Auf „
halbnah”, einem neuen Blog, gibt es einen interessanten
Text über das fehlende Rückrat des deutschen Films und seiner Akteure. Aufhänger ist Thomas Braschs widerständige Münchner Dankesrede von 1981, die ich
hier dokumentiert habe. Blog und Text sind bisher anonym, was ich angesichts des Themas unzulässig finde. Trotzdem hier der Versuch einer Antwort.
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Ich habe gestaunt, als ich Thomas Braschs Rede zum ersten Mal sah, war ganz aufgekratzt und auch neidisch auf die damalige Beschaffenheit von Öffentlichkeit, die solche Polaritäten ausgehalten und herausgefordert hat.
Die Gründe für das, was du an unserer Generation „unpolitisch” nennst, haben, glaube ich, sehr viel mit dem Vorgängermodell des Politischen zu tun: klare Polaritäten, eine theoretische Basis der Linken (Marxismus und seine Schwundformen), die zwar nicht gerade Einigkeit, aber zumindest ein gemeinsames Vokabular produziert hat, eine Vorstellung von Zukunft, einen gemeinsamen Glauben.
Diese Sprache, die Beschreibungen und Modelle einer verwehten Gegenwart, auch die utopistischen Entwürfe haben an Glaubwürdigkeit verloren nicht zuletzt wegen der tödlichen Lügen des gelebten Sozialismus, die zu lange verteidigt wurden. Der Links-Terrorismus, der sich eine Weile eindrucksvoll als politische Avantgarde inszenieren konnte, hat die Ideen weiter beschädigt. Und dann kam mit dem Ende des Ostblocks das so unangebrachte wie haltlose Siegesgeheul der Marktliberalen (das Echo ist unsere Krise heute)...
Ich breche hier Zeitgeschichte übers Knie, um einen Punkt zu machen: Die Folge der „Glaubwürdigkeitskrise” politischer Begriffe war eine stärkere Fragmentierung der Gesellschaft, in der „alles”, jedes Weltmodell, erlaubt, aber die Gemeinsamkeit, die gemeinsame Sprache auch, verschwunden ist. Um so wichtiger erscheint der kleinste gemeinsame Nenner: das „Funktionieren”, das „Publikum”, die „Quote” ... diffuse (Ersatz-) Ideologeme, die kein theoretisch-sprachliches Bewusstsein mehr haben (sollen). Im Gegenteil tut man so, als lebten wir in einer „ideologie-freien Zeit”. Ein vielsagender Irrtum.
Dein Negativ-Beispiel DEUTSCHLAND 09, an dem ich beteiligt war, hat mir vor allem eines gezeigt: trotz ehrlicher Sympathien gibt es zwischen den beteiligten Filmemachern nicht im Ansatz ein gemeinsames Vokabular, ein gemeinsames Bewusstsein für die Gegenwart, für die Probleme unserer Zeit. Kein WIR. Das Ergebnis (das ich bestimmt nicht „politisch” nennen würde) war nicht Ausdruck eines Kollektivs, eher ein Kaleidoskop mehr oder weniger friedlicher ästhetischer Ko-Existenz. Ich finde einige der Filme sehenswert, viel zu tun miteinander haben sie nicht.
Das alles kann man bedauern, aber nicht ohne Weiteres ändern, fürchte ich. Stell dich auf die Straße, beweise deinen Widerstand. Besetze den Vorplatz der Europäischen Zentralbank (oder der Deutschen Filmakademie). Der „Feind” wird das vielleicht unsympathisch finden, aber er wird sich nicht gemeint fühlen. Schlimmer noch: er wird nichts unternehmen. Was ich damit sagen will: zum Kampf gehören zwei. Wenn man also Brasch vermisst, vermisst man womöglich auch FJS.
Natürlich fehlt dem deutschen Film Auseinandersetzung. Es wird viel gelästert, aber direkte Konfrontationen gibt es kaum. Die Fördergiesskanne, die sich immer in zwei Richtungen abzusichern versucht (filmwirtschaftlich UND filmkulturell) begünstigt die Stromlinie, sowohl im persönlichen Verhalten als auch im „Produkt”. Wer arbeiten will, hält den Mund.
Meine Erfahrung mit öffentlicher Kritik aber ist, dass man sich zwar durchaus selbst schaden kann - dafür gibt es eine Reihe von Beispielen - eine Debatte aber löst man deshalb noch lange nicht aus. Akte des „Widerstands” stehen heute schnell im Narzissmus-Verdacht. Stefan Arndt etwa hat unsere Kritik an der Privatisierung des Filmpreises damals so interpretiert. Er war der festen Überzeugung, dass hinter unser Ablehnung des Oscar-Modells der Wunsch nach Profilierung stand. Für die aus seiner Sicht gelungene Steigerung der Bekanntheit unserer Namen hatte er Respekt, das fand er „clever”, die Kritik selbst konnte er dagegen nicht ernst nehmen, denn das hätte für ihn geheissen, an der Reklame der Anderen mitzuwirken.
Bleibt die Hoffnung auf das Widerständige in der Form. Oder ist das automatisch der „Rückzug in die privatisierende Kunstproduktion”? Ich denke, nein. Aber in unserer Wirklichkeit, dessen bin ich mir bewusst, ist dieses „Nein” schwer zu fassen. Brüchig. Bedroht. Über dieses Nein müssen wir streiten. Das wäre ein Anfang.
Gut möglich, dass die Krise Europas, die übrigens ja auch eine kulturelle Krise ist, die Verteilungskämpfe hierzulande bald verschärft. (Re-) politisierung braucht immer jenes Quentchen „höhere Gewalt”, das die bestimmenden Gewohnheiten aufbrechen lässt. An der Sprache für dieses Morgen sollten wir heute feilen. Im Film wie im Leben.
Christoph