Immogen Kogge als Carola Kreil in meinem Film EINE MINUTE DUNKEL.
Wie erwähnt sind unsere DREILEBEN-Filme am kommenden Montag (29.08., um 20.15 h / 21.45 h / 23.30 h) auf ARD und DVD zu sehen / haben. Hier der offizielle Trailer.
Wie sehr habt ihr euch abgesprochen? Gab es das Grundkonzept, gewisse Handlungspunkte und dann hat jeder seinen Film gemacht oder wie hat man sich die Zusammenarbeit vorzustellen?
Das Projekt ist ja aus einer Diskussion heraus entstanden. Die Idee war, drei Filme in Nachbarschaft zu machen. Zuerst haben wir uns auf einen Rahmen geeinigt: den (fiktiven) Ort DREILEBEN und seine Eigenschaften, auf einen Zeitraum (acht Tage in einem "ungeraden" Sommer) und auf die Klammer: ein Mann auf der Flucht. Die Geschichten sollten sich an und mit dieser Flucht infizieren, aufladen, berühren... Die einzelnen Drehbücher sind dann weitgehend unabhängig voneinander entstanden, nur wenige Brückenpunkte wurden nachträglich eingepflanzt. Von Anfang an wollten wir kein Puzzlespiel, keinen nahtlosen Zusammenhang. Aber der Übergang von Christians weiblicher Hauptfigur in meinen Film ist zum Beispiel relativ spär verabredet worden. Was die konkreten Orte betrifft, aber auch die Kostümausgestaltung z.B., so galt die Regel, dass derjenige entscheidet, der am meisten damit zu tun hat. Das nur in aller Kürze...
Habt ihr denn bestimmt Widersprüche zwischen den einzelnen Episoden einfach hingenommen, habt ihr vorher darüber diskutiert wie sehr das Ganze aus einem Guss sein soll? Gerade beim dichten sehen fallen ja doch einige Dinge auf, wie etwa der völlig unterschiedlichen Weise, wie der Mord an dem Mädchen am Ende von Petzolds Episode gezeigt wird und wie du ihn dann zeigst. Aber auch solche Dinge, dass in einer Folge (ich weiß nicht mehr welcher) ein Polizist aus Versehen jemanden erschießt, was in den anderen Episoden keine Rolle spielt, auch wenn es eigentlich einen Einfluss auf die Figuren haben müsste.
Wie seht ihr denn im Nachhinein das Projekt als Ganzes, unabhängig von der Qualität der einzelnen Filme für sich genommen, seid ihr mit dem Ergebnis zufrieden, haltet ihr das Experiment für gelungen, was würdet ihr anderes machen, wenn ihr es nochmal machen könntet?
Viele Fragen, entschuldige, aber es ist doch ein sehr spannendes Projekt, wie ich finde...
Ich finde schon, dass das Experiment als Ganzes gelungen ist. Auch wenn ich den einen oder anderen Widerspruch gerne vermieden hätte: interessant finde ich beim Sehen, wie sich die Wahrnehmung der einzelnen Filme durch die Erinnerung an die anderen verändert. Ob wir so etwas noch einmal machen, steht in den Sternen, aber Ideen dafür gibt es...
Mir hat das gestern ziemlich gut gefallen, auch wenn ich nach fast 5h einigermaßen ausgelaugt war und ich die Episode von Dominik Graf leider etwas lachhaft fand. Aber man konnte sich da auch gut mit einem Freund dazu amüsieren, insofern war es in Ordnung, bevor es dann wieder ernst wurde. Am meisten hat mir aber, obwohl ich nicht gerade Petzoldt-Fan bin, der erste Film gefallen. Eine Frage an dich, Christoph - kennst du den japanischen Film "Vengeance Is Mine"? Ich musste kurz daran denken. Wenn nicht - ist ein Knaller.
Ich musste gestern beim Anfang deines - beeindruckenden - Films an zwei Filme denken: "Le Circle Rouge" und eben den Imamura-Film, wahrscheinlich weil beide Kriminalfilme sind, die mit schweigenden Männern im Auto beginnen.
Hm, erst fahren sie im Auto durch die Stadt, dann geht's zum Bahnhof und in den Zug. Jedenfalls in der Version, die ich kenne (Studio-Canal-BluRay) ...
Hallo, ich habe gestern den Film von Petzhold, den Anfang von Graf's Film und heute Ihren Film angeschaut, der mich wirklich gepackt hat und der noch am ehesten aus dem Fernsehfilm-Format ausbrechen konnte. Wie war das denn für sie als (Kino-)Filmschaffende, für's Fernsehen zu produzieren. Hat das viel in der Arbeitsweise (v.a. Drehbuch/Planung) geändert? Musste man wegen kleinerer Budgets schneller Arbeiten, mehr Kompromisse machen?
Etwas hat mich an Ihrem Film allerdings stutzig gemacht: die Szene, in der der Jogger erschossen wird. So kalt, so nebensächlich und unbedeutend sieht man selten Menschen in Filmen sterben. Was war der Gedanke dabei? Stand die Szene zur Disposition, nicht in den Film zu kommen?
Fernsehen zu machen heißt in erster Linie: weniger Drehtage. Im Übrigen gibt es weder vor noch hinter der Kamera wesentliche Unterschiede. Christian Petzold hat ja schon zuvor einige Fernsehfilme gemacht (Pilotinnen, Wolfsburg, Toter Mann usw), Dominik Graf arbeitet überwiegend fürs Fernsehen.
Der tote Engländer geht zurück auf den Zurwehme-Fall, wo die Polizei in der Hitze der (lange erfolglosen) Jagd einen völlig unbeteiligten Touristen erschossen hat, ohne Warnung durch eine Glastür. Aber ich bin auch nicht glücklich mit der Szene.
Ich hab zwar nicht viel Ahnung von der Materie, aber ich fand einige Einstellungen in Ihrem Film großartig. Man konnte sich so in Räumen umgucken, als wäre man selbst dort, Details wahrnehmen, Straßenschilder, alles was einem auch selbst aufgefallen wäre. Die thüringischen Nachbarn waren zum Schreien, es war alles ziemlich authentisch und es kamen echte Menschen vor. Vielen Dank dafür. Es hat wirklich Spaß gemacht und Ihr Film hat sich deutlich abgehoben von den anderen. Ich bin sehr neugierig auf weitere Filme aus Ihrer Feder/Kamera/Wasauchimmer.
Hallo N., habe mir VENGEANCE IS MINE inzwischen angesehen. Danke für den Tipp, toller Film, der natürlich auf eine ganz andere Weise welthaltig ist, von Recherche durchdrungen.
oh, EINE MINUTE DUNKEL ist.... so ruhig. untransparent. man darf in so wenigen filmen die menschen unbedarft und unvoreingenommen betrachten. und auch einmal dinge nicht wissen. (ich wünschte nur, ich hätte die vorhergehenden nicht vorher gesehen.) danke!
Ja, VENGEANCE IS MINE is wirklich großartig, vielleicht komme ich dazu, mal was dazu zu schreiben. Überhaupt Imamura und sein Interesse für die Menschen --- das beschäftigt mich gerade sehr.
Ich mochte die epische Breite und fand den Film gleichzeitig nüchtern und romantisch, schön und schmerzhaft. Es scheint, als ob auch der schlimmste innere Kampf, wie den, den die ziemlich unangenehme Hauptfigur durchmacht, dass ein solches Abmühen und Scheitern lebenswert ist und auch eine gewisse Größe haben kann, ohne dass das, war er tut, in irgendeiner Form als richtig oder alternativlos dargestellt wird. Und es ist ja kein Scheitern im Kampf um ein großes, hehres Ziel (Opernhaus bauen im Dschungel oder so), sondern ein Scheitern ganz unten, wirklich nur ein Ringen mit dem Leben und sich selbst und dein eigenen Dämonen. Und insofern ist dieses Bild der Figur, von dem ganzen historichen Kontext und allem abgesehen, für mich sehr bewegend.
(Ich ringe hier auch nach Worten, aber vielleicht kommt ja was rüber.)
PS: Vielleicht habe ich ein bisschen außer acht gelassen, wie sehr die Hauptfigur von Gesellschaft und Geschichte "gemacht" wurde. Naja. Speaking of welthaltig ...
Eine Frage zu dem Projekt:
AntwortenLöschenWie sehr habt ihr euch abgesprochen? Gab es das Grundkonzept, gewisse Handlungspunkte und dann hat jeder seinen Film gemacht oder wie hat man sich die Zusammenarbeit vorzustellen?
Das Projekt ist ja aus einer Diskussion heraus entstanden. Die Idee war, drei Filme in Nachbarschaft zu machen. Zuerst haben wir uns auf einen Rahmen geeinigt: den (fiktiven) Ort DREILEBEN und seine Eigenschaften, auf einen Zeitraum (acht Tage in einem "ungeraden" Sommer) und auf die Klammer: ein Mann auf der Flucht. Die Geschichten sollten sich an und mit dieser Flucht infizieren, aufladen, berühren... Die einzelnen Drehbücher sind dann weitgehend unabhängig voneinander entstanden, nur wenige Brückenpunkte wurden nachträglich eingepflanzt. Von Anfang an wollten wir kein Puzzlespiel, keinen nahtlosen Zusammenhang. Aber der Übergang von Christians weiblicher Hauptfigur in meinen Film ist zum Beispiel relativ spär verabredet worden. Was die konkreten Orte betrifft, aber auch die Kostümausgestaltung z.B., so galt die Regel, dass derjenige entscheidet, der am meisten damit zu tun hat. Das nur in aller Kürze...
AntwortenLöschenGrüße, Christoph
Habt ihr denn bestimmt Widersprüche zwischen den einzelnen Episoden einfach hingenommen, habt ihr vorher darüber diskutiert wie sehr das Ganze aus einem Guss sein soll? Gerade beim dichten sehen fallen ja doch einige Dinge auf, wie etwa der völlig unterschiedlichen Weise, wie der Mord an dem Mädchen am Ende von Petzolds Episode gezeigt wird und wie du ihn dann zeigst. Aber auch solche Dinge, dass in einer Folge (ich weiß nicht mehr welcher) ein Polizist aus Versehen jemanden erschießt, was in den anderen Episoden keine Rolle spielt, auch wenn es eigentlich einen Einfluss auf die Figuren haben müsste.
AntwortenLöschenWie seht ihr denn im Nachhinein das Projekt als Ganzes, unabhängig von der Qualität der einzelnen Filme für sich genommen, seid ihr mit dem Ergebnis zufrieden, haltet ihr das Experiment für gelungen, was würdet ihr anderes machen, wenn ihr es nochmal machen könntet?
Viele Fragen, entschuldige, aber es ist doch ein sehr spannendes Projekt, wie ich finde...
Ich finde schon, dass das Experiment als Ganzes gelungen ist. Auch wenn ich den einen oder anderen Widerspruch gerne vermieden hätte: interessant finde ich beim Sehen, wie sich die Wahrnehmung der einzelnen Filme durch die Erinnerung an die anderen verändert. Ob wir so etwas noch einmal machen, steht in den Sternen, aber Ideen dafür gibt es...
AntwortenLöschenMir hat das gestern ziemlich gut gefallen, auch wenn ich nach fast 5h einigermaßen ausgelaugt war und ich die Episode von Dominik Graf leider etwas lachhaft fand. Aber man konnte sich da auch gut mit einem Freund dazu amüsieren, insofern war es in Ordnung, bevor es dann wieder ernst wurde. Am meisten hat mir aber, obwohl ich nicht gerade Petzoldt-Fan bin, der erste Film gefallen.
AntwortenLöschenEine Frage an dich, Christoph - kennst du den japanischen Film "Vengeance Is Mine"? Ich musste kurz daran denken. Wenn nicht - ist ein Knaller.
VENGEANCE IS MINE von Shôhei Imamura? Habe ich leider nicht gesehen. Klingt aber interessant. Danke für den Hinweis.
AntwortenLöschenC
Ja, den meine ich. Kann ihn nur empfehlen.
AntwortenLöschenIch musste gestern beim Anfang deines - beeindruckenden - Films an zwei Filme denken: "Le Circle Rouge" und eben den Imamura-Film, wahrscheinlich weil beide Kriminalfilme sind, die mit schweigenden Männern im Auto beginnen.
Viele Grüße,
N.
LE CERCLE ROUGE beginnt im Zug, aber der ist großartig, ja.
AntwortenLöschenHm, erst fahren sie im Auto durch die Stadt, dann geht's zum Bahnhof und in den Zug. Jedenfalls in der Version, die ich kenne (Studio-Canal-BluRay) ...
AntwortenLöschenStimmt, er wird zum Zug gebracht... aber ich erinnere die Autofahrt am Anfang nicht mehr.
AntwortenLöschenHallo, ich habe gestern den Film von Petzhold, den Anfang von Graf's Film und heute Ihren Film angeschaut, der mich wirklich gepackt hat und der noch am ehesten aus dem Fernsehfilm-Format ausbrechen konnte. Wie war das denn für sie als (Kino-)Filmschaffende, für's Fernsehen zu produzieren. Hat das viel in der Arbeitsweise (v.a. Drehbuch/Planung) geändert? Musste man wegen kleinerer Budgets schneller Arbeiten, mehr Kompromisse machen?
AntwortenLöschenEtwas hat mich an Ihrem Film allerdings stutzig gemacht: die Szene, in der der Jogger erschossen wird. So kalt, so nebensächlich und unbedeutend sieht man selten Menschen in Filmen sterben. Was war der Gedanke dabei? Stand die Szene zur Disposition, nicht in den Film zu kommen?
MfG
Hannes
Fernsehen zu machen heißt in erster Linie: weniger Drehtage. Im Übrigen gibt es weder vor noch hinter der Kamera wesentliche Unterschiede. Christian Petzold hat ja schon zuvor einige Fernsehfilme gemacht (Pilotinnen, Wolfsburg, Toter Mann usw), Dominik Graf arbeitet überwiegend fürs Fernsehen.
AntwortenLöschenDer tote Engländer geht zurück auf den Zurwehme-Fall, wo die Polizei in der Hitze der (lange erfolglosen) Jagd einen völlig unbeteiligten Touristen erschossen hat, ohne Warnung durch eine Glastür. Aber ich bin auch nicht glücklich mit der Szene.
Ich hab zwar nicht viel Ahnung von der Materie, aber ich fand einige Einstellungen in Ihrem Film großartig. Man konnte sich so in Räumen umgucken, als wäre man selbst dort, Details wahrnehmen, Straßenschilder, alles was einem auch selbst aufgefallen wäre.
AntwortenLöschenDie thüringischen Nachbarn waren zum Schreien, es war alles ziemlich authentisch und es kamen echte Menschen vor. Vielen Dank dafür. Es hat wirklich Spaß gemacht und Ihr Film hat sich deutlich abgehoben von den anderen. Ich bin sehr neugierig auf weitere Filme aus Ihrer Feder/Kamera/Wasauchimmer.
Schön peinlich: Ich bezog mich auf den Film von Dominik Graf, mit der blonden Polizeipsychologin. Ich hatte mich verlesen... tut mir leid.
AntwortenLöschenHallo N., habe mir VENGEANCE IS MINE inzwischen angesehen. Danke für den Tipp, toller Film, der natürlich auf eine ganz andere Weise welthaltig ist, von Recherche durchdrungen.
AntwortenLöschenC
oh, EINE MINUTE DUNKEL ist.... so ruhig. untransparent. man darf in so wenigen filmen die menschen unbedarft und unvoreingenommen betrachten. und auch einmal dinge nicht wissen. (ich wünschte nur, ich hätte die vorhergehenden nicht vorher gesehen.)
AntwortenLöschendanke!
Hallo Christoph,
AntwortenLöschenfreut mich, dass du dir "Vengeance Is Mine" angeschaut hast und er dir gefallen hat!
Übrigens ist das ein interessanter Begriff, "welthaltig". Kann mich nicht erinnern, ihn davor einmal gehört zu haben.
Alles Gute weiterhin,
N.
Ja, VENGEANCE IS MINE is wirklich großartig, vielleicht komme ich dazu, mal was dazu zu schreiben. Überhaupt Imamura und sein Interesse für die Menschen --- das beschäftigt mich gerade sehr.
AntwortenLöschenP.S.:
Der Begriff „welthaltig” ist nicht von mir.
C
Ja, wäre interessant, das zu lesen.
AntwortenLöschenIch mochte die epische Breite und fand den Film gleichzeitig nüchtern und romantisch, schön und schmerzhaft. Es scheint, als ob auch der schlimmste innere Kampf, wie den, den die ziemlich unangenehme Hauptfigur durchmacht, dass ein solches Abmühen und Scheitern lebenswert ist und auch eine gewisse Größe haben kann, ohne dass das, war er tut, in irgendeiner Form als richtig oder alternativlos dargestellt wird.
Und es ist ja kein Scheitern im Kampf um ein großes, hehres Ziel (Opernhaus bauen im Dschungel oder so), sondern ein Scheitern ganz unten, wirklich nur ein Ringen mit dem Leben und sich selbst und dein eigenen Dämonen. Und insofern ist dieses Bild der Figur, von dem ganzen historichen Kontext und allem abgesehen, für mich sehr bewegend.
(Ich ringe hier auch nach Worten, aber vielleicht kommt ja was rüber.)
N.
PS: Vielleicht habe ich ein bisschen außer acht gelassen, wie sehr die Hauptfigur von Gesellschaft und Geschichte "gemacht" wurde. Naja. Speaking of welthaltig ...
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