Der Filmemacher Thomas Heise ist tot. Mitten aus dem Leben gerissen. Die Nachricht ist ein Schock. Thomas hat an neuen Projekten gearbeitet, war an der Akademie der Künste als Direktor der Abteilung Film- und Medienkunst sehr aktiv, aber auch abseits davon politisch engagiert.
Sein Film MATERIAL (2009) gehört für mich zu den Schlüsselfilmen der deutschen Filmgeschichte. Ich werde nie die Szene vergessen, in der Häftlinge in den letzten Tagen der DDR an die Welt da draussen appellieren, man möge sie in dieser Zeit des Umbruchs nicht vergessen. Sein schmerzlich schöner HEIMAT IST EIN RAUM AUS ZEIT (2019) wirkt im Nachhinein wie eine Todesahnung. Über zwei Kurzfilme von ihm, IMBISS SPEZIAL (1990) und IM GARTEN (2010) durfte ich schreiben, in dem Buch Über Thomas Heise, das ich sehr empfehlen kann.
In der Revolver DVD Edition haben wir VATERLAND (und mehr) herausgebracht, mehrfach Interviews mit ihm in Revolver veröffentlicht, Saskia Walker hat ihn immer wieder mit der Redaktion verbunden. In dem Gespräch von 2009 sagt er ihr unter anderem:
„...wenn du Dokfilm machst, hast du mit Aktualität gar nichts zu tun, sondern mit Geschichte. Die Quote des Abends müsste man in die Länge ziehen auf die nächsten zweihundert Jahre, und dann könnte man überhaupt erst drüber reden. (...) ein Dokumentarfilm [hält] länger ... als die Redaktion, die ihn in Auftrag gegeben hat, und länger als der Staat, in dem er entsteht.”
Wir waren nicht eng befreundet, aber vielfach verbunden. 2017 haben wir im Haus der Kulturen der Welt eine Rede zur Zukunft der Berlinale gehalten, die wir zuvor in seiner Wohnung in der Schönhauser Allee zusammengezimmert hatten. Viele hatten mir vorher abgesagt aus Angst vor der Ministerin oder vor Kosslick, nur Thomas nicht. Dabei wollte das BKM ausdrücklich nicht, dass er spricht. Mir wurde von einem politischen Beamten sogar gedroht deshalb, ich werde 10 Jahre kein Geld mehr bekommen (was dann mehr oder weniger auch so war). Aber Thomas war ein Fels an meiner Seite, man konnte sich auf ihn verlassen.
In den letzten zwei Jahren haben wir – zusammen mit anderen, im Rahmen einer filmpolitischen Initiative – diverse Male versucht, Politikern zu erklären, wie (Film-) Kunst entsteht und woran es hapert in diesem Land. Er war in diesen Gesprächen respektlos, humorvoll und pragmatisch, eine tolle Mischung.
Schrecklich, dass er jetzt nicht mehr da ist.
Schöner Nachruf von Matthias Dell: https://www.zeit.de/kultur/film/2024-05/thomas-heise-dokumentarfilm-regisseur-nachruf/komplettansicht
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