30 September, 2006
Kino der Fülle
Was mich an Viscontis Filmen fasziniert, ist das Gefühl der Vollständigkeit. Das Off ist so anwesend wie das On, nie hat man das Gefühl, der Ausschnitt müsse verschleiern, dass das Filmbild eine prekäres, mühsam hergestelltes sei --- man glaubt jederzeit in alle Richtungen gehen zu können, hinter dem Film scheint eine EIGENE Wirklichkeit auf, selbstbewusst und zweifellos. Das gilt auch für die Menschen in seinen Filmen, die eine Fülle und Sinnlichkeit haben, wie es sie im Kino kein zweites Mal gibt. Ihr Realismus ist einer der antiken Sagenwelt --- immer ist das Menschliche auch als eine Potenz der Grösse, des grossen Scheiterns sichtbar, während zum Beispiel der „Realismus” britischer Prägung immer auf das Erbärmliche menschlicher Schwäche abzielt. Nicht, dass Visconti seine Figuren verharmloste, im Gegenteil, aber ihr Spektrum ist breiter, nicht von soziologischen Spekulationen begrenzt, sondern im Archaischen wurzelnd bis ins pedantische Detail des richtigen Manschettenknopfes entwickelt.
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