30 Mai, 2014
Das Datum
Wenn ich einen Film gerade hinter mir habe, wie jetzt, klopfen plötzlich die Zweifel an, Alternativen fallen mir ein, bessere Wendungen, hier ein Satz, dort ein fehlender Puzzlestein usw. Das einzige Argument, die Versucher zurückzuschlagen, besteht in dem Mantra, dass jeder Film ein Datum habe. In jedem anderen Moment hätte ich einen anderen Film gemacht, sage ich mir dann, mit anderen Stärken, anderen Fehlern. Das hilft.
White Religion
Bin ich in einer fremden Stadt, suche ich instinktiv das Zentrum auf, vielleicht, weil ich aus einer Stadt stamme, die sich in Zwiebelringen um einen kleinen Kern entwickelt hat. Und auch wenn Münchens Innenstadt nach dem Wiederaufbau und spätestens mit der Einführung der Fußgängerzone weitgehend ausgetrocknet ist, lässt sich an ihr doch so etwas wie die Idee dieser Stadt ablesen.
Diesem Reflex folgend habe ich 2005 auch in Los Angeles zuerst die Downtown aufgesucht, von der alle sagen, dass sie "nichts mit der Stadt zu tun hat” oder mindestens nicht mehr (für Berlin liesse sich dasselbe sagen). Und wirklich wirkten weite Teile dieser recht überschaubaren „Altstadt” wie abgehängt und vergessen, was sich nicht zuletzt an den vielen prachtvollen Kinos zeigte, die sämtlich von neuevangelistischen Kirchen (und Ramschläden) in Beschlag genommen waren.
Fotos: Nick Bradshaw |
Das schien mir vielsagend nicht nur, weil die Kinopaläste ihrerseits gerne sakrale Architektur zitieren, sondern auch, weil das Kino offensichtlich nicht mehr jenes Angebot sein will, das für alle offen ist, etwa für das mexikanische Subproletariat, das die Downtown heute bevölkert. Kino ist in den USA ein teures Vergnügen, eine Religion für die weisse Mittelklasse sozusagen, während die neuen Kirchen weniger wählerisch sind.
Daran musste ich denken, als man mir heute am Potsdamer Platz einen Flyer in die Hand drückte, der für eine englischsprachige Messe (mit deutscher Übersetzung!) warb, die dort sonntäglich im Saal eines Multiplexkinos stattfindet. Seelenloser kann man sich einen Versammlungsraum nicht denken, aber mir wurde versichert, dass die Musik „live” und die Stimmung „great” sei, auch eine Babybetreuung gäbe es.
Was tun, wenn sich niemand mehr versammeln möchte? Fußball, Oper, Kirche finden längst im Multiplex statt, nur die Filme sind schrecklich monoton und die alte (junge) Zielgruppe hat nicht mehr so viel Zeit und Geld wie früher oder verteilt die Ressourcen anders.
Wenn ich darüber nachdenke, wünsche ich mir ein Kino, Räume wie Filme, das nicht „Kirche” sein könnte.
Wenn ich darüber nachdenke, wünsche ich mir ein Kino, Räume wie Filme, das nicht „Kirche” sein könnte.
27 Mai, 2014
Im Windkanal der Geschichte
THE GREAT DEBATERS (Denzel Washington, USA 2007).
Eine Art „Sportfilm für Brillenträger”, sehr amerikanisch. Ein Lehrer, gespielt von Denzel Washington (dessen zweite Regiearbeit der Film ist), gründet einen Debattierclub an einer schwarzen Provinzuniversität in den 1930ern. Bald versammelt er die hellsten Köpfe um sich. Man rauft sich zusammen. Am Ende wird das weiße Harvard besiegt, nur mit der Schönheit der Argumente.
Washington inszeniert das als nahtlose Unterhaltung. Storytelling-Klassizismus, dem man allenfalls noch in Pixar-Filmen zu finden gewohnt ist. Die Geschichte steht im Zentrum.
Es ist eine „wahre” Geschichte. So wie sie erzählt wird, kann sie nicht passiert sein. Die Verkürzungen sind propagandistisch, aber – falls so etwas möglich ist – nicht verlogen.
Eher ist es eine didaktische Überhöhung, auf die Washington aus ist. Der Lehrer, der spricht, hat Autorität. Zweifel sind nicht erlaubt – und werden vielleicht nicht zufällig im Film als „größte menschliche Schwäche” identifiziert, von einem Prediger, den Forest Withaker musisch-autoritär als spirituelle Alternative anlegt.
Auch das Schauspiel der Schüler hat etwas evangelikales, auf hohem Niveau. Die jungen Spieler wachsen über sich hinaus, im Dienst der Sache. Sie bleiben dabei Modelle, stellen Konflikte dar, über-individuell.
Die Tatsache, dass Washington die „Zweifellosigkeit” seiner Erzählung für angemessen hält, könnte heissen, dass er den Rassismus ernster nimmt als es üblich ist in Hollywood. Er muss ihn erfahren haben, denke ich. Dennoch: Ich wünschte, er hätte die Zweifel zugelassen.
Das gilt auch und gerade für die Form, die über kompetente Konfektion nie hinausgeht, nirgends: die Auflösung ist gefällig, die Ausstattung rhetorisch, die Musik süßlich (Einzige Ausnahme vielleicht ist die Anfangsszene im Tanzclub, in der die Musik für einen Augenblick ergreifend unzähmbar scheint). Stromlinie im Windkanal der Geschichte.
Der Film hat mich ungemein bewegt, was kein Werturteil bedeuten soll. Warum ist Ungerechtigkeit im Kino ein so starkes Wirkmittel? Im Leben lässt es mich so viel kälter.
Spannung im engeren Sinne gibt es wenig. Wir wissen, worauf die Geschichte hinausläuft. Es kommt, wie es kommen muss. Die Rückschläge sind einigermassen milde. Die Underdogs gewinnen. Die Amerikaner nennen so etwas inspirational.
Trotzdem weicht der Film an entscheidender Stelle nicht aus. Man könnte sagen: er ist prinzipienfest. Das war für mich die eigentliche Überraschung.
Der Lehrer, Melvin B. Tolson, eine historische Figur, ist Kommunist. Washington zeigt ihn als einen zupackenden Aktivisten bei Nacht, der mit seinen Überzeugungen bei Tage nicht hausieren geht. Im Zweifel ist ihm die Meinungsfreiheit - und das lebensrettende Recht auf Diskretion - wichtiger als die Sympathie seiner Studenten. Washington scheint hier mit seiner Hauptfigur zu gehen: er ist ein Verfassungspatriot, der das Prinzip heroisiert.
Auch in der Schilderung rassistischer Diskriminierung gibt die Regie keinen Rabatt. Das ist noch keine Heldentat, aber eben nicht feige wie so viele andere Mainstream-Filme, die vorgeben, sich der schwarzen Geschichte zu widmen (etwa Brian Helgelands jüngster Sportfilm „42”).
Ich habe mir den Film angesehen, weil mich interessiert, wie man im Kino „Geschichte” erzählen kann. (Und natürlich wegen Washington, der mich begeistert.) Mein nächster Film wird auch ein period picture sein, aber einen entgegengesetzten Weg einschlagen. Keine historisch verbürgten Ereignisse – und Zweifel als Stilprinzip.
14 Mai, 2014
Gottes einsamste Männer
Meine Filme, so sagte mir kürzlich jemand, erzählten immer von Einsamen. Ich wollte widersprechen, aber ich konnte nicht. Das Kino scheint überhaupt eine Vorliebe für die Unverbundenen zu haben, fällt mir jetzt zu meiner Verteidigung ein. Oder jedenfalls finden sich unter den Filmen, die mir viel bedeuten, viele Einzelgänger. Aber warum ist das so? Man sollte meinen, man ginge ins Kino, um vom Gegenteil überzeugt zu werden: dass man nicht alleine ist. Geht es um eine Spiegelung des Zuschauers im Kinosaal, allein in der Menge? Allein mit seinen Gefühlen? Man bezieht einen Film ja ganz auf sich, träumt sich gerne in eine Welt, in der die Einsamkeit frei gewählt ist oder doch zumindest dunkel-heroisch glänzt. Ich vermute, die Einsamen im Kino werden begünstigt von der Eifersucht des Zuschauers. Je genauer wir wissen, woher jemand kommt, desto genauer wissen wir auch, dass wir nicht mit ihm identisch sind. Beziehungen werden schnell spezifisch und stören die Identifikation, während die Einsamkeit allgemein bleibt und der Einsame vom Zuschauer besser vereinnahmt werden kann. Oder?
Eine kleine Galerie einsamer Männer. Die Reihe liesse sich beliebig fortsetzen. Das Thema scheint eng verbunden auch mit einer Tradition männlicher Selbstbeschreibung. Wirkt fast ein bisschen wehleidig in der Reihung, nein? (Und ja, es sind alles Filme von Männern.)
Siehe auch: Männer filmen Frauen und Billige Gesellschaft.
Eine kleine Galerie einsamer Männer. Die Reihe liesse sich beliebig fortsetzen. Das Thema scheint eng verbunden auch mit einer Tradition männlicher Selbstbeschreibung. Wirkt fast ein bisschen wehleidig in der Reihung, nein? (Und ja, es sind alles Filme von Männern.)
Siehe auch: Männer filmen Frauen und Billige Gesellschaft.
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Die logische Wunde
„Erzählen heißt, unserem Empfinden logische Wunden beizubringen, entlang der scharfen Linie, die wir Sinn nennen.”
13 Mai, 2014
In der Lücke
Der von mir sehr verehrte Grafiker Hans Hillmann (1925-2014) ist letzte Woche gestorben. Seit gestern kann man auf dem Revolver-Blog mein Interview von 2007 mit ihm nachlesen, in dem er einige seiner wichtigsten Plakate kommentiert. Der nachfolgende Text, der sich Hillmanns großer grafischer Hammett-Bearbeitung FLIEGENPAPIER widmet, entstand im Sommer 2012 für die Zeitschrift NEUE RUNDSCHAU.
ÜBER HANS HILLMANNS 'FLIEGENPAPIER'
ÜBER HANS HILLMANNS 'FLIEGENPAPIER'
Man
könnte sagen: alle Probleme der
Kunst sind Probleme des Übergangs. Von einem Zustand in den
Anderen. Die Frage ist zum Beispiel, wie eine Erfahrung Text (oder Bild) werden
kann. Wie aus Text Bild (oder aus Bild Text) werden soll. Mit Verlust ist zu
rechnen. Die Kunst realisiert sich in der Lücke.
Hans
Hillmann ist ein Meister der Filmgrafik. Seine Plakate sind nicht illustrativ,
sie übersetzen. Ihnen voraus geht die
Auseinandersetzung mit dem Film. Eine Kino-Sichtung war obligatorisch. Viele
seiner Interpretationen sind zeichnerisch, d.h. die Lücke
zwischen Film und seiner Beschreibung ist erheblich. Das ist ihr Witz. Das
Plakat ist wie der Film eine Ergänzungskunst.
Im Auge des Betrachters entsteht ein lebendiger Zusammenhang, der sich mit
Kenntnis des Filmes weiter intensiviert.
Nach
über 120 Plakaten, darunter für
Filme von Buñuel, Kurosawa, Hawks, Welles,
Lubitsch, Godard – entstand der Wunsch, einen
Film auf Papier* zu machen. Eine Vorlage war bald
gefunden: „Flypaper”
von Dashiell Hammett, eine Kurzgeschichte, hard boiled. Erklärtes
Ziel war es, den Text zu verzehren,
bis auf einige Dialoge sollte alles Zeichnung werden. Hammett deshalb, weil er,
mit seinem realen detektivischen Hintergrund, von
der Beobachtung her kommt. Zwei Reisen in die USA,
eine während eines dafür
genommenen Forschungssemesters 1976, nutzt Hillmann zur Recherche; mit
Bleistift und Kamera notiert er visuelle Details in New York und vor allem San
Francisco; Feuertreppen, Hotelfensterblicke, Straßenecken,
Möbel, Treppenhäuser.
In Hillmanns Frankfurter Atelier steht ein Schrank mit zahllosen Schubladen, wo
die gezeichneten Notizen für das Projekt bis heute verwahrt
werden. Die Arbeit an dem Buch zieht sich über
sieben Jahre hin. 1975 begonnen (mit
der schwersten Episode, einer langen Dialogszene aus der Mitte des Buches, ein
Test), 1982 veröffentlicht
bei Zweitausendeins, dank Franz Greno. 264 Seiten in (bräunlichem)
schwarz-weiß, nach einer Bleistiftvorzeichnung
mit Aquarell gemalt, schwarz mit beigemischtem rot.
Trotz
realistischer Details ist das Buch geprägt
von einem Hang zum Fantastischen; verblüffende
Perspektiven und eine geniale Regie des Schattens folgen der Logik des Traumes.
„Fliegenpapier”
würde man heute eine Graphic Novel nennen. Damals war das Buch ein
Kuriosum. Keine Illustration, kein Comic. Nach einer Neuauflage bei dtv 2005
ist Fliegenpapier zur Zeit leider wieder vergriffen. Ein Skandal! [Update: Inzwischen ist das Buch neu im Avant Verlag erschienen]
Über meinem Schreibtisch hängen
Kopien aus dem Buch. Für UNTER DIR DIE STADT waren die
Zeichnungen eine wichtige Referenz. Aber davon abgesehen, dass mich das Buch
begeistert, interessiert mich daran noch ein anderer Aspekt: Das Verhältnis
zum Text.
Wer
heute einen Film machen möchte, braucht in aller Regel ein
Drehbuch. Dort steht dann zum Beispiel, fast wie bei Hammett: „Ich
tat, als wäre ich seiner Meinung, ging zur
Bank, tauschte den Scheck gegen ein Bündel
verschieden großer Geldscheine ein und fuhr mit
der Elektrischen bis 601 Eddis Street, einem großen
Wohnhaus an der Ecke Larkin.”
Hillmann
erhält diesen Satz, aber die
Doppelseite, die den Weg des Detektivs zeigt (S. 52/53, Abb. 1), konkurriert nicht mit
der Beschreibung. Es sind atmosphärische
Straßenbilder, die sich von links nach
rechts ergänzen. Mit „filmischen”
Anschnitten, aber einem malerischen Sinn. Schatten verfließen
mit Gegenständen, räumliche
Tiefe kommt und geht je nach Nähe zum Blatt. Die Seite hat einen
berauschenden, vertikalen Rhythmus. Die Lücke
zwischen den Seiten, das weiße Nichts, spielt in diesem
Rhythmus mit. „Erzählt”
wird nichts, was der Text nicht schon enthielte. Aber redundant ist das Bild
auch nicht. Es steht für sich, neben oder eben über dem Text.
Abb. 1
Am
besten ist Hillmanns Buch immer dann, wenn das, was erzählt
werden soll, eigentlich nicht der Rede wert ist. Oder wenn der Text zu abstrakt
ist, um ein einigermaßen konkretes Verhältnis
mit dem Bild einzugehen. Oder wenn das Bild die Konkretion verweigert. Nur
gelegentlich treffen sich Bild und Text, um sich die Hand zu geben.
Einmal
liest man: „Babe und Sue gingen gemeinsam
davon.” Wir sehen ein leeres Zimmer. Ist
das der letzte Blick zurück? Die offene Tür
jedenfalls teilt als Lichteffekt den Raum. Sein Schatten muss es sein, der da
aufs Bett fällt. Man ahnt einen Koffer. Das
Bild ist von Hopperscher Einsamkeit, die Steigerung davon: Ein Schatten verlässt
den Raum.
Wenn
es bei Hammett (und Hillmann) heißt:
„Von den Photos hatten wir
reichlich Abzüge, so daß
sich jeder, der gerade unterbeschäftigt
war, in San Francisco und Oakland auf die Suche nach dem verschwundenen Pärchen
machen konnte. Sie blieben unauffindbar. In anderen Städten
waren unsere Kollegen ebenso erfolglos.”
– zeigt uns Hillmann keine Fotos
(S. 48/49, Abb. 2), keine Aktivität der Detektive, auch vom
verschwundenen Pärchen sehen wir nichts.
Stattdessen links eine Landschaft am Meer, vage erkennen wir die Brandung, eine
Palme, die Dämmerung verschlingt die Zeichnung
mit ihrem Grau, der Schattenriss eines Autos, überwucherte
Dünen vielleicht, das Weiß
einer schmalen Küstenstraße.
Auf der rechten Seite eine Jalousie, bildfüllend,
hart an der Grenze zur Abstraktion. Zwischen den Streifen aber blitzt eine Straße.
Eine Stadt, irgendwo. Landschaft, die den Text auflädt
und in Frage stellt.
Abb. 2
Die
vielleicht verblüffenste Strecke befindet sich in
der Mitte des Buches (S. 148-169): ganz ohne Text, ja ohne echte Entsprechung
bei Hammett, eine Folge von Straßenansichten,
eine Verfolgung, schwarzer Anzug, weißer
Anzug. Am Ende steht das Verschwinden des (weiß
gekleideten) Detektivs im Nebel, oder besser: im Blatt. Eine Doppelseite aus
dieser „stummen”
Strecke möchte ich hervorheben (S.164/165, Abb. 3),
nicht nur, weil es die erwähnte Zeichnung über
meinem Schreibtisch ist, sondern weil sie beispielhaft ist für
das, was ich oben „Hang zum Fantastischen”
genannt habe. Es ist nämlich keineswegs so, dass wir „Übersinnliches”
zu sehen bekommen. Eher sehen wir ein ununterscheidbares Ineinander von „Realität” und Bild im Bild, von abstrakter
Fläche und konkretem Detail. Ein
Verkehr der Wirklichkeiten. Vexierbilder. Links ein Mann halb verborgen hinter
hölzernen Telefonmasten, eine städtische
Straße, Taxi im Anschnitt, ein Plakat für
einen Zirkus. Der Mann, verschmolzen mit dem schmutzigen Schwarz der Masten,
sieht zur Seite, zeigt sein behütetes Profil. Er sieht nicht „wirklicher”
aus als die Affen auf dem Zirkusplakat, die ihn zu beobachten scheinen. Am
rechten Rand – er ist so verschattet, dass wir
nicht sicher sein können, was wir sehen –
lauert Gefahr. Kauert da ein Mann auf der Treppe? Wir können
den Verfolger nicht ausmachen, bis wir „plötzlich”,
hinter einem Schaufenster, versteckt im Vorhang, eine Pistole in der Hand eines
Mannes in Nadelstreifen entdecken. Der Laden, das beweist der Blick weiter nach
rechts, bietet allerlei Mysteriöses feil, Raritäten,
ein ausgestopftes Baby-Nashorn, lodernde Bilder, Schuhe, die in Krokodilmäulern
münden. Vielleicht ist die Pistole
nur eine weitere Kuriosität. Die nächste
Seite dann (S. 166) zeigt den Detektiv in der Spiegelung vor dem Laden: er
sieht nur sich. Er geht weiter, wir sehen ihn von hinten, er hat sich abschütteln
lassen...
Abb. 3
Abb. 3
Entscheidend
an dem Buch, als einer Sphäre der Wahrnehmung, sind Überdehnungen
und Verdichtungen. Mal entspringt einem Halbsatz bei Hammett eine seitenlange
Raummeditation, mal brennt Hillmann eine halbe Seite Story in ein Bild. Das
gilt auch für die Raumdimensionen, die im Verhältnis
zu den Figuren stets im Wandel sind. Und die extremen Perspektiven jenseits von
Schuss und Gegenschuss ergänzen dieses Programm. Diese ganz
subjektive, traumlogische Rhythmisierung der Geschichte und das oft
kontrapunktische Verhältnis zum Text macht diesen „Film
auf Papier” so ... –
„filmisch”.
„Filmisch”
als eine Kategorie des visuellen Eigensinns, der sich nicht gemein macht mit
jenem journalistischen (Überwachungs-) Realismus, wie er
Film (und Comic) allzu oft bestimmt.
Wer
heute einen Film machen möchte, braucht in aller Regel ein
Drehbuch. Aber nur wenn die visuelle Erzählung
statt sich aufs Echo festzulegen in Dialog mit dem Text tritt, den Text
angreift und – gelegentlich –
„verzehrt”,
kann ein Film entstehen, der nichts anderes ist –
als Film. Das ist die überraschende Lektion von Hillmanns
Buch.
Christoph
Hochhäusler
*)
Kursiv gesetzte Zitate stammen aus Gesprächen mit dem Künstler.
05 Mai, 2014
700
Dieser Tage erscheint die 700. Ausgabe der Cahiers du Cinéma. Filmemacher aus aller Welt waren eingeladen, zum Jubiläum über Gefühle im Kino zu schreiben, oder über eine Szene, die (mit Kafka) „die Axt für das gefrorene Meer in uns” war, wie Chefredakteur Stéphane Delorme es formuliert hat.
Wenn ich es recht überlege, habe ich das Thema verfehlt. Zu spät ...
Wenn ich es recht überlege, habe ich das Thema verfehlt. Zu spät ...
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