15 August, 2006

Währung

Eine Geschichte spielt im sozialen Raum etwa die gleiche Rolle wie eine Währung im Kreislauf der Wirtschaft. Hier wie dort geht es um eine „Ersatzwelt”, ein Abstraktionswerkzeug, mit dem man hofft, die Welt verhandelbar zu machen. Je mehr eine Geschichte / Währung in Umlauf gebracht wird, umso mehr Einfluss gewinnt sie; Einfluss, der sich in beiden Fällen auf das Vertrauen der Benutzer gründet, die Geschichte / Währung sei im Verhältnis zur Welt der Tatsachen „gültig”. Eine Geschichte / Währung hat also – vom Materialwert des Mediums einmal abgesehen – keinen tatsächlichen, sondern nur einen angewandten Wert, der sich ausschließlich sozial (zwischen zwei oder mehr Parteien) realisieren lässt. Das Geschichtenerzählen entwickelt jedoch – wie auch der Umgang mit Geld – eine starke Eigendynamik, die weit über ein festes Tauschverhältnis hinausgeht. Diese Nebeneffekte, möglicherweise Ausdruck ein und desselben Sinndefizits, nähren das Machtgefälle zwischen Erzähler / Anbieter und Zuhörer / Nachfrager bis zu einem bestimmten Krisen- oder Wendepunkt, an dem das Spiel von Neuem beginnt. Einfacher gesagt: Wenn der Markt bei Glaubwürdigkeitsproblemen einbricht, oder Erzählungen sich als nicht vertrauenswürdig erweisen und „floppen”, wird dieses Machtgefälle herausgefordert und zugunsten der Zuhörer / Nachfrager verschoben bzw. ins Gleichgewicht gebracht.

(Aus meinem Notizbuch 2002)


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