07 April, 2007

Tiger im Käfig

Für Momente die Möglichkeit, direkt zu sein, ohne den Zwischenraum der Reflexion, näher am Instinkt... Aber die Gelegenheiten sind selten und die Übergänge seltsam.

Ich bin immer auf der Suche nach Souveränität gewesen, zum Preis einer „mittelbaren” Lebensweise. Es geht mir gut damit, ich bin bei mir, und doch sehe ich mit Begeisterung Tiere und ihre menschlichen Wiedergänger - und möchte zu ihnen gehören.

Auch die Helden des Kinos leben ohne Zwischenraum - oder zumindest machen mir diese Helden besonders viel Spaß. Sie scheinen ohne Scham, ohne Zweifel. Die Qualität des Paradiesischen...

Eigentlich absurd, dass gerade die Kamera das (scheinbar) Unbewusste feiert, obschon sie doch Bewusstsein produziert. Der Schauspieler spielt für uns, gefangen in unserem Blick. Und doch geniessen wir gerade das Leugnen dieser Abhängigkeit.

So wie wir vom Tiger im Käfig erwarten, dass er sich „natürlich” verhält - als seien wir nicht anwesend - soll auch der Schauspieler „unbeobachtet” spielen. Der Blick in die Kamera ist verboten.

Interessanter Weise verzichtet das Fernsehen (weitgehend) auf diese Unschuldsgesten. Die meisten Serien zum Beispiel vertrauen ihrer eigenen Welt nicht; das Schauspiel findet ganz offensichtlich für die Kamera, für den Zuschauer statt. Vielleicht weil die Dreharbeiten kein reales Kraftfeld erzeugen, keine Situation „verwirklichen”, sind Wörter, Gesten, Grimassen hier nur Zitate ohne klaren Bezugsrahmen. Entsprechend ungenau das Spiel: Von allem zuviel.

In diesem Ungefähr liegt die Schwäche des Fernsehens, aber vielleicht auch das Geheimnis seines Erfolges: Man muss sich nicht angesprochen fühlen, kann halb und halb, im Nebenbei konsumieren, ohne für die Unachtsamkeit bestraft zu werden...

Die „heilige” Rethorik des Kinos, in der jeder Dialog das Gewicht letzter Worte haben will und Meinen und Sagen unbedingt zur Deckung kommen, lässt sich angesichts der fragilen Vorführbedingungen zu Hause nicht durchhalten.