01 August, 2018

Krabben

Im Meer zwickt mich eine Krabbe in den Zeh und ich mache den Fehler zu schreien. Die Kinder, gerade dabei mir ins Wasser zu folgen, sehen mich entgeistert an. Wortreich versuche ich den Vorfall zu relativieren: Vielleicht war es ein spitzer Stein. 

Misstrauisch erkundet dann zumindest die Ältere das seichte Nass - um wenig später schreiend zur Mutter ins Ferienhaus zu laufen, den jüngeren Bruder im Schlepptau, auch er in Tränen. Wir sind 'angegriffen' worden! Nie wieder werden sie auch nur einen Schritt in dieses Wasser machen, erklären sie uns - am ersten Tag des Strandurlaubs.

Später beobachten wir andere Urlauber mit Kindern beim Krabbenfang - vom sicheren Steg aus. Das Jagdfieber überträgt sich. Bald beteiligen sich auch unsere Kinder: ehrgeizig, erfinderisch, und voller Abscheu - als wollten sie die Tiere für die Angst bestrafen, die sie in ihnen ausgelöst haben.  

Ich helfe bei der Jagd, liefere Muscheln, um die Krabben zu ködern. Später durchstreife ich das Wasser mit dem Kescher und halte Ausschau nach besonders großen Exemplaren. Die Kinder sind zufrieden mit meiner Fangquote.

Dieser Zustand: konzentriert, suchend, bereit zur Tat, im Wasser  - gefällt mir. Die Jagd ist (wie das Kino) ein Mittel, intensiver zu Sehen und zu Sein. Wer zahlt den Preis?

Es schmälert mein Vergnügen, dass wir die Tiere umsonst jagen, ohne sie zu brauchen. Um wieviel größer wäre die Jagd, denke ich, wenn sie notwendig wäre, um zu überleben. Aber vielleicht ist das falsche Romantik. 

Zen-Übung für Filmemacher: Bilder stundenlang suchen, einrichten und aufzeichnen, um sie dann wieder zu löschen. 'Catch and release'. 

Mein Sohn spricht davon, das ganze Meer leer fischen zu wollen, um den Badespaß zu retten. Trotzdem lässt er sich dazu überreden, die Tiere wieder freizulassen. Für eine Krabbe kommt die Freiheit zu spät.

Heute ist der fünfte Tag, und die Kinder haben Wort gehalten. Trotz der Hitze sind sie nie Schwimmen gegangen. Die seltene Gelegenheit, sie für ihre Konsequenz zu loben, lasse ich verstreichen.

3 Kommentare:

  1. Lieber Christoph, da du mitunter Filmlisten aufstellst und bisweilen deine Kinder erwähnst, richte ich eine Frage an dich, die fast schon ein Hilferuf ist:
    Was für Filme bekommen deine Kinder zu sehen und auf welchem Medium?
    Welche Filme mögen sie? Schauen sie auch Sachen, die du nicht magst?
    Schöne Ferien noch
    Max Limper

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Lieber Max, habe deinen Kommentar leider jetzt erst gesehen. Meine Kinder (7 & 12) sehen viele Filme, im Kino, auf kleinen und großen Bildschirmen usw. Und sie sehen sich quer durch die Filmgeschichte vieles an. Lotte Reiniger, Disney & Pixar natürlich, von Studio Ghibli fast alles, aber auch Anthony Mann (die Western vor allem), Lubitsch (TO BE OR NOT TO BE, NINOTCHKA), Hitchcock (NORTH BY NORTHWEST, REAR WINDOW), Ford (GRAPES OF WRATH), Lang (M - EINE STADT SUCHT EINEN MÖRDER fanden sie super), Hawks (RIO BRAVO), natürlich auch Piratenfilme (CAPTAIN HORNBLOWER)... und Musicals (AN AMERICAN IN PARIS, THE RED SHOES). Sie dürfen mehr oder weniger alles sehen, was sie wollen. Sie wollen viele Filme aber gar nicht sehen... Zum Beispiel sind sie (aus mir unbekannten Gründen) total allergisch gegen Dokumentarfilme. Ich glaube wichtig ist, dass man die Filme mit ihnen zusammen schaut, sie auch bespricht, ernst nimmt, wenn sie Angst haben (manche Filme mussten wir abbrechen, WEST SIDE STORY zum Beispiel). Ehrlich gesagt glaube ich nicht an „Kinderfilme”, was nicht heisst, dass Kinder alle Filme interessant finden oder alles sehen sollten. Wir zeigen ihnen nach Möglichkeit keine besonders gewalttätigen oder sexualisierten Filme, keinen Horror. Wobei Disney da ja manchmal schon sehr weit geht (BERNHARD UND BIANCA, TOY STORY 3, FINDING NEMO?!). Aber es ist zum Beispiel verblüffend, wie gut mein 7-jähriger TO BE OR NOT TO BE versteht. Herzliche Grüße, C

      Löschen
  2. Das ist ja ein Schatz! Ich bin es leid, meine 11- und 12-Jährigen mit "Kinderfilmen" abzuspeisen, und würde lieber zusammen mit ihnen was entdecken. Neulich gelang es mit ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT. Danke für die Tipps und alles Gute, ML

    AntwortenLöschen