Valentin Popov, Nikolay Gubenko, Stanislav Lyubshin |
Kann man älter als der eigene Vater werden und doch zu jung sein für den „Ernst des Lebens”? Khutsievs Film über die vaterlose Generation im Tauwetter-Moskau der 60er Jahre erzählt von drei Freunden und wie sich ihre Freundschaft durch Beruf, Ehe, Kinder verändert. Aber er erzählt auch von ihren Müttern und Schwestern, von Filmstudenten und Arbeitern, Kantinen und Universitäten, und sogar die Toten kommen zu Wort. Ein sowjetisches Pendant zu Fellinis I VITELLONI vielleicht, aber ausschweifender, einen größeren Zeitraum in den Blick nehmend, und dabei auch formal waghalsiger. Ein Jahrhundertwerk.
Geir Westby |
Peter Watkins' Film ist lang und redundant, und das mit voller Absicht. Er arbeitet mit Refrains, will das Gefangensein des Künstlers Munch in seinen Themen – die Allgegenwart des Todes, die Angst vor der Frau, die Unfähigkeit zur Kommunikation – auch im Zuschauer selbst erzeugen. Zu meiner Überraschung steht das einer gefühlsmässigen Beteiligung nicht im Wege. Und noch nie habe ich einen Künstlerfilm gesehen, der den bildnerischen Prozess so ernst genommen hat, in dem das tatsächliche Bemalen der Leinwand, das Schneiden des Holzes etc. so anschaulich und glaubwürdig war. Das gilt auch für die Besetzung: die Laien, die Watkins gefunden hat, haben nicht nur faszinierende Gesichter, sie haben auch die richtigen. Die Ähnlichkeit mit den historischen Personen ist frappierend. So frappierend, dass man Munchs Selbstportraits wirklich für Portraits des Schauspielers Geir Westby zu halten geneigt ist.
Ildikó Bánsági |
Ungarn in den letzten Tagen des Krieges. Zwei Fremde spielen Eheleute. Oder besser: die Frau lässt sich auf dieses Spiel ein, weil man ihr sagt, sie habe keine Wahl – aber wem das Spiel nützt, wer es in der Hand hält, bleibt lange offen. Mit anhaltender Dauer der Täuschung jedenfalls verschwimmen die Grenzen: Ohne Vertrauen ist alles Fiktion, aber jede Fiktion, die praktisch wird, beginnt mit der alten Wahrheit zu konkurrieren, verwandelt sich in Wirklichkeit. Der Glaube mag Berge versetzen, aber ist es nicht der Wille zu glauben, der den Berg erst erschafft? Ein neuer Lieblingsfilm.
Elena Rufanova |
Der beste Film über Hitler ist die hysterische Komödie eines russischen Esoterikers. Sokurov entstellt das Theater der Macht zu lächerlicher Kenntlichkeit, richtet die Erzählung dabei aber so kippelig ein, dass der Schrecken immer nur einen Schubs entfernt ist. Einer der seltenen Fälle, in dem die Konzentration auf den „privaten” Hitler nicht auf relativistische Abwege führt. Der ungewöhnliche Fall auch, in dem der Abstand zwischen dem deutschen Synchronton – nach originalen Gesprächsprotokollen – und dem (gestisch-artikulativ anders gelagerten) russischen Spiel ästhetisch Sinn macht: die „Fremdsprache der Unmenschlichkeit” wirkt übersprochen noch schärfer.
Eine Elegie über die Blockade von Leningrad. Loznitsa hat die Aufnahmen, die den Niedergang des städtischen Lebens (und damit das Kriegsverbrechen der Deutschen) dokumentieren sollten, mit großer Zurückhaltung aus dem Rahmen offizieller Erinnerung gehoben. Seine Montage interessiert sich für Zustände, für die sich verlangsamenden Rhythmen, die Agonie. Die Neuvertonung des stummen Originalmaterials hat großen Anteil an der Wirkung des Films: für eine Weile erscheinen die Töne realistisch, bis auffällt, dass es keine Stimmen gibt. Die Stadt tönt, die Schlitten und Karren knirschen, aber die Menschen bleiben stumm. Loznitsa organisiert das Material dabei in metaphorischer Folgerichtigkeit (nicht gegen die Chronologie, aber unabhängig von ihr). Wie in den Stationen eines Kreuzwegs sehen wir dem Tod immer direkter ins Gesicht. Das ist mitunter sehr schwer zu ertragen. Es spricht für Loznitsas historisches Bewusstsein, dass er den Film denkbar bitter nicht mit dem Feuerwerk der Befreiung, sondern der Wiederaufnahme der Vollstreckung von Todesurteilen enden lässt, dem blutigen Alltag der Stalinzeit.