19 Januar, 2020

Störgeräusche

Eine Freundin hatte mich überredet, die Reportage für das Privatfernsehen zuzulassen. Ihr würde der Auftrag helfen, über Wasser zu bleiben, und mir konnte die Publicity sicher nicht schaden ... „Junger Regisseur auf dem Weg nach Oben“ hieß das kaum verhüllte Programm. Die Einstellungen wären ohne weiteres mit stock footage zu ersetzen gewesen, so überdeterminiert waren sie: die Fahrt in großer Limousine, der rote Teppich, das Blitzlichtgewitter usw.

Nur mein Film passte nicht ins Bild. Er war für viele Zuschauer eine Zumutung, Buhrufe und Pfiffe dominierten die Premiere im Delphi Kino. Bei meinem Erscheinen auf der Bühne erhob sich eine Frau im Saal und rief: „Warum tun Sie uns das an?“. Ich denke heute noch manchmal darüber nach, was ich ihr hätte entgegnen sollen.

Eine erste Ahnung hatte ich gehabt, dass sich nicht alle Türen öffnen würden für den Film. Die Beurteilung für den (Abschluss-) Film an der Münchener Filmhochschule monierte „Arroganz gegenüber dem Publikum“. Auch einige Partner des Films waren unterwegs vom Glauben abgefallen, und niemand war mehr überrascht über die Einladung ins Forum der Berlinale als meine zu diesem Zeitpunkt ziemlich demoralisierten Produzenten. Aber natürlich traf mich die geballte Ablehnung am Premierenabend, der alles, nur nicht rauschend war im Sinne der bestellten Reportage. 

Die Freundin löste das Problem mit filmischen Mitteln: sie ersetzte die „Störgeräusche“ kurzerhand mit Applaus aus der Konserve und log den Abend zum Triumph um, ganz bestimmt im Gefühl, mir damit einen Gefallen zu tun, aber vor allem im Sinne des vorgefassten Plans. Ich fühlte mich betrogen. So schwer es war, den Gegenwind auszuhalten: ich hatte das Forum als einen Ort kennengelernt, an dem Erfolg nicht identisch mit Zustimmung und ein geglückter Diskurs unter Umständen wertvoller war als ein „definitives“ Meisterwerk.

Filmemachen ist ein Ringen um Form – und Filmeschauen die manchmal nicht minder konfliktreiche Aneignung. Das Forum war für mich immer ein guter Ort für diese Auseinandersetzung. Und wenn ich dem Forum zum Geburtstag etwas wünschen darf, dann, dass das so bleibt.


Geschrieben als Gruß zum 50. Geburtstag des Internationalen Forums des Jungen Films. Auf dem Instagram-Kanal gibt es den Text auch in englischer Übersetzung.

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