30 Juli, 2018

Verwechslungen

Zum runden Geburtstag soll der Meister mit einer kleinen Auswahl geehrt werden, 6 von 40 Filmen, überraschend viel Zweitklassiges, "aus jeder Schaffensphase ein Film", die Behauptung der Kontinuität auf Kosten seiner Glanzzeit. Die These schmeichelt ihm, er hält sich daran fest. Als Eröffnungsfilm hat man beileibe nicht seine beste Arbeit ausgesucht, der Film hat künstlerische und vor allem politische Untiefen, die er beim Publikumsgespräch nicht adressieren will. Die Hauptdarstellerin ist anwesend, ein Wiedersehen nach 30 Jahren, und spricht von ihrer Liebe zum großen Regisseur, was sie ihm verdankt, was sie von ihm gelernt hat. Dann erzählt sie eine vielsagende Anekdote, die der Besetzungsentscheidung eine komische Note gibt. Sie hätte sich damals Hals über Kopf in den Hauptdarsteller verliebt und in ihrer Not den Regisseur angerufen, der für sie ohne Zögern sein heiliges Wochenende geopfert habe. Die ebenfalls anwesende Ehefrau zeigt jetzt ihr bestes Pokerface. Der Meister hätte ihr dann geraten, den schon verfassten Liebesbrief nicht abzuschicken und ihre Gefühle bis zwei Wochen nach dem Dreh für sich zu behalten, weil viele Darsteller bei Dreharbeiten Verwechslungen erlägen usw. Der Reichtum der Erfahrung! Ein guter Rat eigentlich (der mir auch schon einmal eine Hilfe war), aber wenn man den Film kennt, meint man zu wissen, dass er eigennützig war - so verliebt ist der Blick auf die junge Frau, die ohne dramaturgische Notwendigkeit immer wieder nackt zu sehen ist und vielleicht überhaupt fehlbesetzt ist, weil sie für das behauptete Mauerblümchen zu viel Glanz hat. Zwei Wochen nach dem Dreh wären die Gefühle wirklich verschwunden gewesen, erzählt sie dann. Bis heute sei sie für den Rat dankbar. Wieder sehe ich zur Ehefrau, die womöglich auch von Verwechslungen erzählen könnte, vor denen sie ihren Mann nicht zu schützen wusste.

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