20 Juni, 2023

Marie-Pierre Duhamel (1952-2023)

Sehr traurige Nachrichten: die wunderbare Marie-Pierre Duhamel, eine Kämpferin für das Kino, nie versiegende Wissensquelle, kritische Begleiterin des Gegenwartsfilms von Peking bis Berlin, ist tot. Sie war für mich ein leuchtendes Beispiel für eine gut geerdete Cinephilie, politisch, streitbar, voller Witz. Ein wunderbarer Mensch. 2012 haben wir zusammen eine Veranstaltung gemacht in der Berliner Volksbühne, über das Sprechen im Film (nachzulesen in Revolver Heft 38), ein Gespräch, von dem ich immer noch zehre, wie ich überhaupt in allen Begegnungen von ihr gelernt habe, in Paris, Rom, Berlin oder Locarno. Als ich letzten Herbst in Paris war, fühlte sie sich zu schwach für ein Treffen, der Krebs frass an ihr; Sie schrieb mir, herzzerreissend: "I am still around, but with a strict schedule and very limited energy. Enough to watch films and write, not enough to have a life outside, unfortunately." Heute ist sie, erst siebzigjährig, in Paris gestorben. Gute Reise, liebe Freundin!



Marie-Pierre Duhamel. * 28.11.1952 Paris †20.06.2023 Paris. Kuratorin, Kritikerin, Dozentin, Produzentin, Regisseurin. Studium: Chinesische Sprache und Kultur in Paris, Shenyang und Nankin; Filmproduktion und Filmgeschichte in Paris. Mitglied der Auswahlkommission diverser Festivals, u.a. Venedig (2008-2011). Direktorin des Festivals „Cinéma du Reel” am Centre Pompidou (2004-2008). Dozenturen für Filmgeschichte und Filmanalyse u.a. in Barcelona (Pompeu Fabra), Paris (FEMIS), Grenoble (Stendhal). Filme (Auswahl): „Ronde de flics à Pékin” (1995, Prod., Regie: Ning Ying), „Sept en attente” (1995, Prod., Regie: Françoise Etchégaray). Entwicklung von Dokumentarfilmen mit Marianne Gosset und Benoît Keller. „Dolorès Del Rio, de Hollywood à Mexico” (2003, Dok., Regie), „Les Animaux ont une histoire” (2004, Dok., Regie).

09 Juni, 2023

Trailer „Bis ans Ende der Nacht”

Deutscher Kinostart ist der 22.06.2023! 


Kinotour / Filmgespräche

Ein Bild von den Dreharbeiten.

19.06. Berlin International, 22 h (mit Thea Ehre & Michael Sideris & Christoph Hochhäusler & mehr, im Gespräch mit Thomas Abeltshauser)

19.06. München City, 21.15 h (mit Timocin Ziegler)

20.06. Hamburg Zeise, 19 h (Thea Ehre & Christoph Hochhäusler im Gespräch mit Marius Magaard)

20.06. Hamburg Abaton, 20.15 h (Christoph Hochhäusler im Gespräch mit Felix Grassmann)

21.06. Köln Odeon, 20 h (mit Schauspielern und Team)

22.06. Hannover Raschplatz, 20.30 h (Christoph Hochhäusler & Florian Plumeyer im Gespräch mit Sybille Mollzahn)

22.06. Leipzig Passage, 20 h (mit Florian Plumeyer)

23.06. Nürnberg Filmhaus, 20 h (Christoph Hochhäusler im Gespräch mit Daniel Moersener)

24.06. Darmstadt Rex, 20 h (Christoph Hochhäusler im Gespräch mit Andreas Heidenreich)

25.06. Heidelberg Gloria, 11 h (Matinee, Christoph Hochhäusler im Gespräch mit Jutta Freimuth)

25.06. Karlsruhe Schauburg, 18.30 h (Christoph Hochhäusler im Gespräch)

26.06. Frankfurt Harmonie, 20.45 h (Michael Sideris & Christoph Hochhäusler im Gespräch mit Dimitrios Charistes)

27.06. Potsdam Thalia, 20 h (mit Florian Plumeyer)

29.06. Berlin FSK, 20 h (Christoph Hochhäusler im Gespräch mit Daniel Moersener)

30.06. Berlin Wolf, 18.30 h (Christoph Hochhäusler im Gespräch mit Sulgi Lie)

04.07. Berlin Freiluftkino Hasenheide, 21.45 h (Christoph Hochhäusler im Gespräch mit Jochen Werner)

16.07. Lübeck Cinestar, 19 h (Christoph Hochhäusler im Gespräch mit Miriam Waldmann)



05 Juni, 2023

Halbautomatisch

Warum funktioniert Hypnose? Kurz gesagt, weil wir eine Spezies sind, die ihren Alltag halbautomatisch regelt. Wenn wir etwa „in Gedanken” durch die Stadt laufen, bewegen wir uns mindestens in doppelter Trance: Das Gehen ist halb-bewusst, und der stream of consciousness unserer Gedanken ist es auch. Der Hypnotiseur kann sich das zu Nutze machen, indem er eines dieser Programme „hackt“.

Womöglich sind die meisten menschlichen Konflikte soziale Unfälle, die zwischen den Trancen, zwischen halbwach und hellwach passieren? Jedenfalls verfolgt uns der instabile, spukhafte Charakter unserer Wahrnehmung. Unsere größte Angst ist die Täuschung, weshalb wir dazu neigen, dem Beispiel anderer zu folgen. Herdentrieb ist auch eine Form halbautomatischer Wirklichkeitsproduktion - der bewusste Anteil kann an andere delegiert werden - und funktioniert damit analog zur Hypnose.

Filme zu sehen ist vielleicht ja deshalb so befriedigend, weil wir mit Hilfe dieser Artefakte eine unnatürlich stabile Vorstellung von (Para-) Wirklichkeit produzieren. Das Filme-schauen ist ein Verfertigen einer kleineren Wirklichkeit; die verschiedenen Stränge einer Erzählung konstruieren einen übersichtlichen Konsens, wie ihn uns die erste Wirklichkeit verwehrt.

01 Juni, 2023

Noch mal, bitte.

Anton Walbrook und Simone Signoret in Max Ophüls' LA RONDE (F 1950).

Wiederholung ist eine Grundbedingung des Filmemachens. Man schreibt und schreibt um, dreht Take um Take, feilt in der Montage, der Mischung immer wieder an den selben Szenen, sieht den eigenen Film im Prozess so oft, dass er einem irgendwann über ist.

Aber Wiederholung ist nicht Wiederholung. Im Schnitt etwa gibt es Szenen, Momente und Gesten, die man wieder und wieder sehen kann und andere, die sich schnell verbrauchen… 

Nur was bedeutet dieser Unterschied? Könnte man einen Film machen, der nur aus Szenen besteht, die man in der Wiederholung gerne sieht – und wäre das dann ein guter Film? Welche Qualitäten haben Szenen, die sich wiederholen lassen? Welche die Momente, die sich verbrauchen? 

Die Wiederholung verändert das Sehen, (in-) formiert es. Es gibt nur ein erstes Mal, und der erste Eindruck hinterlässt im zweiten und dritten Spuren.

Es könnte sein, dass die Qualitäten von „leicht verderblichen” Szenen, in eben dieser geringen Haltbarkeit bestehen. Manfred Krug fällt mir ein, der seine (Pop-) Musik als eine „zum Verzehr“ definiert hat. 

Was wäre gegen einen Film zu sagen, so haltbar (und so „lecker”) wie eine Wiener Cremeschnitte?