16 Juli, 2018

(Wieder-) Gesehen [9]



UGETSU MONOTAGARI (Kenzo Mizoguchi, Japan 1953)


Ein feministischer Film? In jedem Falle einer, der dem Drängen der Männer nicht nachgibt, ihren unsteten Neigungen, ihrer Gier nach Abwechslung und Gelegenheit – und stattdessen die Frauen: Betrogene, Vergewaltigte, Geister – in den Blick nimmt, ohne sie auf eine Opferrolle zu reduzieren. Ja, ein kanonisches Meisterwerk, aber ein Wiedersehen lohnt sich unbedingt, weil Mizouguchis Film mit dem Abstand der Jahre nicht weicher geworden ist.




EISENHANS (Tankred Dorst, Deutschland 1983)


Unter seinen eigenen Arbeiten ist ihm der Film der Liebste, meinte Kameramann Jürgen Jürges letztens zu mir. Und man kann sich vorstellen weshalb. Das reiche Schwarz-Weiss, die Sinnlichkeit, die verzauberte deutsche Provinz, in der alles auf Sand gebaut ist, entfaltet einen ambivalenten Sog, wie er im deutschen Kino einzig ist.





FLASHBACK (Raffaele Andreassi, Italien 1969)


Einen Wehrmachtsoldaten als (einigermassen) unschuldiges, ja erotisches Objekt einer größeren (und eben immer auch sexuellen) Geschichte zu erzählen – dafür braucht es ein italienisches Prisma. „
Da ist so viel körperlich direkter Raum, und die Stimmen kommen von weit her, wie wenn man im Sommer die Augen schließt und seine Freunde rufen hört, aber man ist stumm, betäubt, in Trance. Die Geräusche der windbewegten Bäume und des Wassers in der Wärme. Die eigene Stimme, der man nachlauscht. Man kennt das auch aus anderen Filmen, aber hier ist es anders. Ich weiß nicht, wie das kommt.” schreibt Silvia Szymanski (die mir den Film nahe gebracht hat) treffend.





MAD MAX: FURY ROAD (George Miller, USA 2015)


Physischer Wahnwitz – das ist der eigentliche Trumpf des Films. Wenn man ihn sieht, versteht man, warum der digitale Ersatz den Hunger nach dem richtigen Zucker noch steigert. Das Schaukeln der Stangen über dem Sand, das sinnlose Muskelspiel der Fahrzeuge in der Wüste werden bleiben, lange nachdem ich die Windungen des Plot vergessen haben werde.





BLUE RUIN (Jeremy Saulnier, USA 2013)


Was passiert, wenn man Action „realistisch” erzählt? Man beginnt sich zu fragen, welche Funktion der Glamour der Gewalt hat. Warum muss ein Schlag im Kino immer gelingen, ein Schuss treffen ...? Das Unsaubere verändert die Gewalt fundamental, auch wenn man daran glauben will, dass der Rächer Recht hat.





DAY OF THE OUTLAW (André de Toth, USA 1959)


Wie hier die Gewalt als Ausdruck und Brandbeschleuniger des Gefühls auftritt, muss man gesehen haben. Unglaublich, die Tanzszene, in der die niederen Instinkte der Gesetzlosen gerade so noch in Schach gehalten werden von ihrem verwundeten Anführer, dessen wahnhaftes letztes Projekt es ist, die Würde der (falschen) Uniform zu wahren. 





TÜZOLTÓ UTCA 25. (István Szabó, Ungarn 1973)


Die Zeiten gehen durcheinander, durch den Raum, die Figuren wissen Bescheid, wollen nicht heiraten, weil sie schon wissen, dass der andere bald sterben wird, Gegenwart ist Vergangenheit, Vergangenheit ist Zukunft. Ungarische Geschichte in der Fassung eines alten Hauses, das die Zeiten nicht mehr auseinanderhalten kann. Endlich eine Dramaturgie, die sich von Ursache und Wirkung nicht fesseln lässt.

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