26 Januar, 2011

Grüße aus der Mischung



Eberhard Kirchberg als Marcus Kreil in meinem neuen Film EINE MINUTE DUNKEL, der sich gerade in der Mischung befindet. Mischmeister: Matthias Lempert. Tongestaltung: Rainer Heesch.

I expect to make the best movie ever made.



Ein Memo von Stanley Kubrick zu seinem „greatest film never made”, NAPOLEON.

Gerade lese ich in Alexander Kluges Text über Bernd Eichinger:
„Zuletzt sah ich ihn in diesem Winter. Er kam mit seiner Frau vom Nebentisch bei Schumann's zu uns rüber. Zum ersten Mal in meinem Leben durfte ich die Runde bestreiten. Das war eine Respektsbezeugung seinerseits. Wir haben in dieser Runde Pläne gemacht für einen großen Film über Napoleon - als Ausführung des Projekts, das 1968 Stanley Kubrick vorbereitete, aber nicht verwirklicht hat. Bernd Eichinger wollte, wie er behauptete, künftig kürzer treten. Das fängt man am besten dadurch an, dass man ein neues, großes Projekt plant.”


(Bild via)

23 Januar, 2011

Echo (2)




Oben: Akira Kurosawas YOJIMBO (J, 1961).
Unten: David Lynchs WILD AT HEART (USA, 1990).

Siehe auch *)

Glück im Anzug

Tolstois berühmter erster Satz aus „Anna Karenina” - „Alle glücklichen Familien gleichen einander, jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich.“ - klingt umso einleuchtender, je mehr Filme man gesehen hat. Ich kann nicht finden, dass das Glück im Leben so uniform wäre, aber im Kino ähnelt es sich auf frappierende Weise. Die Sonne scheint, Kinder laufen, lassen einen Drachen steigen, der Papa hilft, macht sich ein bisschen lächerlich, alle lachen. Der gepflegte Hund ist auch mit dabei und kläfft. Sehr oft geht es um Kinderspiele, aber da nur um die sattsam Bekannten, um Momente, die sich sofort dechiffrieren lassen, die Inseln im Film bilden. Das Glück im Kino ist mehr noch als alles andere dezidiert Mittelklasse. Das heißt, das Glück liegt auf der Wiese eines Parks, nicht in der Wildnis, nicht in der Gosse, nicht im Palast. Fast immer hat es mit „Freizeit” zu tun, nicht mit der Arbeit, nicht mit Essen oder Schlafen oder Sprechen. Vielleicht fällt mir das deshalb so stark auf, weil ich die klassischen „Sonntagsfreuden” oft als lähmend empfunden habe, während Arbeit, Sehen, Sprechen, Schlafen, Essen viel mit dem zu tun hat, was ich in meinem Leben Glück nenne. Vielleicht ist es ja wahr - wie manche Gedächtnisforscher sagen - dass wir uns das Glück nicht so gut merken können wie den Schmerz, die blassen Stellen deshalb irgendwann mit Konfekt ausfüllen. Einem Erzähler kann das nicht genügen...

20 Januar, 2011

Schweineborstenbürste

Ich liebe Bildbände, die Welten bündig machen, Überblick versprechen über die komplizierte Gemengelage unserer Wirklichkeit. Als Kind besass ich Bücher mit so verheissungsvollen Titeln wie „Die Indianer” oder „Große Seefahrer” und noch heute kaufe ich mir manchmal alte, bildersatte Panoramen dieser Art.

Zum Beispiel „Alltag im Vatikan” von Curtis Bill Pepper (1967), in dem man erfahren kann, dass die Wohnung des Papstes (gemeint ist Paul VI) über „ein marmornes Bad, einen Filmvorführraum, zwei Fernsehgeräte, einen Lift und eine Dachterasse” verfügt, obwohl der Papst privat (natürlich) bescheiden lebt und „fast alle seine persönlichen Wertgegenstände weggegeben” hat. Seine Telefonnummer (3101) wird ebenso verraten wie der Aufenthaltsort aller Ersatzschlüssel (in der Feuerwache), einschliesslich derer der Geheimgänge versteht sich.

Die Mischung aus Promi-Reportage und Propaganda-Lyrik entwickelt oft absurde Züge: „Der Papst beginnt den Tag demütig auf den Knien. Auch während er sich anzieht und rasiert, setzt er sein stilles Gebet fort. Er benutzt einen elektrischen Rasierapparat und bürstet das Haar mit einer Bürste aus Schweinsborsten, die er schon seit vielen Jahren besitzt.”


Gino de Paolis nach seiner Verhaftung.

Dem Vatikanischen Gefängnis ist ein eigenes Kapitel gewidmet, auch wenn es angeblich nur einmal benutzt wurde, denn: „die Kriminalität im Vatikanstaat ist so gering, dass sich der Unterhalt einer Strafanstalt gar nicht lohnt”. Die Geschichte des „einzigen Häftlings” Gino de Paolis, der mit einem Stück Seife Geld aus den Opferstöcken gestohlen haben soll, wird so onkelhaft, mit so viel falscher Süsse erzählt („Das ist der eine Fehler des Vatikan-Gefängnisses: es ist zu komfortabel.”), dass ich jedes mal aufs Neue fasziniert und angewidert bin.

In diesem Sinne sind all diese zu bündigen Geschichten anregend: sie provozieren mich, mir meinen Teil zu denken, das Unterschlagene zu rekonstruieren - oder Gegengeschichten zu erfinden. Die Lügen fordern Gegenlügen heraus...

(Und wäre Gino nicht ein toller Ausgangspunkt für einen Film?)

18 Januar, 2011

Der Lieblingsfeind



Nutzlos (?) und faszinierend: auf der Seite boxofficequant.com wird der Versuch gemacht, Filmgeschichte statistisch zu beschreiben. Die Fülle der online zugänglichen Datenbanken macht dabei einige ungewöhnliche Verknüpfungen möglich. So analysiert der Post Genre Kodex Worthäufigkeiten in (Hollywood-) Drehbüchern, nach Genres geordnet. Häufigstes Wort im (amerikanischen) Kriegsfilm: „German”. In Sachen Feind immer noch Exportweltmeister...

(via)

17 Januar, 2011

DREILEBEN im Forum


Stefan Kurt (Frank Molesch) in EINE MINUTE DUNKEL (D, 2011).

Seit heute ist es offiziell: mein neuer Film EINE MINUTE DUNKEL wird - zusammen mit KOMM MIR NICHT NACH (Dominik Graf) und ETWAS BESSERES ALS DEN TOD (Christian Petzold) - im Rahmen des Forums Premiere feiern. Die drei Spielfilme, die sozusagen ein freies Tryptichon bilden, teilen sich den Schauplatz („DREILEBEN”), den Zeitraum und eine Handvoll Charaktere, erzählen aber eigenständige Geschichten. Sie werden gemeinsam (=hintereinander) am 16.02.2011 im Delphi Kino zu sehen sein. Ich freue mich!

Hier die Forums-Pressemitteilung.

14 Januar, 2011

Dreischnitt



In der neuen Ausgabe der Filmzeitschrift Schnitt ist meinem Film UNTER DIR DIE STADT ein sogenannter Dreischnitt (drei Sichtweisen auf einen Film) gewidmet. Kinostart: 31.03.

09 Januar, 2011

Menschenkenner


Sensationell: Holly Hunter und William Hurt in BROADCAST NEWS (USA 1987).

James L. Brooks (* 1940) sitzt, trotz seiner enormen Erfolge als Produzent (THE SIMPSONS) und Regisseur (TERMS OF ENDEARMENT - eine unglaubliche Mischung aus Weepie und Komödie), zwischen allen Stühlen. Anders als die berühmten Kollegen seiner Generation (Coppola *1939, Scorsese *1942, De Palma *1940) hat er im Fernsehen angefangen, seine Regiekarriere begann spät und verlief unregelmässig - kommerziell, künstlerisch und arbeitsrhythmisch gesprochen. Im Gegensatz zu den Paten New Hollywoods war sein Kino auch nie meta-cinephil oder modernistisch: seine Filme wirken formal eher bieder und versöhnlich.

Aber was für ein großer Menschenkenner ist er! Ich habe mir vor ein paar Tagen BROADCAST NEWS angesehen, ohne große Hoffnungen eigentlich, und bin wirklich sprachlos über seine Meisterschaft, komplexe Charaktere lebendig werden zu lassen. Letztlich gibt es eben doch kein größeres Vergnügen, als jemanden zu erkennen, zu erleben, wie ein Mensch tickt. Wie schmal erscheinen plötzlich die Figuren bei Scorsese zum Beispiel, wie unterentwickelt erzählerisch (gerade angesichts der visuellen Aufwändigkeit im Übrigen). Ich will die beiden gar nicht gegeneinander ausspielen, aber interessant ist es doch, dass Scorsese (der seit mehr als 15 Jahren keinen interessanten Film mehr gemacht hat) heute als Gigant der Filmgeschichte gefeiert wird, während Brooks irgendwo unter populär abgeheftet wird. Ist es so, dass der formale Furor mehr Prestige geniesst als das gewitzte Erzählen einer Figur? Wie auch immer: ansehen.

P.S.: Bei dailyscript.com gibt es das Drehbuch.

05 Januar, 2011

Revolver Berlinale Party 2011



Herzliche Einladung: Am Sonntag, den 13.02., ab 22 Uhr im Festsaal Kreuzberg (Skalitzerstr. 130, direkt am U-Bhf Kottbusser Tor).

DJ Team: Stereo Total
Live: Angie Reed

Carte Blanche Paris



Auf Einladung des Goethe Instituts Paris wird Revolver dort über das Jahr verteilt zehn deutsche Filme zeigen.

"Die Filmemacher/innen, die Revolver seit über 12 Jahren (in verschiedenen Konstellationen) als Kollektiv herausgeben, haben ganz unterschiedliche Ansichten über das Kino, und unterschiedliche Vorlieben. Die Reihe, die keinem System folgt, ist entsprechend heterogen. Präsentiert werden Filme, die (...) zusammengenommen einen Beitrag leisten zu einer anderen deutschen Filmgeschichte. Es geht darum, beispielhaft zu zeigen, wie vielfältig der deutsche Film war und ist, jenseits der zuverlässigen Verehrung für die großen Säulenheiligen.

Wenn man trotzdem einen Zusammenhang erkennen kann, ist das bestimmt kein Zufall. Zu den Kontinuitäten der Arbeit bei Revolver gehört es, nach Arbeitsweisen zu fragen, die realistisch sind gegenüber ihren - oft genug ärmlichen - Produktionsbedingungen. Zweitens zieht sich ein Thema durch alle Ausgaben: die Frage nach dem Verhältnis von Film und Leben, der Darstellbarkeit von Realität. Die Filme der Reihe sind, wenn man so will, unsere Lieblingsantworten auf diese brennenden, auch unsere eigene Praxis bestimmenden Fragen. Schön wäre, über die Filme darüber neu ins Gespräch zu kommen."
(C.H.)

Goethe-Institut - 17 avenue d'Iéna, 75116 Paris
Originalfassung mit französischer Untertitelung
4€; 3€ für die Inhaber der Carte Goethe
Tel. +33 1 44439230


FILME & TERMINE:

Freitag, 21. Januar, 19.30 h
HAT WOLFF VON AMERONGEN KONKURSDELIKTE BEGANGEN? (Gerhard Friedl, D 2004). Vorgestellt von Saskia Walker.

Donnerstag, 24. Februar, 19.30 h
MEIN STERN (Valeska Grisebach, D 2001). Vorgestellt von Franz Müller.

Mittwoch, 23. März, 19.30 h
JAHRGANG '45 (Jürgen Böttcher, DDR 1966).

Donnerstag, 28. April, 19.30 h
DAS HIMMLER PROJEKT (Romuald Karmakar, D 2000). Vorgestellt von Hannes Brühwiler.

Freitag, 27. Mai, 19.30 h
BÜBCHEN (Roland Klick, D 1969). Vorgestellt von Marcus Seibert.

Freitag, 24. Juni, 19.30 h
PAUL (Klaus Lemke, D 1974). Vorgestellt von Christoph Hochhäusler. (Im Anschluss wird es eine Revolver Party geben).

Mittwoch, 21. September, 19.30 h
MATERIAL (Thomas Heise, D 2009). Vorgestellt von Saskia Walker.

Freitag, 28. Oktober, 19.30 h
REDUPERS (Helke Sander, D 1978). Vorgestellt von Heike Hurst.

Mittwoch, 30. November, 19.30 h
KLARAS MUTTER (Tankred Dorst, D 1978). Vorgestellt von Christoph Hochhäusler.

Freitag, 16. Dezember, 19.30 h
PLÄTZE IN STÄDTEN (Angela Schanelec, D 1998). Vorgestellt von Nicolas Wackerbarth.


03 Januar, 2011

Fame trough Movies



„Filmvermittelnde Filme”, wie Baute und Co dieses Genre etwas germanistisch genannt haben, erleben im Netz eine neue (oder vielleicht überhaupt erst ihre wirkliche) Blüte. Zu den Protagonisten dieser audiovisuellen Kritik gehört der Amerikaner Matt Zoller Seitz, der seit einigen Jahren kleinere und größere Video-Essays im Rahmen des Projektes Museum of the Moving Image oder anderswo postet - und sie werden, so scheint mir, immer besser. Ende Juni letzten Jahres hat er - in Zusammenarbeit mit Aaron Aradillas und (so bin ich in diesem Fall auf die Serie gestossen) Steven Santos eine sechsteilige Serie zum Thema Ruhm und Kino veröffentlich. RAZZLE DAZZLE: FAME THROUGH MOVIES ist so kenntnisreich und anregend wie lange kein Netzessay, den ich gesehen habe - und sei hiermit sehr empfohlen.

Chapter 1: The Pitch, Chapter 2: The Hero, Chapter 3: The Fraud, Chapter 4: The Parasite, Chapter 5: The Maverick, Chapter 6: The Takeaway