31 Oktober, 2009

Permanent Experiment


Dreharbeiten zu UNTER DIR DIE STADT.

Die Strapaze des Drehens wird gerne besungen, und natürlich hat es seinen Reiz, mit einer eingeschworenen Gemeinschaft und schwerem Gerät auszuziehen, um „große Bilder” zu schiessen... Gleichzeitig ist es mir zuwider, die logistischen Fesseln, die Trägheit des Apparats, kurz: die tausend Kompromisse, die mit der klassischen Arbeitsweise einhergehen, im Namen der Romantik einfach zu schlucken. Wie könnten Alternativen aussehen?

Ich fürchte, ich muss kurz auf das ewigjunge Modewort Improvisation zu sprechen kommen, einfach, weil wir alle die Reklame dafür im Ohr haben. Fraglos ist, dass jeder künstlerische Prozess spontane, unwillkürliche, unberechenbare Anteile hat und haben muss. Ich glaube nicht an „Zuverlässigkeit” im Kino. Die Filmgeschichte hat gezeigt, dass mit improvisatorischen Techniken - in den Filmen von Jean Renoir, John Cassavetes oder Mike Leigh etwa - aufregende szenische Erfindungen gemacht werden können, vorausgesetzt, man verwechselt Spontanität nicht mit Planlosigkeit oder mangelnder Vorbereitung.


Prototyp „freien” Schauspiels: Gena Rowlands in A WOMAN UNDER THE INFLUENCE von John Cassavetes (USA, 1974)

Die Betonung auf die schauspielerische Befreiung - die man immer auch als Ausdruck sich wandelnder Realismuskonventionen verstehen muss - hat aus meiner Sicht aber auch Nachteile. Zum Beispiel zwingt sie die Kamera automatisch in einen „dokumentarischen” Gestus, gibt damit also eine große Bandbreite an filmischen Erzählmitteln auf. Fast könnte man sagen, das „unberechenbare” Schauspiel erzwinge eine berechenbare, unterkomplexe Kamerasprache.

Natürlich hat es seit der ersten Blüte eines prozesshaft angereicherten Spiels zahllose Versuche der Hybridisierung gegeben. Martin Scorsese ist vielleicht das beste Beispiel für diese Tendenz. Ein Film wie der auch von mir verehrte GOODFELLAS (USA 1990) ist eben zugleich beobachtend und behauptend, er führt die Erzählung einerseits ungeheuer eng, andererseits lässt er den Schauspielern immer wieder Freiraum zu Improvisation, wovon viele Szenen sichtlich profitieren. So sehr ich diese Umarmungsstrategie im Ergebnis schätze (alles in einem Film: Cassavetes und Hitchcock, Bresson und Ophüls, Rossellini und Minelli), den Drehprozess macht sie nicht organischer, eher im Gegenteil. Darüber hinaus kostet die Vereinnahmung so gegensätzlicher Methoden sichtlich Kraft und steht einer - für mich letztlich immer erstrebenswerten - Einfachheit im Wege.


Höhepunkt eines hybriden Kinos: GOODFELLAS (USA, 1990) von Martin Scorsese.

An anderer Stelle habe ich über Francis Ford Coppolas (alte) Vision eines neuen, elektronischen Studiokinos im Sinne eines „update cinema” geschrieben. Seine Idee, alle Prozesse der Vorbereitung nahtlos in eine technische, zeitbasierte Matrix zu integrieren, in der dann der Film kontinuierlich entsteht, ist bis heute allenfalls bei special-effects-lastigen Filmen gebräuchlich. Auch wenn die Übergänge zwischen Produktion und Postproduktion zweifellos fliessender geworden sind, ist der Schneideraum die Endstation geblieben, in der Bilanz gezogen wird und wo man sich mit dem Nicht-mehr-Änderbaren herumschlägt. Dieser Kampf mit dem „Schicksal” bringt oft erstaunliche Lösungen hervor, Not macht auch im Schneideraum erfinderisch, aber oft verwaltet auch der beste Cutter nur den Mangel.

Das klingt bitterer als ich es meine; trotzdem finde ich, dass die klassische Produktionsweise eine unnötige Barriere darstellt, das Medium weiterzuentwickeln. Heute ist es so, dass ich in jahrelanger Arbeit ein weitgehend theoretisches Buch schreibe, soll heissen: ich kenne weder die Besetzung noch die Schauplätze, weiss nicht, wie viel Geld ich haben werde, welche technischen Bedingungen. Man versucht, ein gut lesbares, als Lektüre unterhaltsames Buch zu schreiben, konzentriert sich wie im Drama auf Charaktere, Dialog und Struktur, auch wenn man weiss, dass es im Kino unter Umständen auf ganz andere Dinge ankommt. Dieses hypothetische Papier dient dann als Grundlage der Finanzierung, die ebenfalls Jahre dauern kann.

Geht das Projekt dann in Produktion, verändern sich in kürzester Zeit so viele Parameter, dass sich das kunstvoll tarierte Gleichgewicht des Drehbuchs zwangsläufig relativiert. Unter großem Druck wird gedreht, logistische Fragen schieben sich in den Vordergrund, tausend Unwägbarkeiten verändern die Konzeption immer weiter, ohne dass man die Folgen realistisch abschätzen könnte. Im Schneideraum ist dann „Bescherung”; Abweichungen von der Konzeption durch Nachdrehs auszugleichen findet schon aus Budgetgründen selten in nennenswerten Umfang statt, es sei denn, gravierende technische Gründe zwingen dazu - usw. usw.

Es gibt unendliche viele Möglichkeiten, mit diesen Problemen umzugehen. Der eine setzt auf die totale Vorbereitung, der andere auf autodynamische Prozesse, der dritte sucht in Konventionen Trost. Wie die meisten Regisseure variiere ich bislang die Werkzeuge ständig, ohne mich auf eine Methode festzulegen.

Wonach ich mich aber sehne, durchaus im Sinne von Coppolas Idee, technisch weniger hochgezüchtet vielleicht, wäre ein sukzessives Arbeiten an einem Film. Ich würde gerne Prototypen von Szenen bauen, sie überprüfen, verbessern, verwerfen (mit verschiedenen Schauspielern zum Beispiel, verschiedenen Kameraleuten etc), also so vorgehen, wie in jedem anderen Designprozess auch. Ich hätte gerne die Möglichkeit, an dem einen Problem geduldig und in kleinen Schritten zu arbeiten, das andere aber spontan und roh zu bearbeiten. Die Hoffnung wäre, das Medium so tiefer zu durchdringen und die Chance zu haben, die eigene Konzeption immer wieder zu überprüfen, ohne ständig die Produktionslogistik im Nacken zu haben. Diese Erforschung könnte auch mehr oder weniger experimentelle Züge annehmen, etwa wenn es darum geht, wie sich Identifikation (de-) konstruieren lässt usw. - aber wichtig wäre mir dabei ein Geist, der sich deutlich von der Tuning-Mentalität der Spezialeffekt-Spezialisten unterscheidet. Was mir vorschwebt wäre kurz gesagt eine neue Art des Studio-Kinos, eine Art permanenter Werkstatt, mit deutlich entzerrten Zeithorizonten und flexibleren Hierarchien, im Sinne eines persönlichen, formal herausfordernden Erzählens. Ein neues Bauhaus des Films? Alexander Kluges 'Ulmer Dramaturgien' lassen grüssen.


It's only a test: SÉANCE.

Für meinen Kurzfilm SÉANCE habe ich einen kleinen Vorstoss in diese Produktionsweise unternommen; eine gute Erfahrung. Natürlich, das war ein Film ohne Darsteller, und der einzige Schauplatz war eine Wohnung. Wir waren die meiste Zeit zu dritt, gelegentlich zu viert oder fünft. Bernhard Keller und ich haben gedreht, Beatrice Schultz hat die Einrichtung besorgt, Bilder und Objekte beschafft, Anja Conrad sass nebenan, in der selben Wohnung, und hat die Bilder vorläufig zusammengesetzt, geschnitten. Einen Tag lang habe ich mit Andreas Mücke Töne gesucht. Man konnte jederzeit in den Plan eingreifen, das Gefilmte überprüfen, das Set verändern - und die Mittagspause spontan bestimmen. Es war ein selbständiges Arbeiten, in Teilen experimentell, in anderen genau vorgeplant, voller Entdeckungen. Ein großer Spaß. Könnte man so einen Spielfilm drehen?

UNTER DIR DIE STADT, der Film, den wir gerade schneiden, hätte sicher nicht so entstehen können. Jedenfalls nicht nicht an Originalschauplätzen. Nicht mit diesem Budget. Nicht in dieser Form. Aber natürlich hätte man diesen Stoff anders, dreister, minimalistischer erzählen können.

Ich habe gestern Satyajit Rays THE CHESS PLAYERS (Indien, 1977) gesehen, ein Film, der mich in seiner uneitlen Einfachheit sehr begeistert hat. Die Besetzung des engstirnigen englischen Generals Outram mit Richard Attenborough wirkt wie ein ironischer Wink - dessen Superproduktionen à la GANDHI stellt der Film mit poetischer Leichtigkeit in den Schatten. Ray braucht nicht viel mehr als eine Handvoll Schauspieler in historischen Kostümen, vier, fünf Innenräume, um die komplexe Geschichte des letzten freien Herrschers Indiens zu erzählen. Mühelos integriert er Ausschnitte aus Gemälden, Stichen und sogar Zeichentrick-Sequenzen, um einen Punkt zu machen, übrigens ohne deshalb in einen pädagogischen Ton zu fallen. Rays Vorgehen erscheint mir verführerisch auch und gerade angesichts der sich gerade vollziehenden totalen „Verflüssigung” der visuellen Archive. Warum sollte man für eine Szene den Londoner Kristallpalast nachbauen?


Satyaijt Rays THE CHESS PLAYERS.

1999 habe ich geschrieben:
„Der große Skandal des "Ready Made" war es, den Kontext zu verrücken. Viele Bilderstürme später ist uns der inspirierte Schöpfergott noch immer näher als der Mann, der ein Pissoir zur Kunst erklärte. So auch im Film, der Kunst, die den Gottesdienst beerbt hat. In musealen Zeiten scheint indes die Idee des Cinema Stylo nicht mehr am Platz. Längst stößt die Bilderjagd an ihre Grenzen und Explosionen, Wolken, Zeitgeschichte leiht man in der Bilderbank. Wäre es nicht an der Zeit, die Kompilation zur Autorenform zu machen? Statt in der selbstgejagten Beutekunst Ressourcen zu verschwenden, könnte die Verdichtung "fremden" Materials zur persönlichen Montage die neue Freiheit für das Medium sein. Das Copyright würde Verfallsdatum heißen und mit Hilfe digitaler Animation würde der Film zur emotionalen Baukunst: kuleshov'sche Gefühle in potemkinschen Dörfern.”

In der Phalanx eines grossen Teams sehnt man sich danach, berittener Bogenschütze zu werden. Filmemacher wie Chris Marker, Hans-Jürgen Syberberg, Alexander Kluge oder Jean-Luc Godard haben diesen flinken Gaul längst bestiegen - und sind nie wieder zur grossen Truppe zurückgekehrt...

Ich habe nicht die leiseste Ahnung, welche Konsequenzen ich für meine eigene Arbeit ziehen werde. Ich denke laut sozusagen. Wer mitdenken möchte, ist herzlich eingeladen.


Fortsetzung folgt.

8 Kommentare:

  1. Ich habe mal gehört, dass Lars von Trier Dogville angeblich komplett auf Video mit unbekannten Schauspielern vorgedreht und geschnitten hat, um sich das Ganze in "vor-fertiger" Form anzugucken, bevor er "richtig" gedreht hat.
    Ich glaube, dass das Potential von Video auch noch lange nicht genutzt ist - gerade die von dir erwähnten Kluge und Godard haben ja auch viel mit Video gearbeitet. Das sind dann nicht die "großen Bilder", nach denen sich soviele Regisseure sehnen. Ein Mini-DV-Bild gilt eben eigentlich immer noch grundsätzlich als minderwertig gegenüber dem 35mm-Bild. Warum gibt es noch sowenige Filme wie Kiarostamis "Ten", zum Beispiel?

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  2. Ich glaube nicht, daß technische Kathegorien irgendetwas mit diesen Gedankengängen zu tun haben. Ich würde nur sagen, daß ein grosses Ölbild mehr Farbe und Platz zu malen braucht als ein kleines und schwerer zu transportieren ist. Ausserdem bewegt sich der Maler anders bei der Arbeit, muß anders planen, füllt mit dem Bild andere Räume.

    Welches Bild das bessere ist hat damit nichts zu tun. Wir als Filmemaler schwanken in den Formaten, genau wie die Ölmaler. Im Atelier zieht es uns an die Sonne und alleine im Wind auf dem Berg wünschen wir uns unsere Assistenten und das Atelier herbei.

    An das Verheiraten der beiden glaube ich nur bedingt, weil sie sich in vielen Aspekten ausschliessen. Aber vielleicht und das hast Du ja in diesem Film schon gemacht, kann man die Disziplinen mischen und so das beste aus beiden Herzen in der Brust mitnehmen.

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  3. Ben, ich muss dir widersprechen. Gerade die Geschichte der Malerei beweist doch, wie stark künstlerische Entwicklungen von Technologie bedingt sind. Nehmen wir nur einmal den Übergang von Tempera zu Ölfarbe. Plötzlich war es möglich, über einen langen Zeitraum, wieder und wieder an einem Bild zu arbeiten --- nur durch ein anderes Lösungsmittel! Die Geschichte der abendländischen Malerei sähe ohne die Ölfarbe jedenfalls völlig anders aus. (Und dass auch eine Technik, die die Malerei nicht direkt betrifft, großen Einfluss auf dieselbe haben kann, zeigt die Fotografie.) Könnten das Digitale Bild und meinetwegen Google nicht die „Ölfarben” des Films sein? Natürlich, es gibt keinen „Fortschritt” in der Kunst, sehr wohl aber notwendige Veränderung. Jeder Zeit „will” sich in einer ihr eigenen Form kristallisiert sehen...

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  4. Die technischen Voraussetzungen haben sehr wohl etwas mit den entstehenden Filmen z tun. Man schaue sich nur den Effekt der 16mm-Kameras an. Auf einmal war es möglich relativ kostengünstig und leicht zu drehen.

    Mit modernen Video-Kameras kommt langsam wieder so ein technischer Sprung. Bei meiner szenischen Übung Rostliebe ( http://imazine.de/filme.html ) haben wir noch stark mit der Auflösung arbeiten müssen, um die Video-Qualitäten einer Canon XH-A1 nicht allzu sehr auffallen zu lassen, denn ein steriles Videobild hätte die ganze Atmosphäre beschädigt. Doch die Szenen wurde nur durch eine Tischleuchte und eine Leuchtstoffröhre beleuchtet. Unser Team bestand neben den beiden Darstellern aus Regie, Kameramann und der Tonfrau. Ich habe wohl noch nie so entspannt und frei arbeiten können.

    Nun hat ein Freund von mir gerade einen Kurzfilm mit der Canon 5D Mark II gedreht. Dort gibt es eine Szene nachts am Strand, die sie auf Grund der Kamera komplett mit available light drehen konnten.

    Leider habe ich gerade keine Beispielvideos dieser Kamera, aber ich glaube ja auch, dass das kleinere Modell der 7D auf Grund ihrer größeren Schärfentiefe für filmisches Arbeiten besser geeignet ist, deshalb sind hier zwei Beispielvideos der 7D:

    http://www.vimeo.com/6759220?hd=1

    http://vimeo.com/6475938

    Was all das mit dem Drehen zu tun hat? Ein Großteil seiner Zeit beim Dreh verbringt man damit Licht aus mehreren 1000 Watt nachzubauen, welches realistisch ist. Wenn man eine Kamera hat, die so lichtempfindlich ist, dass man sich mit ein paar Glühbirnen behelfen kann, läßt sich sehr viel leichter und unkomplizierter arbeiten. Man kann raus auf die Strasse gehen und drehen, ohne dass man es dort taghell machen muss.

    Das löst zwar nur eins der Probleme, aber die Unabhängigkeit vom Technikzirkus, hilft Zeit zu sparen und in dieser Zeit kann man anders, spielerischer arbeiten. Außerdem sinkt die Grenze um einen Film zu machen, der keinen dokumentarischen Duktus hat.

    Das löst noch nicht die Anschlussprobleme, solange man eine zeitliche Kontinuität erzählen möchte, wird man nicht so frei wie ein Dichter arbeiten können.

    @Paralellfilm: Eine Fortführung Deiner Gedanken würde mir ziemlich interessieren.

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  5. Ich habe mir bei meinem aktuellen studentischen Kurzfilm die Freiheit herausgenommen, bei neun Drehtagen sechs Tage zu proben und noch länger aufzulösen. Dabei konnte - zumindest Szenenweise - eine, wie die von Christoph Hochhäusler beschriebene, laborartige Situation entstehen, in der ich geschrieben, mit den Schauspielern geprobt, verändert, mit meinem Kameramann aufgelöst, auf MiniDV und mit ihm, meiner Freundin und mir als "Darstellern" im Originalset vorgedreht, geschnitten, wieder verändert, mit meinem Cutter am Vorabend des Drehs die neue Auflösung besprochen, wieder umgeschrieben und letzten Endes doch noch alles gemacht habe. Es sind die besten Szenen des Films geworden. Szenen, in denen ich nur durch permanente Arbeit über einen längeren Zeitraum dem (sicherlich auch meiner Unerfahrenheit geschuldeten) Reflex widerstehen konnte, mich zu stark auf das Geschriebene und die Konvention zu verlassen, die sich einem überforderten Filmstudenten ja immer wieder als Rettungsanker anbieten.
    Eine Szene, an die ich konkret denke, ist 2:00 min. lang. Der erste von zwei Schnitten kommt nach 1:40 min. Das ist sicherlich nicht die Neuerfindung des Rads, dennoch trifft es dass, was ich für den Film wollte auf den Punkt. Die Kamera ist… nun, ist sie schon „dokumentarisch“, nur weil sie von der Schulter kommt, unprätentiös ist und es nur eine Lichtquelle im ganzen Raum gibt? Und trotzdem ist sie klar choreographiert: sie hält den Erzählfokus gnadenlos. Sie schaut hin und gleichzeitig weg. Und ist dabei unaufdringlich einfach. Ich habe in diesen Szenen die Seele des Films herausschälen können. Oder bin dem zumindest nahegekommen. Auch hier sitze ich natürlich im Schneideraum und längst nicht alles ist perfekt, aber trotzdem: diese Szenen waren in der vorliegenden Form nur möglich, weil es eben eine so vielseitige Beschäftigung damit gab - immer, wenn mir für eine andere Szene ebendiese Ruhe gefehlt hat und ich in Schuss-Gegenschuss verfalle, spürt man den Unterschied – sie sind nicht schlechter, aber eben anders. Ok, manchmal auch schlechter. Und dann bin ich froh, trotz aller noch bestehenden Makel in den erwähnten Szenen, die Zeit und das Werkzeug gehabt zu haben, zum Kern vorstoßen zu können. So ein Arbeiten - machen, weggehen, drüber sprechen-nachdenken-schlafen, wiederkommen, neue Ideen zu probieren – wundervoll.

    Ich bin ebenso wie der Verfasser des Artikels ein Suchender, was ein anderes Arbeiten mit der Technikmaschine Film angeht. Ich habe in meinem studentischen - und damit sicherlich freieren Arbeiten – als ersten Schritt für mich entdeckt das Team um Himmelswillen klein zu halten, mit Leuten zu arbeiten, die ich kenne und mit denen schnelle Richtungswechsel – sowohl inhaltlich als auch räumlich – möglich sind sowie auf Technik, die mich stört, zu verzichten. Konkret bedeutet das natürlich ein bestimmtes visuelles Konzept und funktioniert sicherlich nur für eine ganz bestimmte Art von Filmen und Bildern.
    Und natürlich wünsche ich mir auch manchmal den großen Farbkasten, bin dann aber immer wieder froh, nur den Bleistift dabei gehabt zu haben, mich aber dafür mehr mit dem Inhalt als mit dem anmischen von Ölfarben beschäftigt zu haben.

    Nun, meine Worte sind ja nur Bekräftigung und keine neue Weisheit, von daher entschuldigt bitte die Ausschweifungen, ich wollte lediglich mein zustimmendes Interesse am Thema zum Ausdruck bringen.

    Ein Wort noch zu meinem Vorredner – auch dem Abspann von „Antichrist“ ist zu entnehmen, dass Lars von Trier hier im Vorfeld mit anderen Schauspielern am Film gearbeitet haben muss…

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  6. Ich glaube ja, dass ein Hauptproblem ist, dass ihr (im Sinne von Hochhäusler, Heisenberg, fast alle anderen interessanten Regisseure in Deutschland, aber auch im Rest der Welt, die jenseits der Kommerzialität arbeiten und von Subventionen abhängig sind) so wenig Filme dreht. Das ist kein Vorwurf, einfach eine Feststellung und auch ein Bedauern, aber ihr verbringt nur einen Bruchteil eurer Karrieren mit dem eigentlichen Drehen, während enorm viel Zeit für die Finanzierung drauf geht.
    Film als Handwerk, learning by doing, Im Laufe der Zeit einen Stil zu entwickeln, zu verfeinern, das gibt es heute kaum noch. Film ist extrem verkopft geworden, was ja auch zwangsläufig ist, da die meiste Zeit einer Karriere über einen neuen Film nachgedacht wird, geträumt, was auch immer, und er nicht gemacht wird. Und wenn dann gedreht wird ist das Budget so knapp, dass wenig zeit für Experimente bleibt, dann ist das Projekt oft vollkommen überdacht, verkopft, jede Szene mit Bedeutung aufgeladen, jede Einstellung zigfach im Kopf gedreht, dass es schwer ist, spontan zu sein.
    Was dann auch zur Folge hat, dass jedem neuen Film eines interessanten Regisseurs eine Bedeutung beigemessen wird, die er oft gar nicht erfüllen kann und/ oder will.

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  7. Das sehe ich ähnlich. Die Lässigkeit eines, sagen wir, John Ford, steht natürlich mit der Tatsache in Zusammenhang, dass dieser Mann 200 Filme gedreht hat. Aber weil wir voraussichtlich weniger Filme drehen werden, werden wir eine andere Lässigkeit entwickeln müssen, eine Unabhängigkeit, die sich aus anderen Quellen speist als der Routine --- die unseren Produktionsbedingungen angemessen ist sozusagen.

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  8. Ich möchte nur am Rande bemerken, dass die wirklich ungeheure Lässigkeit, mit der Dominik Graf heute die tollsten Dinge tut, viel genau damit zu tun hat, dass er so viel Gelegenheit hatte und hat zum Probieren. Obwohl er ja auch kämpfen musste und muss etc., aber so wie er kriegt zum Schein linkshändig nebenbei keiner sonst Sachen hin, nicht nur in Deutschland.

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