16 Juli, 2013

Auf Anfang

Sophie Charlotte Conrad als „Lea”

Erfahre eben, dass man meinen Debütfilm MILCHWALD (D 2003) zur Zeit auf Mubi streamen kann.

07 Juli, 2013

unpolitisch

Bekanntermassen war Goebbels der Meinung, die UFA sei der Propaganda dienlicher, wenn sie „unpolitisch” bliebe. Und wirklich finden sich 1933-45, abseits der „staatspolitisch wertvollen” Gesinnungsfilme, kaum tagesaktuelle Bezüge*, kein „Judenproblem”, keine Führer-Rede, ja noch nicht mal NS-Klassizismus und „deutsche Kunst”, von Terror und Vernichtung ganz zu schweigen. Gegenwart findet allenfalls implizit statt, in Form eines besonders „frischen” Lehrers zum Beispiel („Die Feuerzangenbowle”) oder invers, weil die Idylle unwillkürlich vom Untergang spricht („Unter den Brücken”). Die meisten Geschichten aber drehen sich „zeitlos” um „ewige” Probleme: die Liebe, die Sehnsucht, die Verwechslung: „Intimkitsch der heilbaren Irrungen” (Ivan Nagel).

Das ist im deutschen Kino heute kaum anders. Zwar wird Gegenwart schon aus Budgetgründen gerne behauptet, aber die Antworten fallen zuverlässig „privat” aus, während die politische Sphäre, die Welt der Arbeit, überhaupt: Gesellschaft und Öffentlichkeit, weitgehend ausgeblendet bleiben. Ich erinnere mich an keinen einzigen Spielfilm, in dem der Name der Kanzlerin fiele. Und während ich noch im durchschnittlichsten amerikanischen Film etwas über Prozesse lerne, scheut der deutsche Spielfilm die Recherche wie der Teufel das Weihwasser, von den Uniformknöpfen in Nazifilmen einmal abgesehen.

Nun gibt es gute Gründe gegen einen „politischen” Film, der Wirkungsabsichten und „sagen wollen” mit Erzählen verwechselt. Ulrich Köhler hat sich 2007 zu recht gegen eine politisch funktionalisierte Ästhetik gewandt. Aber in einem einfacheren Sinne politische Filme vermisse ich durchaus. Filme, die die Sphäre des Politischen beschreiben etwa. Die unsere Institutionen von innen zeigen. Gerichtsfilme zum Beispiel, aber auch Filme, die neben einem Prozess spielen. In welcher Realität lebt ein Richter? Ein Verbindungsoffizier der Bundeswehr? Ein Ministerialbeamter? Ein Abgeordneter im Landtag? Ich spreche hier nicht vom Dokumentarfilm. Und nichts liegt mir ferner als den Lehr-Spielfilm zu fordern. Aber ich will Figuren sehen, die in unserer Welt leben, in unserem Land, mit spezifischen Erfahrungen.

Ich sehne mich nach einem Kino, das als Seismograf der Gegenwart taugt. Das über mehr oder weniger flotte Dreier hinausgeht. Das unseren Wirklichkeitsbegriff verschärft. Auf den Plätzen europäischer Hauptstädte, in den politischen Eliten, auch in den Schlagzeilen der Zeitungen spitzen sich die Konflikte zu. Wie lange dauert die Euro-Krise nun schon? Fünf Jahre? Geht uns das nichts an? Im deutschen Kino jedenfalls spürt man davon nichts.

In Kürze drehe ich einen neuen Film, einen Polit-Thriller, nach einem Drehbuch, das ich mit Ulrich Peltzer geschrieben habe. Nicht, weil ich hoffte, „die Welt” zu verändern. Aber durchaus, um den Blick zu schärfen für Zusammenhänge, die zwar offenkundig sind, aus denen aber selten die Summe gezogen wird. Es ist der Versuch, die älteste aller politischen Fragen –„Wem nützt es?” – im hauptstädtischen Medienmilieu zum Klingen zu bringen. Erzählt wird die Geschichte einer Täuschung, ein Journalist gerät ins Machtfeld einer Lobby, wird zum Stein im Schuh eines großen Spielers...

Die Herausforderung besteht unter anderem darin, gegenwärtig, aber nicht aktualistisch zu sein. Das System zu beschreiben, ohne deshalb den Eigensinn der Figuren zu vernachlässigen. Recherche sinnlich zu machen, ohne journalistisch zu werden. Und auch darin, erzählerische Bedürfnisse des Zuschauers und formalistische Interessen meinerseits in einen produktiven Zusammenhang zu bringen. Ich bin gespannt.

*) Nachtrag:
Eben lese ich (in einem Artikel von Lars-Olav Beier im aktuellen Spiegel 3. März 2014) dass Filme aus der NS-Zeit in der Regel erst nach einer Bereinigung freigegeben wurden, d.h. Embleme des Regimes, Uniformen und dergleichen wurden herausgeschnitten. War das nicht möglich, landeten die Titel für gewöhnlich im Giftschrank („Unter Vorbehalt”). Diese Säuberungspraxis hatte ich nicht bedacht.