MIAMI VICE ist wie eine Nährlösung, in der filmische Substanzen isoliert aufeinander reagieren, um nach kurzer Blüte wieder zu zerfallen. Mitunter entsteht so eine große Hitze, eine neue Ästhetik des Spektakels, die sehr wenig mit Plot oder Charakterisierung und sehr viel mit Suggestion zu tun hat.
Schade, dass Colin Farell dieses Nichts an Rolle mit Arbeit auffüllen will, etwas zu sein versucht, schau-spielt, wo es doch nur um Charisma geht. Farell kämpft gegen das Verschwinden im Bild und unterliegt - der Film gerät so oft auf lächerliches Terrain. Jamie Foxx ist da zuverlässiger, hat nichts dagegen, seinen Körper hinzuhalten, und auch wenn er ein bisschen brav bleibt, wird er nach und nach doch zum gleichberechtigten Objekt neben den Autos, Waffen und Flugzeugen.
Gong Li, die grossartig ist - ein Gesicht wie eine Landschaft, undeutbar, und dabei in ihrer Wirkung überwältigend, also ideal für die Bedürfnisse dieses Films - lädt das Drehbuch zum Salsa-Tanz mit Farell ein. Ihre Körper werden in der Montage ausgetauscht, um dem Tanz mehr Könnerschaft zu geben. Ein Tiefpunkt des Films. Gemachte Gefühle. Die Behauptung einer Romanze aus dem Geiste des Schmachtromans. Tanz darf man nicht schneiden, weil sein Wesen im Zusammenhang liegt - und einen Tanz, der die Verführung selbst sein soll (der entscheidende Moment, in dem der Schild sinkt, um den Pfeil zu empfangen) schon gar nicht.
Momentweise kommt der Film gross in Fahrt; unvergleichlich, wie Michael Mann im Vibrato der Andeutung, mit Reissschwenks, dokumentarischen Details, Farbpunkten und einem ganz schemenhaften Personal, einen Ort skizziert: Ciudad del Este, eine Stadt, wie es sie nur im Kino geben kann, zugleich ganz gerichtet (Kosmos der Angst) und ganz frei (völlige Erwartungslosigkeit). Nebel der Wahrnehmung. Nie zuvor war HD Video so sinnfällig, vielleicht sogar: conditio sine qua non. Und schon lange nicht mehr habe ich so unheimliche Pole des Bösen gesehen im Kino. Nicht dass man sie kennen lernte, man fürchtet sie nur. Das genügt.
Dazwischen Fahren, Fliegen, Gehen, Blicke ins Weite, ein zielloses Schweben, gelegentlich durchkreuzt von dürftiger Plotmechanik. Ich musste an Buster Keaton denken in SEVEN CHANCES: Wie er in ein Auto steigt um - Schnitt - wieder auszusteigen, und so das Verhältnis des klassischen Kinos zum Raum ironisch auf den Punkt bringt: er wird überbrückt, damit die Erzählung weitergehen kann. MIAMI VICE ist das Gegenteil: der ganze Film ist eine einzige Bewegung, Körper, Maschinen, Wolken, ohne wirkliches Ziel, und es ist die Erzählung, die, wann immer es geht, überbrückt wird.
Man fragt sich unwillkürlich, ob die Handlung so dürftig sein muss, damit sich diese lyrische Leere, diese Suggestions-Grammatik entfalten kann, oder ob der Film trotz seines schwachen Drehbuchs, trotz der dünnen Dialoge, trotz der Abwesenheit von Charakterisierung „funktioniert”. So oder so, kein „guter Film”, aber ein grosser Schritt in Richtung „Fühlkino”, wie von Huxley beschrieben: eine Sensation, die im Sinnenrausch selbst liegt, das cineastische Bärenfell.
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