18 März, 2022

(Wieder-) Gesehen: [17]


EASY LIVING (Mitchell Leisen, USA 1937)

Ein Film voller Ideen und Ereignisse, die zum Plot nichts beitragen, Running Gags, Slapstick-Einsprengsel, Ausstattungsverrücktheiten – aber dieser Überfluss kümmert den Film nicht weiter, weil Jean Arthur durch den Film traumwandelt und wir mit ihr. Sie ist der Magnet, dem sich Leisen ganz überlässt, und was nicht von ihr angezogen wird, lässt er einfach fallen. 



MIDNIGHT (Mitchell Leisen, USA 1939)

Es gibt grob gesagt zwei Theorien über die Komödie. Der ersten zufolge ist sie eine beschleunigte Tragödie, ein hysterischer Tanz am Abgrund, weil das Leben und seine Ungereimtheiten nur als Witz erträglich seien. Die andere Theorie geht im Gegenteil davon aus, dass uns angesichts der Schwere nur Leichtigkeit retten kann. Dieser Film folgt eindeutig der zweiten Maxime. Leisen richtet nach dem Drehbuch von Wilder und Brackett ein Soufflee an, die Reste an Wirklichkeit, die sich im Drehbuch wohl finden, löst er mit seinen bestens aufgelegten Schauspielern nach und nach in Wohlgefallen auf. Alle Komplikationen des Plots könnte man lustspielerisch Verwicklungen nennen. Die Spindel dreht sich, und der Schwindel ist wunderbar. Eine der besten romantischen Komödien die ich kenne, ohne den bittren Magensaft, den Wilder als Regisseur beispielsweise beigefügt hätte (wie Lukas Foerster richtig angemerkt hat). Große Empfehlung!



HOLD BACK THE DAWN (Mitchell Leisen, USA 1941)

In vielerlei Hinsicht der beste Wilder-Film, den Wilder nie gemacht hat. Was Leisens Regieleistung nicht schmälern soll, im Gegenteil. Aber das Drehbuch von Brackett und Wilder über die Gewalt der Verführung und die Korruption der Gefühle ist nicht nur stilistisch voller Wilderisms, die ganze Geschichte ist mehr oder weniger autobiografisch, was wohl auch ein Grund für Wilder war, so empfindlich und ungerecht auf Regieeinfälle und Änderungen gegenüber dem Drehbuch zu reagieren (Joseph McBride macht diese Lesart in seinem neuen Wilder-Buch plausibel). Die Inszenierung ist vor dem Hintergrund von Wilders Mäkeleien jedenfalls überraschend scharfkantig und bitter und die späte „süße Wendung” der Geschichte hebt diese Erfahrung nicht auf. Der beste Beweis für „the genius of the system”, in allen Departments.  



KISS ME STUPID (Billy Wilder, USA 1964)


Hätte hätte Fahrradkette: Jack Lemmon war verhindert, die Hauptrolle zu übernehmen. (Und Peter Sellers erlitt während der Dreharbeiten einen Herzinfarkt.) Das ist sehr zu bedauern, obwohl Ray Walston seine Sache sehr gut macht. Aber jenes heikle Gleichgewicht zwischen Galle und Vergnügen, das Wilders beste Filme bitter und süß macht, trifft Walston nicht. Und so wird der „kritische Unterton” eine Spur zu offensichtlich, und alles gerät aus dem fein tariertem Gleichgewicht, um das sich die artifizielle Form des Films so bemüht. Trotzdem ein exquisit erzählter Film mit wunderbar entwickelten Details.