Wenn ich, als Immer-Brillenträger, doch einmal ohne bin, vermisse ich sofort Gesichter, und wie sie mich betreffen; funktionale Nachteile hat es natürlich auch. Denn ja, so „blind” bin ich. Aber es bedeutet auch Freiheit. Eingetaucht in das Weichbild der Welt scheint der Blick plötzlich nahtlos in alle Richtungen zu fließen, statt durch den Rahmen nur nach Vorne. Und der Mangel an Unterscheidungsvermögen fühlt sich nach Komfort an. Unscharf sehen ist wie eine fremde Sprache hören, man setzt sich dem Klang aus, bekommt ein Gefühl für eine Unterhaltung, muss aber die Einzelheiten nicht verstehen. Die Brille, merke ich dann, ist auch ein Zuchtmeister, Kandare im Maul des Kleppers, der lieber dem Wind folgen möchte. Nach stundenlanger Augen-Treidlerei am Bildschirm jedenfalls ist die Erfrischung willkommen, und ich nehme mir vor, im neuen Jahr öfter randlos rauszugehen – und falls Sie es auch tun, und ich Sie nicht grüße, wissen Sie warum.
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