: Max Beckmann: „Odysseus und Sirene”, 1933.

04 August, 2021

Revolver 44



Neu: Heft 44 – mit Beiträgen von/mit El Pampero Cine, Nele Wohlatz, Julian Radlmaier, Dominik Graf, Katinka Narjes, Bertrand Bonello *. Im Verlag der Autoren. 158 Seiten. ISBN 978-3-88661-408-0.

Das neue Heft ist seit Juli 2021 lieferbar und damit auch in jeder Buchhandlung zu bestellen. Vorrätig hat es in Berlin zum Beispiel die Buchhandlung „Bücherbogen” am Savignyplatz. Einzelbestellung online u.a. via Verlag der Autoren/Buchshop.

Wer abonnieren möchte – was uns die Weiterarbeit erleichtert  – einfach eine formlose Mail („Ich möchte hiermit Revolver - Zeitschrift für Film abonnieren.”) an info(at)etk-muenchen.de mit Namen, Anschrift und Rechnungsadresse (falls nicht identisch). Revolver erscheint 2 x im Jahr. Ein Jahresabonnement kostet nur 13 Euro (zzgl. Porto)!


* Das Interview mit Bertrand Bonello habe ich zusammen mit Nicolas Wackerbarth geführt.

01 August, 2021

Was uns tröstet

Alexander Kluge schrieb 1983 in seinen Thesen: „Videokassetten fordern Filme, die auf Wiederholbarkeit angelegt sind. Ähnlich einer Schallplatte. Niemand kauft Schallplatten, deren „Handlung” man nach einmal Abhören kennt. Das Rätselhafte erhält eine neue Chance.” 

Man kann sich darüber streiten, ob die Film-Konserven und mit ihnen die Wiederholbarkeit, die uns heute zur Verfügung steht, das Medium in Richtung „Rätselhaftigkeit” verändert haben. Vielleicht steckt in der These auch ein Widerspruch: was, wenn die technische Wiederholbarkeit gerade eine Handlung begünstigt, die man „nach einmal Abhören kennt”? 


Das wäre eine Debatte wert. Fest steht aber, dass wir erst seit der Videokassette im privaten Raum Filme wieder- und wiedersehen können. Und warum kommt man auf Filme zurück wenn nicht, weil man auf bestimmte Echo- oder Wiederholungseffekte hofft?


Katinka Narjes schreibt im aktuellen Revolver (Heft 44) „Nach vielen Wiederholungen gerate ich mit der Musik in einen somnambulen Zustand. Dann gelingt es mir, meine so innig liebgewonnene Stelle im Stück manchmal wie zum ersten Mal wahrzunehmen. Sie erscheint für einen kurzen Augenblick wieder überraschend und neu. Oft aber bleibt das vorherrschende Gefühl eines des Verlusts. So geht es mir auch mit Filmszenen, die plötzlich etwas in mir treffen. Der Film kann wieder gesehen werden, aber nun ist das Zuschauen immer in Erwartung darauf, ob sich das Gefühl wieder einstellen wird, oder nur eine Erinnerung daran nachhallt.” 


Trost im Film ist ein zirkuläres, vielleicht auch regressives Begehren. Aber vielleicht gehört zur Wirkungsweise des Tröstens auch die Abnutzung, das Wissen um die Leere der Formel. Der Trost wäre dann der einer beherrschten Zeit, der Überschaubarkeit. Auch Kindern spenden wir Trost mit der Wiederholung von Formeln. „Heile heile Segen, morgen kommt der Regen.” 


Wenn ich daran denke, wie wiederholungsselig meine Kinder bei der Wahl der Filme sind, dann hat das einerseits sicher mit einer – bis zu einem gewissen Grad vergeblichen – Jagd nach vergangenen Freuden zu tun, aber eben auch mit der Gewissheit, von keiner Abzweigung der Handlung überrascht (und damit womöglich auch verstört) zu werden. Vielleicht eignen sich traurige Filme deshalb besonders zur Wiederholung. Denn das Wiedersehen macht uns zu Wächtern eines unabänderlichen Schicksals. Man könnte auch sagen: beim Wiedersehen besiegen wir die Zeit, oder doch beinahe.



Welche Filme trösten mich? Eher nicht die Filme, die ich innig liebe. Denn ich habe Scheu, meine „heiligen” Erlebnisse mit der abgebrühteren Haltung in der Wiederholung zu überschreiben. Einige DVDs in meiner Sammlung habe gekauft, um sie mir nie anzusehen. Aber ich sehe gerne Filme wieder, die als zuverlässige „Maschinen” funktionieren, meine Gefühle zu sortieren. Oft sind das Genre-Filme, Western und Gangsterfilme, Film noirs, die ja ohnehin ihre Kraft aus der Variation des Bekannten schöpfen. 


Jacques Tourneurs OUT OF THE PAST ist wahrscheinlich der ideale Film für diesen Zweck. Er lässt sich beinahe ohne Verlust wiederholen, finde ich, vielleicht, weil er selbst eine Art Loop ist, aber auch, weil man die Verstrickungen der Handlung unterwegs vergisst. Und der melancholische Grundton, der „sense of doom”, verbindet sich anschmiegsam mit jedem Schmerz, an dem man leiden will.