26 September, 2016

Der Schatz

Toma Cuzin, Adrian Purcarescu

Am Sonntag, den 9.10.2016 werde ich mit dem rumänischen Regisseur und Autor Corneliu Porumboiu über seinen neuen Film COMOARA („Der Schatz”, 2015) sprechen. Beginn: 18 h. Gespräch nach dem Film. Ort: FSK Kino Berlin. Danke: Grandfilm und Rumänisches Kulturinstitut.

14 September, 2016

Spyder

„Jack und Bill”, so hiess das karge Drehbuch, das Generationen von HFF-Studenten umzusetzen hatten. Dieser erste gemeinsame Film sollte nach Möglichkeit die ganze Welt filmischer Mittel enthalten, von der Schärfeverlagerung bis zur Schienenfahrt. Die Positionen wurden gelost. Ich war Grip, auf deutsch: Kamerabühne, und also für Schiene und Dolly zuständig. Die Enttäuschung, nicht das Regie-Los gezogen zu haben, zerstreute sich bald angesichts des sinnreich konstruierten Kamerawagens, einem Elemack Spyder, der angeblich aus alten Cinecittà-Beständen stammte – aber vielleicht habe ich diese Herkunft auch nur geträumt. Die Vorstellung jedenfalls, ein Gerät zu bedienen, mit dem zuvor vielleicht Giuseppe Rotunno, Pasqualino de Santis oder Carlo Di Palma gearbeitet hatten, Kameragötter des von mir so verehrten italienischen Kinos, verlieh meiner Aufgabe utopischen Glanz.

Der Elemack Spyder, 1962 von Sante Zelli entworfen, war ein revolutionäres Gerät. Er brach mit der schweren Tradition der alten Dollys, die ihre Abstammung von Bombenhebern nicht leugnen konnten und in Originalmotiven nur mit Mühe einsetzbar waren. Aber der Spyder war nicht nur leichter, ohne weiteres von zwei Personen zu tragen, er war vor allem schnell und flexibel. Die Säule zur Aufnahme der Kamera liess sich hydraulisch, mit einer Fußtaste, heben und senken. Die Gummiräder konnten mit wenigen Handgriffen auf Schienenräder umgerüstet werden. Die Beine liessen sich, von einer Kette synchronisiert, in verschiedene Positionen bringen, etwa wenn man nicht die volle Schienenbreite zur Verfügung hatte. Auch die Steuerung der Räder, ihre Lenkbarkeit, war variabel: Allrad- oder Zweiradlenkung. All diese Eigenschaften scheinen heute selbstverständlich, weil sie in den Produkten von Panther, Chapman, Movietech & Co weiterleben. Aber begonnen haben sie mit Sante Zelli und anderen erfinderischen Geistern seiner Zeit.


    
Elemack Spyder bei Storaro/Coppola (APOCALYPSE NOW, Key Grip: Alfredo Marchetti) ...
Alcott/Kubrick (BARRY LYNDONKey Grip: Tony Cridlin & Luke Quigley) ...
Chapman/Scorsese (TAXI DRIVER, Key Grip: Robert Ward) ...
Nykvist/Tarkowski (OFFRET, Key Grip: Daniel Bergman) ...
Di Venanzo/Fellini (8 1/2, Key Grip: ?) ...
... und Rescher/Newman (RACHEL, RACHEL, Key Grip: Larry Barr).

Natürlich muss ein Regisseur, wenn es um die Werkzeuge der verschiedenen Gewerke geht, nicht bis ins Detail Bescheid wissen. Aber Filmgeschichte ist immer auch Technikgeschichte. Der Spyder steht in einer Reihe mit vielen anderen Innovationen der 60er Jahre, die es erlaubten, mit dem Kino „auf die Straße” oder on location zu gehen. Tragbare Kameras und Tonaufnahmegeräte, kleine, bewegliche Leuchten oder auch nur: Funkgeräte haben das Kino damals stark verändert – und prägen unseren Realismusbegriff bis heute. Noch immer erscheinen uns zum Beispiel die Artefakte, die der direkte Lichteinfall in die Linse hervorbringt, „lens flares”, als authentisch, weil die mobile Handkamera mit kleinem Kompendium in den 60ern diesen Fehler als Ausweis besonderer Unmittelbarkeit durchgesetzt hat.

Und so finden sich in meinem letzten Film nicht nur lens flares, auch schienengeführte Kamerafahrten spielen, zum ersten Mal bei mir, eine zentrale Rolle. Die oben erwähnte „ganze Welt filmischer Mittel” will erarbeitet sein. Meine Erfahrungen am Dolly, die sich während des Studiums in einigen anderen Hochschulfilmen fortgesetzt hatten, reichten bei weitem nicht aus, um unserem hervorragenden Bühnenmann, Kenneth Cornils, hilfreiche Ratschläge zu geben. Aber mein Respekt für seine Arbeit wäre wohl nicht der gleiche gewesen ohne die Faszination für den Spyder. Danke, Sante Zelli.

04 September, 2016

höchst lebendig begraben?

„In der Redewendung von Papas Kino, das tot sei, steckte schon die Vorfreude auf eine Verdrängungsleistung. Der Vatermord konnte ausbleiben. Denn nicht die Vaterrolle galt es einzunehmen, sondern die Stelle des Erziehers zum Besseren. So haben Filmemacher in Deutschland ihr finanzielles Auskommen heute nur als Unterrichtende an einer Filmhochschule, als Lehrer, Lektor, Dozent oder Rektor.

Die Liebe zum Vater/Staat ist der blinde Fleck des deutschen Vergangenheitsbewältigungsstolzes. Dahinter verbirgt sich noch ein zweites Geheimnis. Das alte Kino war nicht Papas Kino, es war Mamas Kino. Und als das junge Kino das Neue sein wollte, war das alte noch längst nicht tot. Mamas Kino wurde höchst lebendig begraben.”

... schreibt Rainer Knepperges in seinem Beitrag „Mamas Kino lebt!” im Katalog zur Locarno-Retro „Geliebt und verdrängt”. Guter Text (auch wenn mir das Pendel inzwischen zu sehr ins Anti-Oberhausenerische schlägt).