21 Dezember, 2015

Geben und Nehmen


Ursina Lardi, Andreas Patton in MEIN LANGSAMES LEBEN (2001).
Devid Striesow, Louis Schanelec in MARSEILLE (2004).

Am Samstag, den 23.01.2015 diskutiere ich in Solothurn im Rahmen eines Revolver Live! mit Angela Schanelec, Ursina Lardi und Devid Striesow über das Geben und Nehmen zwischen Schauspiel und Regie, und zwar im Kino Palace Solothurn16.45–17.45 h. 


Ursina Lardi in DIE LÜGEN DER SIEGER (2014).

Ursina Lardi ist das „Rencontre” des Festivals gewidmet. Am 24.01. um 20.30 h wird deshalb auch mein Film DIE LÜGEN DER SIEGER zu sehen sein, in dem Lardi eine PR-Beraterin spielt (Kino Palace).

Update:
Hier kann man die Veranstaltung nachhören.

Zwei Filmgespräche


Am Montag, den 4.01.2016 spreche ich mit Ralf Schenk über zwei schöne DEFA-Filme, die übrigens beide Wolfgang Kohlhaase geschrieben hat. Um 19 h läuft Gerhard Kleins DER FALL GLEIWITZ, um 21 h Konrad Wolfs DER NACKTE MANN AUF DEM SPORTPLATZ. Ort: Arsenal (das Gespräch findet jeweils nach dem Film statt).

11 Dezember, 2015

„Eisenhans”, von Tankred Dorst.

Es war gut, Tankred Dorsts letzten Film EISENHANS, den ich nur einmal, vor 15 Jahren, auf einem kleinen Beta-Sichtungsmonitor gesehen hatte, auf der großen Leinwand von 35 mm projiziert zu sehen – im Haus der Berliner Festspiele, am Nikolaustag. Die Sinnlichkeit des Materials, im doppelten Sinne, das Körperliche, hat mich beim Wiedersehen stark beeindruckt. Gerhard Olschewski! Und Dorsts Verhältnis zum Märchen, sein Blick, der die Mythen nicht über uns, ausser Reichweite, sondern in uns erkennt, ist mir ohnehin sehr nah. Ich muss demnächst einmal etwas über den Film schreiben. Vorerst nur drei Bilder:



10 Dezember, 2015

Cinephilie?


Am Sonntag, den 13.12.2015 um 20 h diskutiere ich im Rahmen der Französischen Filmwoche Berlin in der „Filmlounge” des Cinema Paris / Maison de France zusammen mit Jean-Michel Frodon und Melvil Poupaud über „Cinephilie”. Moderation: Emilie Boucheteil.

02 Dezember, 2015

Inflight Entertainment


Ich habe heute erfahren dass mein Film DIE LÜGEN DER SIEGER als Inflight Entertainment bei Oman Air zu sehen ist, mit arabischen Untertiteln. Alternativ kann man auf dem Bildschirm auch im Koran lesen. Wenn man bedenkt, dass in Oman die Sharia gilt und das Land Rang 127 auf dem World Press Freedom Index belegt – fühlt sich das seltsam an. Soll man sich darüber freuen? Liegt darin die Chance zu wirken? Oder beweist das die völlige Vergeblichkeit aufklärerischer Absichten im Kino? Ist mein Film so harmlos, dass ihn die Airline eines Staates, in dem Meinungsfreiheit nicht existiert, als Unterhaltung anbieten kann? Oder wenden sich diese Flüge ohnehin nur an westliche Touristen, die sich über die Menschenrechtssituation keine Gedanken machen sollen? Und dann gibt es da noch ästhetische Bedenken...

29 November, 2015

(Wieder-) Gesehen [7]

Valentin Popov, Nikolay Gubenko, Stanislav Lyubshin

ICH BIN ZWANZIG JAHRE ALT (Marlen Khutsiev, UdSSR 1965)

Kann man älter als der eigene Vater werden und doch zu jung sein für den „Ernst des Lebens”? Khutsievs Film über die vaterlose Generation im Tauwetter-Moskau der 60er Jahre erzählt von drei Freunden und wie sich ihre Freundschaft durch Beruf, Ehe, Kinder verändert. Aber er erzählt auch von ihren Müttern und Schwestern, von Filmstudenten und Arbeitern, Kantinen und Universitäten, und sogar die Toten kommen zu Wort. Ein sowjetisches Pendant zu Fellinis I VITELLONI vielleicht, aber ausschweifender, einen größeren Zeitraum in den Blick nehmend, und dabei auch formal waghalsiger. Ein Jahrhundertwerk.


Geir Westby

EDVARD MUNCH (Peter Watkins, Norwegen 1974)

Peter Watkins' Film ist lang und redundant, und das mit voller Absicht. Er arbeitet mit Refrains, will das Gefangensein des Künstlers Munch in seinen Themen – die Allgegenwart des Todes, die Angst vor der Frau, die Unfähigkeit zur Kommunikation – auch im Zuschauer selbst erzeugen. Zu meiner Überraschung steht das einer gefühlsmässigen Beteiligung nicht im Wege. Und noch nie habe ich einen Künstlerfilm gesehen, der den bildnerischen Prozess so ernst genommen hat, in dem das tatsächliche Bemalen der Leinwand, das Schneiden des Holzes etc. so anschaulich und glaubwürdig war. Das gilt auch für die Besetzung: die Laien, die Watkins gefunden hat, haben nicht nur faszinierende Gesichter, sie haben auch die richtigen. Die Ähnlichkeit mit den historischen Personen ist frappierend. So frappierend, dass man Munchs Selbstportraits wirklich für Portraits des Schauspielers Geir Westby zu halten geneigt ist. 


Ildikó Bánsági

BIZALOM (István Szabó, Ungarn 1980)

Ungarn in den letzten Tagen des Krieges. Zwei Fremde spielen Eheleute. Oder besser: die Frau lässt sich auf dieses Spiel ein, weil man ihr sagt, sie habe keine Wahl – aber wem das Spiel nützt, wer es in der Hand hält, bleibt lange offen. Mit anhaltender Dauer der Täuschung jedenfalls verschwimmen die Grenzen: Ohne Vertrauen ist alles Fiktion, aber jede Fiktion, die praktisch wird, beginnt mit der alten Wahrheit zu konkurrieren, verwandelt sich in Wirklichkeit. Der Glaube mag Berge versetzen, aber ist es nicht der Wille zu glauben, der den Berg erst erschafft? Ein neuer Lieblingsfilm.


Elena Rufanova

MOLOKH (Aleksandr Sokurov, Russland 1999)

Der beste Film über Hitler ist die hysterische Komödie eines russischen Esoterikers. Sokurov entstellt das Theater der Macht zu lächerlicher Kenntlichkeit, richtet die Erzählung dabei aber so kippelig ein, dass der Schrecken immer nur einen Schubs entfernt ist. Einer der seltenen Fälle, in dem die Konzentration auf den „privaten” Hitler nicht auf relativistische Abwege führt. Der ungewöhnliche Fall auch, in dem der Abstand zwischen dem deutschen Synchronton – nach originalen Gesprächsprotokollen – und dem (gestisch-artikulativ anders gelagerten) russischen Spiel ästhetisch Sinn macht: die „Fremdsprache der Unmenschlichkeit” wirkt übersprochen noch schärfer. 



BLOKADA (Sergei Loznitsa, Russland 2006)

Eine Elegie über die Blockade von Leningrad. Loznitsa hat die Aufnahmen, die den Niedergang des städtischen Lebens (und damit das Kriegsverbrechen der Deutschen) dokumentieren sollten, mit großer Zurückhaltung aus dem Rahmen offizieller Erinnerung gehoben. Seine Montage interessiert sich für Zustände, für die sich verlangsamenden Rhythmen, die Agonie. Die Neuvertonung des stummen Originalmaterials hat großen Anteil an der Wirkung des Films: für eine Weile erscheinen die Töne realistisch, bis auffällt, dass es keine Stimmen gibt. Die Stadt tönt, die Schlitten und Karren knirschen, aber die Menschen bleiben stumm. Loznitsa organisiert das Material dabei in metaphorischer Folgerichtigkeit (nicht gegen die Chronologie, aber unabhängig von ihr). Wie in den Stationen eines Kreuzwegs sehen wir dem Tod immer direkter ins Gesicht. Das ist mitunter sehr schwer zu ertragen. Es spricht für Loznitsas historisches Bewusstsein, dass er den Film denkbar bitter nicht mit dem Feuerwerk der Befreiung, sondern der Wiederaufnahme der Vollstreckung von Todesurteilen enden lässt, dem blutigen Alltag der Stalinzeit. 

24 November, 2015

Tankred Dorst zum 90. Geburtstag

© Franzi Kreis


Zum ersten Mal in Berührung gekommen bin ich mit seiner Arbeit auf dem Schulweg. Der führte mich täglich am Kleinen Spiel vorbei, einer Marionettenbühne, für die Dorst in seinen Anfängen Stücke geschrieben hat. A TRUMPET FOR NAP habe ich dort gesehen zum Beispiel.

Viel später erst, an der Filmhochschule, habe ich seine Filme entdeckt. MOSCH und vor allem EISENHANS sind damals wichtige Filme für mich geworden. Aber es war sein Debütfilm, KLARAS MUTTER, der mich nicht mehr losgelassen hat. Die Präzision der Charakterzeichnung, seine erzählerische Schärfe und Schönheit machen den Film zu einem kostbaren (und bis heute beinahe unbekannten) Findling der deutschen Filmgeschichte. Ich bin immer noch stolz darauf, dass wir den Film in der Revolver DVD Edition herausbringen konnten.

Zu meinem Glück habe ich Dorst dann im Zuge eines Hochschulprojektes kennengelernt. Bis heute verbindet uns eine Freundschaft, in der Geselligkeit und Debatte ihren Platz haben. Gelegentlich lesen er und Ursula Ehler – seine Schreib- und Lebenspartnerin – Filmentwürfe von mir, und sind viel zu gnädig. Manchmal spiele ich Vermittler zur Gegenwart. Aber das ist nur selten nötig: Wer mit beinahe Neunzig noch einmal die Stadt wechselt, weil in Berlin eben mehr los ist – hat genug Beweglichkeit bewiesen.


Zum 90. Geburtstag – die Anlässlichkeit ist Tankred Dorst zwar immer lästig, aber schön ist es doch – veranstalten die Berliner Festspiele am 6.12.2015 eine Hommage, an der ich auch teilnehmen werde.

Das Interview, das ich und Nicolas Wackerbarth mit Dorst und Ehler 2008 geführt haben (im Rahmen eines Revolver Live an der Berliner Volksbühne), kann man ab sofort hier nachlesen. Erinnern möchte ich auch an Heike Hursts schöne Einführung in Dorsts filmisches Werk, die wir dort (wieder-) veröffentlicht haben.

Lieber Tankred, „wer lebt, der stört”, hast du geschrieben. Sei so lieb und stör uns noch ein bisschen länger. Erzähle weiter, jetzt erst recht. Und bleib gesund. Auf bald und alles Gute,

Christoph


Trauriger Nachtrag: 
Am 1.06.2017 ist Tankred in Berlin gestorben. Er war mir - zusammen mit seiner Frau Ursula Ehler, die ihm in Kunst und Leben symbiotisch verbunden war und der mein ganzes Mitgefühl gilt - ein leuchtendes Vorbild vor allem in der Art, der Welt und den Menschen mit freundlicher Neugier zu begegnen. 

09 November, 2015

DVD



Mein Film DIE LÜGEN DER SIEGER erscheint am 3.12.2015 auf DVD und VoD. Den Audiokommentar habe ich im Oktober zusammen mit Florian David Fitz aufgenommen. Englische Untertitel gibt es auch.

An den Grenzen



Über Werner Herzogs jüngere Arbeiten ist ein neues Buch erschienen, Ergebnis eines Symposiums (2012 ausgerichtet vom Einstein-Forum), an dem ich auch teilgenommen hatte. Mein – ganz kurzer – Redebeitrag findet sich auch in dem Band.

05 November, 2015

50 Lieblingsfilme

Auf meiner Liste: Joseph Loseys MONSIEUR KLEIN (Frankreich 1975).

Heute startet LaCinetek, ein neues Streamingportal, das sich als eine „Kinemathek der Filmemacher” versteht und die „wichtigsten Filme des 20. Jahrhunderts” preiswert zugänglich machen will – vorerst leider nur in Frankreich. Zum Auftakt haben Olivier Assayas, Jacques Audiard, Bertrand Bonello, Bong Joon-ho, Laurent Cantet, Costa-Gavras, Arnaud Desplechin, Jacques Doillon, Pascale Ferran, Christophe Gans, James Gray, Michel Hazanavicius, Jean-Pierre Jeunet, Cedric Klapisch, Hirokazu Kore-Eda, Patricia Mazuy, Luc Moullet, Cristian Mungiu, Lynne Ramsay, Christian Rouaud, Ira Sachs, Céline Sciamma, Bertrand Tavernier, Agnès Varta, Apichatpong Weerasethakul und ich jeweils 50 Filme ausgewählt. Meine Liste findet sich hier


(Zu Ophüls' MADAME DE ... und Antonionis L'ECLISSE habe ich ausserdem einen kleinen Kommentar aufgenommen, den man auch von hier aus ansehen kann)

16 Oktober, 2015

„Es funktioniert!”

Foto: © Katrin Eißing

Was macht die Qualität eines Filmes aus? Im August hatten Jutta Brückner, Frédéric Jaeger, Claudia Lenssen, Wilfried Reichart und Bettina Schollere Filmkritiker und -praktiker eingeladen, über diese Frage nachzudenken (meine Antwort kann man hier nachlesen).

Am Freitag, den 6.11.2015 (Akademie der Künste, Pariser Platz, 18 h) sollen nun die Ergebnisse präsentiert und diskutiert werden. „Es funktioniert!” wird der Abend heissen, mit Wortmeldungen von Robert BramkampJutta BrücknerDietmar DathMahelia HannemannKatharina HochfeldFrédéric JaegerClaudia LenssenKatja RiemannRigoletti/Marion PfausWilfried ReichartOskar RoehlerKatrin SchlösserBettina Schoeller-BoujuLukas Stern, Tatjana TuranskyjMichael Wedel. Unter der Überschrift „Cinephiles Begehren” werde auch ich einen kurzen Beitrag beisteuern.

10 Oktober, 2015

Adam Curtis im HAU1


Am Freitag, den 30. Oktober 2015 mache ich zusammen mit Nicolas Wackerbarth ein neues Revolver Live, um 19.30 h im HAU1. Zu Gast ist Adam Curtis. Thema ist die Unsichtbarkeit moderner Macht. Curtis wird eine Einführung geben und – ähnlich wie er das auf seinem schönen Blog immer wieder macht – einige Clips zeigen, die seine Thesen beispielhaft illustrieren. Danach wollen wir mit ihm darüber diskutieren, wie sich das Erzählen im Zeitalter der Algorithmen verändern muss, um zu einer neuen Sichtbarkeit zu gelangen. Im Anschluss (21.30 h) ist Curtis' jüngster Film BITTER LAKE (2014) zu sehen.

Am Samstag geht es weiter mit dem vierteiligem Essay THE CENTURY OF THE SELF (2002), über den Curtis mit Mark Fisher (zwischen Teil 2 und 3) sprechen wird.

07 September, 2015

Les Amitiés Invisibles & Lavant & Walbrook

Am 27. September werde ich LES AMITIÉS INVISIBLES, wie DIE LÜGEN DER SIEGER in Frankreich heisst, in Marseille zeigen; er ist dort als Abschlussfilm von Kino Visions zu sehen, einem (neuen) Festival für den deutschsprachigen Film



    
    Florian David Fitz, Lilith Stangenberg in DIE LÜGEN DER SIEGER.

Am 10. Oktober bin ich dann in Paris, einmal, um den Film (vor seinem regulärem Kinostart am 18. November) dem Pariser Publikum vorzustellen (im Rahmen der 20. Ausgabe des Festivals du Cinéma Allemand, im Cinéma L'Arlequin, 19 h), aber vor allem, um mich in einem Revolver Spezial Paris * zwei komplementären Ausnahmeschauspielern zu widmen: Denis Lavant und Adolf Wohlbrück/Anton Walbrook (1896-1967). 



    
    Denis Lavant in BOY MEETS GIRL, HOLY MOTORS.

Lavants Spiel oszilliert zwischen Archaik und Punk; als brute force ist er synonym mit den Filmen von Carax (BOY MEETS GIRL, MAUVAIS SANG, LES AMANTS DE PONT-NEUF, HOLY MOTORS), aber auch in Claire Denis' Legionärs-Ballett BEAU TRAVAIL oder Harmony Korines MISTER LONELY hat er einen starken Eindruck hinterlassen. In einem Revolver Live! (Cinéma L'Arlequin, 11 h) werde ich ihn zu seiner Arbeit, seiner Methode befragen. An meiner Seite: die deutsche Schauspielerin Sandra Hüller, der ihrerseits eine Veranstaltung gewidmet ist.



    
    Anton Walbrook in THE RED SHOES, LA RONDE.

Wohlbrück/Walbrook war ein unnachahmlicher Melancholiker der Verführung. Früh festgelegt auf den eleganten Aussenseiter, den exzentrischen Künstler, dessen Verfeinerung mitunter in Perversion umschlägt, hat er es als einer der ganz wenigen deutsch-jüdischen Schauspieler geschafft, dem NS-Regime zum Trotz seine Karriere ausserhalb Deutschlands fortzusetzen, und das in drei Sprachen: in England brillierte er in Filmen von Powell & Pressburger (THE RED SHOES, THE LIFE AND DEATH OF COLONEL BLIMP) und Thorold Dickinson (GAS LIGHT, QUEEN OF SPADES), in Frankreich spielte er u.a. bei Max Ophüls (LA RONDE, LOLA MONTEZ). 

Nach der Vorführung von Max Ophüls' großem LA RONDE (Cinéma L'Arlequin, 13.30 h), in dem Walbrook den Erzähler gibt (eine Figur, die in der literarischen Vorlage fehlt) wird der Filmhistoriker und -Kritiker Pierre Eisenreich eine biografische Einführung geben. Danach wollen wir – auch anhand von Video-Beispielen – über Walbrooks charakteristisches Spiel sprechen.

Vielleicht sehen wir uns? Ich würde mich freuen.


*) Der Schwerpunkt Schauspiel geht zurück auf die Initiative der unvergleichlichen Gisela Rueb (Goethe Institut Paris)!

26 August, 2015

Zwei Stimmen aus Wien:

Seit 21.08.2015 läuft mein Film DIE LÜGEN DER SIEGER in einer Handvoll österreichischer Kinos, im Verleih der Thim Film. Erfreulicherweise können Andrey Arnold (Die Presse) und Michael Pekler (Standard) dem Film einiges abgewinnen.

25 August, 2015

Molokh


Am Donnerstag, den 03.09.2015 um 21 h zeige *) ich auf Einladung des City Kino Wedding einen Lieblingsfilm der 90er Jahre, Aleksandr Sokurovs MOLOKH (1999).
Danach werde ich ein paar Worte sagen zum Film. Ich freue mich, wenn ihr kommt.
Christoph
*) leider nur von DVD. 

06 August, 2015

Was macht die Qualität eines Filmes aus?

... fragen Jutta Brückner, Frédéric Jaeger, Claudia Lenssen, Wilfried Reichart und Bettina Schollere.


Wenn ich versuche zu formulieren, was einen „guten” Film für mich ausmacht, komme ich auf drei zentrale Kriterien:

- Persönliche Perspektive:
Ich will Filme sehen, die einer individuellen Erfahrung und Sensibilität entwachsen, Filme, die eine/n Filmemacher/in spüren lassen, der für ihre/seine Sicht auf die Welt einsteht.

- Formale Herausforderung:
Ich will Filme sehen, die ihre Form im Kontext der Film- und Zeitgeschichte reflektieren, Filme, die es in dieser Form noch nicht gegeben hat, nicht geben konnte. In der neuen Form soll sichtbar werden, was zuvor nicht adressierbar, im Nebel des Unbewussten formlos war. Gegenwart.

- Thematische Relevanz:
Ich will Filme sehen, die mich betreffen, als Mensch und Bürger; Filme, die meine vitalen Interessen berühren. 

(Das sind im seltensten Fall die „staatspolitisch wertvollen”, „wichtigen” Themen, die oft wie Mehltau auf dem deutschen Kino liegen, aber eine engere Definition dessen, was „relevant” ist, oder sein könnte, muss ich schuldig bleiben; relevant ist im Zweifel, was die Filmemacher zu einem persönlichen und formal herausfordernden Werk inspiriert, um hier meine Argumente von oben kurz zu schließen.)

Vielleicht könnte man noch einen vierten Punkt hinzufügen:

- Kulturelle Spezifik:
Ich will Filme sehen, die sich in einem konkreten kulturellen Kontext situieren, Filme, die sprachlich und geografisch nicht beliebig sind.




Film ist eine soziale Kunst und verwirklicht sich in der Wahrnehmung. 

Die Qualität eines Filmes kann nur spontan und persönlich bestimmt werden, aber in der Summe vieler vorläufiger Urteile bildet sich nach und nach eine Art Resonanzbild heraus, und verfestigt sich. 

Meinem Gefühl nach stehen sich Breitenwirkung und Wirkungstiefe im deutschen Film zu oft unversöhnlich gegenüber.

Kriterien wie die oben genannten werden sich nie letztgültig objektivieren lassen, aber sie könnten der notwendigen Diskussion Struktur geben.

In einem weiteren Schritt könnte man versuchen, die Qualitätsmerkmale zweiter Ordnung (die im Netz und auf Papier öffentlich werden) in einem „Korb” zu bündeln, etwa um eine Referenzförderung zu begründen. 

In einem solchen „Korb” könnten neben Kritikerwertungen, Zuschauerzahlen, Festivalteilnahmen und Preisen auch Nennungen eines Filmes in Fach- und Publikumsforen einfließen (also eine Art most viewed/most commented/most rated/best rated/most mentioned).

Meiner Meinung ist nichts so qualitätsfördernd wie Vertrauen. Das Prinzip Referenzförderung – Vertrauen auf Basis erbrachter Qualität - könnte für meinen Geschmack weite Teile der Förderlogik bestimmen.

10 Juli, 2015

Berlínská škola


Vom 28.-30.07.2015 bin ich zu Gast in Uherske Hradiste (Tschechische Republik), im Rahmen einer „Berliner Schule” Werkschau.

28 Juni, 2015

City Kino Wedding


Am Donnerstag, den 16.07.2015 um 21 h begleite ich DIE LÜGEN DER SIEGER ins schöne City Kino Wedding, um nach der Vorstellung mit dem Publikum zu diskutieren. Wenn alles klappt, werden auch Ulrich Peltzer (Buch), Ulrike Müller (Besetzung), Reinhold Vorschneider (Kamera), Stefan Stabenow (Montage) und Benedikt Schiefer (Musik) mit von der Partie sein.

Übrigens ist seit dem 2.07. im Berliner Central Kino eine Englisch untertitelte Kopie im Einsatz.

20 Juni, 2015

Skandal:

Für die Berliner Gazette habe ich einen kleinen Text zur Logik des Skandals geschrieben.

Drei Termine:

Am 25.06.2015 werde ich zusammen mit Pierre Gras und Romuald Karmakar im Berliner Institut Français über „über die Besonderheiten der deutschen Filmlandschaft im internationalen Vergleich” sprechen. Anlass ist das Erscheinen von Pierre Gras' Buch über das jüngere deutsche Kino.

Am 7.07.2015 bin ich zu Gast beim Netzpolitischen Abend der Digitalen Gesellschaft, um über die (Un-) Sichtbarkeit moderner Macht als filmisches Problem zu sprechen. 

Am 8.07.2015 diskutiere ich mit Ulrich Sonnenschein über meinen Film DIE LÜGEN DER SIEGER im Filmmuseum Frankfurt, im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Was tut sich - im Deutschen Film?”

13 Juni, 2015

Sie lieben ihn ...



... von Herzen:


„Hochhäuslers ästhetische Souveränität findet in DIE LÜGEN DER SIEGER einen neuen Höhepunkt: Ohne Vorbehalte gegenüber Genre und dessen Überschuss erzählt er hier im Modus der Veruneindeutigung von einer sich langsam herauskristallisierenden Wahrheit, die unter den Mechanismen der politischen und journalistischen Kultur kaum ans Tageslicht dringen kann. Die von Reinhold Voschneider meisterlich fotografierten filmischen Räume sind unübersichtlich und verspiegelt, geradezu hypnotisierende Lichtreflexe verstärken die trotz aller Aufklärungsarbeit sanft ins Irreale entrückte Atmosphäre, die sich als Allegorie auf einen Medienbetrieb lesen lässt, dem zusehends die Perspektive aufs große Ganze abhanden kommt.” Thomas Groh, Indiekino


”Die Arbeitsabläufe mittels Monitoren, Tastaturen und Papieren – ein Mobile wechselnder Einblicke, hineinwehender Sätze – halten nicht fest, was sie ins Bewusstsein rufen; alles dreht sich wie auf Walzen, immer greift etwas ins Denken ein; wie bei einer Frequenzverschiebung ist da plötzlich ein Moment aus einem völlig anderen Film (Richard Brooks‘ „Deadline“): Das versetzt einen in Trance und in ein Fühlen, obwohl es vielleicht nichts zu fühlen gibt. Oder ganz anderes zu fühlen gäbe. Bis ein Bild bleibt, das keineswegs die Wahrheit ist.” Silvia Szymanski, Hard Sensations

„Zunächst einmal verfangen die Bilder. „Die Lügen der Sieger” verschlägt einem weniger wegen des Sujets die Sprache als wegen der traumwandlerischen Atmosphäre des Films, wegen des hypnotischen Flows aus Licht und Schatten, Schärfe und Unschärfe. Nachtbilder, Überwachungs-Bilder, Glasfassaden, Lichtreflexionen, Schlieren, Überblendungen, verzeichnete Konturen, keine Übersicht, nirgends. Die Macht ist obskur, die Wirklichkeit aus dem Fokus geraten, fragmentiert und entmenschlicht – und sie sieht wunderschön aus dabei. Eine derart stilsichere, das Geschehen wachsam scannende Kamera (Reinhold Vorschneider), eine derart superbe Montage (Stefan Stabenow) sind selten im deutschen Kino.” Christiane Peitz, Tagesspiegel

Einerseits frustriert Hochhäuslers Methode, beständig auf Details einer Realität zu verweisen, ohne diese in einen schlüssigen, als unsere tatsächliche Gegenwart erkennbaren Zusammenhang zu bringen. Andererseits schafft er auf diese Weise eine Atmosphäre, die anders mitnimmt, als es ein spannender Plot etwa über die aktuelle "Nasarbajew-Connection" je könnte. Naturalistische Dialoge, die absichtsvoll "nicht erklärend" gehalten sind, bilden zusammen mit den eingeblendeten Berliner-Straßen-Impressionen und einer Kamera (Reinhold Vorschneider), die Parallelfahrten bevorzugt, einen faszinierenden Mix aus Künstlichkeit und Realismus. Ein verwirrendes Spiel mit Innen- und Außenperspektive, bei der viel von außen in Fenster hinein und von innen aus Fenstern heraus gefilmt wird, evoziert die Allgegenwärtigkeit eines Sehens, das nicht gesehen wird.” Barbara Schweizerhof, taz


Die Lügen der Sieger ist also ein seltsam beängstigender Film: Man sieht in einem untergehenden Medium, dem Autorenkino, einer Geschichte zu, die von einem Medium im Augenblick seines Untergehens handelt – dem Enthüllungsjournalismus. In zwanzig Jahren werden die Jungen wohl mit beidem nichts mehr anfangen können. Aber es ist schön, dass sich Hochhäusler nicht davon abhalten ließ, seinen hellsichtig-resignativen Film zu drehen.” Peter Praschl, Welt am Sonntag


„Aber wer überwacht hier eigentlich wen? Natürlich spähen die Lobbyisten die Journalisten mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln aus. Aber auch die Szenen in den Büros und den Restaurants der Macht sind von diesen Überwachungsbildern geprägt. Die Verschwörung umfasst längst schon alle. Der Glaube, es gäbe die eine oder andere Seite, die jeder einzelne für sich wählen kann, ist in Hochhäuslers düsterem Panorama unserer heutigen Wirklichkeit nichts als eine Illusion. Ein Entkommen aus den Verstrickungen des modernen Lobbyismus scheint nahezu unmöglich. Fazit: Mit „Die Lügen der Sieger“ ist der Politthriller, dieses Vorzeigegenre des Kinos der 1970er Jahre, im 21. Jahrhundert angekommen.” Sascha Westphal, Filmstarts / epd film


Hier steht also immer auch die Frage im Raum: Worin besteht der Dienst, den der Journalist als Ermittler der Öffentlichkeit erbringt? Was will der Ermittlende sehen? Was will er als Wahrheit zulassen? Auch Bilder, wie sich in “Die Lügen der Sieger” zeigt, können diese fundamentalen Fragen der Journalismus-Philosophie aufwerfen. Hochhäuslers Bilder lösen sich auf, verschwimmen, werden von kühlen Lichtströmen durchzogen und vollführen immer wieder Wischbewegungen, wie man es von der Nutzung des Tablet-Computers her kennt. So wird sinnlich erfahrbar, was ein Ort weitreichender Veränderungen ist: die Nicht-Wissensgesellschaft.” Krystian Woznicki, Berliner Gazette


„If Hochhausler’s aim was to make a sexy, clever, thought-provoking arthouse genre movie, he’s certainly pulled it off. There are shades of Polanski’s The Ghost Writer here, but in fact this good-looking film’s core theme – the frustrations of serious, investigative news reporting in an age when budgets are tight, legal challenges rife and targets increasingly media-savvy – is more reminiscent of Season 5 of The Wire, as created by David Simon, whose terse summary of that wrap season could well serve as a logline for this Berlin-set drama: “it’s about what stories get told and what don’t and why it is that things stay the same.”” Lee Marshall, Screen International


”Inszenierung und Kamera sind von bestechender Eleganz. Mehr noch als in "Unter dir die Stadt" werden die Figuren immer wieder durch spiegelnde Scheiben gefilmt, wodurch die rastlosen Bemühungen der beiden Protagonisten etwas seltsam Entrücktes bekommen. Gespräche werden oft nicht in Schuss und Gegenschuss aufgelöst, sondern die Kamera gleitet über die Gesichter der Figuren oder zwischen diesen hin und her, wobei der Fluss von abrupten Schnitten unterbrochen wird. Die Agentur, in der sich die Lobbyisten organisieren, wird in bläulichem Licht gehalten. Einmal ist ihre Büroetage von außen zu sehen, ein unheimliches Zentrum der Macht inmitten des anonymisierten urbanen Raumes. Bei einem Gespräch von einem von ihnen mit einem Minister verhindert die Lichtsetzung, dass man die Gesichter ganz erkennen kann. Die beiden werden zu albtraumhaften Schattengestalten.” Nicolai Bühnemann, Filmgazette


„Das Resultat erinnert in seiner Unbestimmtheit atmosphärisch an Antonionis „Blow up“, was in der Kombination mit Sphären des Politischen und der Öffentlichkeit schlüssig und auf der Höhe der Zeit erscheint, dem Zuschauer aber eine forcierte Verunsicherung zumutet. Selbst das ohnmächtige Mitansehenmüssen der Ermordung des Protagonisten in klassischen Polit-Thrillern hatte immerhin noch das Scheitern einer zutreffenden Recherche auf der Habenseite. Der potentiell aufklärerische Impuls blieb letztlich intakt und wurde an die Zuschauer weitergereicht.” Ulrich Kriest, Filmdienst


„No badges are flashed, there are no guns, no arrests. Victors is a reminder that democracies are dysfunctional at best without a robust press and yet, as the editor of Die Woche notes, the magazine’s heyday lies in the distant past. Resources are thin and growing thinner. Most crucially, Hochhäusler keeps Victors honest. Berlin, even as marvelously shot as it is by cinematographer Reinhold Vorschneider, looks like Berlin, neither a romanticized metropolis nor a noirish underworld. The pace is quick but decisive moments aren’t unrealistically bled for the sake of suspense.” David Hudson, Keyframe Daily


„...gutes, altes, großes Kino auf der Höhe der Zeit (...) ein mit ausladenden Kamerabewegungen souverän hingestellter und musikalisch kongenial unterstrichener Politthriller aus der deutschen Gegenwart, in dem sich ein ambitionierter Magazinjournalist (...) im Netz einer Intrige verfängt. Isabella Reicher, Der Standard


„Pures Genrekino, Abteilung Thriller (...) Hochhäusler geht es nicht um die strenge Politkeule, sondern um einen Film, der sich mit den Widersprüchen des Prinzips „Öffentliche Meinung” beschäftigt. „Die Lügen der Sieger” erzählt von den Wegen und Irrwegen, auf denen Meinungen sich heute bilden und gesteuert werden.” David Steinitz, Süddeutsche Zeitung


„Man kann dem Film (...) vorwerfen, dass er die Geschichte, der das Reporterduo Groys und Nadja nachspürt, mehr und mehr aus den Augen verliert – weil er den Kinozuschauer, statt ihn mit einer Krimiauflösung zu beruhigen, lieber mit einer Lektion über das Misstrauen zwischen Menschen und über die Verbrecherrolle der Politiklobbyisten aus dem Zuschauerraum entlassen will. Zum Glück begreift Hochhäusler den Beruf des Regisseurs dann doch weniger als Job eines Predigers denn als Mission eines Visionärs. Für eine Welt, die alles in allem ein Löwenkäfig ist, wie uns dieser Film weismachen will, findet „Die Lügen der Sieger” nicht nur finstere, sondern auch verblüffend schöne Bilder.” Wolfgang Höbel, Der Spiegel


Die Story, an der sich Groys und Nadja entlanghangeln, ist aktuell, sie ist relevant; und sie ist manipuliert, man weiß es, man sieht es, wie die Lobbyisten die Journalisten zu ihren Marionetten machen, und obwohl, nein: weil man es weiß, erfüllt Hochhäusler die Vorgaben an Spannung und an Enthüllung über die Verhältnisse, die ein Politthriller, wenn er denn tatsächlich als solcher gelten möchte, erfüllen muss: dem Zuschauer die Augen öffnen, ohne sein Unterhaltungsbedürfnis zu hintergehen.” Harald Mühlbeyer, Kino-Zeit.de 


„Sowas kann doch kein richtiger Politthriller sein? Vielleicht, aber gerade das macht "Die Lügen der Sieger" so spannend. Wenn die Lobbyisten hinter Glasfassaden tagen, mag das nach Transparenz aussehen, das Gegenteil ist der Fall. Wenn Fabian sich mit seinem Gewährsmann im Park trifft, wähnt er sich verschwiegenen Fakten auf der Spur, dabei ist er selbst es, der überwacht wird. Wenn er das Handy ablegt, werden sofort seine Daten gezogen, und der Rechner in der Redaktion ist sowieso manipuliert. Kameramann Reinhold Vorschneider findet flirrende Bilder für die permanente Bedrohung im modernen Überwachungsstaat und sprechende Kontraste für die Spielerwelten, in denen Fabian sich bewegt” Gabriele Schoder, Badische Zeitung


„...inszeniert Hochhäusler mit beunruhigend ungewöhnlichen Perspektiven, raffiniert kribbelig machendem Soundtrack und unruhigem Schnitt. Während US-Thriller mit ähnlichem Sujet („Staatsfeind Nr. 1") mit einem Overkill an Überwachung und Tricks beeindrucken, es aber am Ende alles wieder gut sein lassen, bleibt hier eine tiefe Verstörung. Die Irritation im Detail verwebt sich mit einer hinterhältigen Geschichte zu einem ungewissen Gefühl, dass da draußen Einiges ganz und gar nicht stimmen könnte. So ein Antiklimax, wirkungsvoller als das übliche Happy End, erfordert Mut und Können. Hochhäusler beweist wieder einmal beides.” Günter H. Jekubzik, FILMtabs


Eine Figur, wie das Genre-Kino sie braucht: charismatisch, arrogant und mit seelischen Abgründen. Und: Die Hauptfigur des besten deutschen Polit-Thrillers seit Jahren. 

"Die Lügen der Sieger" von Christoph Hochhäusler ist so großartig, weil er Genre-Erwartungen ernst nimmt. Und sie dann, wie alle intelligenten Polit-Thriller, unterläuft. Zum Helden bringt es dieser Fabian Groys nämlich nicht. Die Zeiten, in denen Reporter Polit-Skandale aufdeckten und damit die Demokratie retteten - wie in dem Klassiker "Die Unbestechlichen" von 1976 - sind hier längst vorbei. Zu unübersichtlich und fragmentiert der politische Raum, zu undurchsichtig die Motive der Handelnden, zu viele Unbekannte im Spiel.” Oliver Kaever, Spiegel Online


...mit Schmerzen:


Hoch­häusler komplexer, hervor­ra­gend gefilmter Film inter­es­siert sich dafür, wie man Eindrücke zu einer Erzählung verdichtet, für Wirk­lich­keit als Konstruk­tion. Der Regisseur stellt die Frage, was eigent­lich wirklich ist? Man kann ihm vorwerfen, dass es Wahr­heits­an­sprüche allzu leicht­fertig preisgibt, dass er mit dieser sehr allge­meinen Form der Kritik feine, aber entschei­dende Unter­schiede eher verwischt, und der Paranoia des Publikums auch Vorschub leistet, dass sein Gegen­ent­wurf auf die Aussage hinaus läuft, dass man nichts mehr glauben soll, was in der Zeitung steht.” Rüdiger Suchsland, Artechock


„Man möchte Florian David Fitz und Lilith Stangenberg schütteln, um ihnen die Energie einzuverleiben, die ihnen Drehbuch und Regie nicht geben können – während die Nebenfiguren allesamt elektrisieren. Umso erstaunlicher ist es, dass ein Film, dessen wichtigste Gestalten sich nicht mit Leben füllen, dennoch so intensiv in Erinnerung bleibt. Das mag, wie gesagt, an der überragenden visuellen Gestaltung, an Schnitt und Kamera liegen. Aber auch am geradezu tragischen Scheitern des Helden.” Katja Nicodemus, Die Zeit


„Doch diese etwas zu konstruierten Momente verblassen hinter den Qualitäten eines Films, der es wie kaum ein anderer deutscher Film der letzten Jahre wagt, sich mit der politischen Gegenwart zu befassen und zu zeigen, dass auch die deutsche Wirtschafts- und Politelite nicht vor Machtmissbrauch und korrupten Methoden zurückschreckt. Und vor allem, dass auch das deutsche Kino dazu in der Lage ist, einen packenden Polit-Thriller zu drehen.” Michael Meyns, Programmkino.de


„Im Rahmen dessen, was man nicht mehr „Berliner Schule” nennt, ist Hochhäuslers Film insofern etwas Besonderes, als er nicht auf stilistische Reduktion setzt, sondern auf die autonome Ausformung und Differenzierung seiner Bestandteile. Am auffälligsten betrifft das die Kameraarbeit von Reinhold Vorschneider: Immer wieder anders werden Dialoge aufgelöst; Schuss und Gegenschuss sind seltene Ausnahmen; häufiger zieht die Kamera von links nach rechts an zwei Sprechern vorbei, um nach einem Schnitt wieder an derselben Stelle mit derselben Fahrt zu beginnen (...) Autonom entwickelt sich auch die wunderbare Filmmusik von Benedikt Schiefer – leider hört man derart moderne und expressiv vielfältige Klänge viel zu selten. Autonom schliesslich – und das ist wirklich kurios – stehen die Figuren der Handlung gegenüber, und spätestens damit wird der Film schwer auffassbar.” Peter Uehling, Berliner Zeitung


A very spatially attuned director, Hochhäusler makes the viewer acutely aware of Berlin in general and the specific physical structures of each scene, letting the camera lingeringly explore a hanger or spin around a car – the camera sometimes seems more interested in setting than characters. But more than physical structures, or individuals, Hochhäusler seems interested in large-scale economic structures and how vulnerable our system makes us to the deceptions of states and major corporations.” Joe Blessing, Stagebuddy


„Hochhäusler ist im deutschen Kino eine Ausnahmeerscheinung: ein Filmemacher, der in Bildern denkt und das Kino tatsächlich noch als Erzählmedium versteht. Seine Kinobilder fungieren nie als Beweisketten, die lediglich plot points verbinden, vielmehr erschließen sie gesellschaftliche Zusammenhänge erst. (...) Doch so überzeugend Hochhäuslers Inszenierung von den klandestinen Herrschaftsverhältnissen auch ist, es hapert in „Die Lügen der Sieger” vor allem an der Erzählmatrix. Als procedural im Stil des Watergate-Thrillers „Die Unbestechlichen” oder der HBO-Serie „The Wire” interessiert sich der Film zu wenig für die journalistische Arbeit. Karikaturenhaft klingen die Dialoge zwischen Starreporter Groys und seinem Chef, peinlich mitunter die Wortgefechte zwischen Groys und seiner Volontärin...” Andreas Busche, Konkret


„...dass es Hoch­häusler nicht nur um eine Kritik unserer wirt­schafts­po­li­ti­schen Realität und der Glaub­wür­dig­keit medialer Wahr­heiten geht, sondern auch um die Dekon­struk­tion des Genres Polit-Thriller: Da, wo gemeinhin das Tempo angezogen wird, verlang­samt Hoch­häusler; da, wo sonst Fakten stehen, gibt es plötzlich Leer­stellen und da, wo stan­dard­mäßig eine tiefere charak­ter­liche Schraffur erwartet wird, operiert Hoch­häusler mit dem Radier­gummi. Hoch­häusler schafft damit eine zusätz­liche, völlig über­ra­schende, höchst subver­sive und kluge Meta- und Refle­xi­ons­ebene und distan­ziert sich damit von im Ansatz ähnlichen und ebenfalls ambi­tio­nierten, poli­ti­schen Produktionen (...) Doch der Preis ist hoch, denn gleich­zeitig entzieht er seinem Plot damit die im Kern angelegte, pulsie­rende Kraft und die für einen enga­gierten, poli­ti­schen Film zwin­genden Iden­ti­fi­ka­ti­ons­ebenen.” Axel Timo Purr, Artechock


„Aber Hochhäusler schafft es, mit visuellen Mitteln von Beginn an eine Atmosphäre der Ungewissheit und latenten Bedrohung zu erzeugen. (...) Es sind solche Momente und Pointierungen, es ist das Gespür für gute Schauplätze, die man sogar in Berlin noch finden kann, es ist die ganze Bildsprache des Films, die immer wieder über die Schwächen des Plots hinweghilft.” Peter Körte, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung



... ein wenig:


„...Stereotype durch und durch, zwar bewusst stereotyp und sich des wissenden Zuschauers bewusst („ihr wisst, dass ich weiß, dass ihr jetzt ‚stereotyp‘ denkt“), aber die Frage „What’s the point?“ bleibt trotzdem im Raum. Denn für einen Durchbruch zu richtigen Genrefiguren sind sie dann doch noch zu realitätsverhaftet, wirken aber auch nicht wie Leute, die Genrefiguren imitieren, eigentlich sind sie vor allem erschöpft, und etwas blass. Wenn Fabian jedenfalls mitten im Arbeitsgespräch in Gedankenblitzen heiße Küsse mit Nadja imaginiert oder der Smalltalk an der Currywurstbude mit freejazzigen Klängen verfremdet wird, dann fühlt sich das ein wenig so an, als ob Hochhäusler seine eigene Filmsprache wie eine Fremdsprache spricht.” Maurice Lahde, critic.de


„Das große Problem von Die Lügen der Sieger ist letztlich, dass diese Bilder, diese Montage, diese Musik allesamt viel klüger sind als der Plot und das Drehbuch. Dieses Buch, das Hochhäusler zusammen mit dem Schriftsteller Ulrich Peltzer geschrieben hat, liebt die schwarz-weißen Gegensätze und weiß zu jedem Zeitpunkt, wie Gut und Böse verteilt sind; es ist grobschlächtig und besserwisserisch. Alles, was an den Bildern und Tönen fein und differenziert ist, die nervöse Spannung und diffuse Alarmbereitschaft, die von ihnen ausgeht, droht das Drehbuch tonnenschwer hinunterzuziehen. Schade.” Elena Meilicke, Der Freitag


„...hat auf visueller Ebene internationales Niveau. Kameramann Reinhold Vorschneider (...) kreiert mit dunklen Farben und schwachen Kontrasten eine wabernde Atmosphäre. Auch die Zuhilfenahme von Spiegelbildern, eingeschobenen Szenenmontagen sowie in der Position eines Voyeurs verharrenden Aufnahmen erhalten die paranoide Atmosphäre aufrecht. Hätte sich Hochhäusler auf das sukzessive Zustandekommen einer waschechten Skandalstory konzentriert, hätte «Die Lügen der Sieger» vermutlich sämtliche Chancen auf nationale Kritikerpreise. Doch leider versucht sich der Filmemacher an verschiedenen Ansätzen und nutzt Einschübe ob Fabians Spielsucht, um den dynamischen Filmverlauf noch weiter voranzutreiben. Leider ist genau das Gegenteil der Fall: Szenen, in welchem Groys‘ nächtliche Zockereskapaden zu einer besseren Einordnung von Fabians Seelenleben genutzt werden, hemmen das ansonsten schnörkellose Treiben und erfüllen darüber hinaus nicht einmal ihren Zweck.” Antje Wessels, Quotenmeter


„Although the film is too crammed with plot, which becomes unwieldy in the first half and could use some editorial tweaking, its themes gradually meld together as a hip newshound discovers he’s been led a merry dance during an investigation of slush funds and toxic-waste disposal. Damning the culture of lobbyists, as well as the way truth is circumvented or ignored when inconvenient, “Lies” gets bogged down by Hochhaeusler’s tendency to show off, yet remains a solid, absorbing drama that could see decent Euro returns.” Jay Weissberg, Variety


„It’s a fairly classic setup underlining the collusion between ministry and industry, although Hochhausler and co-writer Ulrich Peltzer throw a few bogies our way, giving the corporate baddies enough technical wizardly to take the upper-hand at almost every step. (...) While the story generally remains intriguing, even if the message is nothing new (i.e. Big Business = Satan), Hochhausler adds plenty of stylistic flourishes to keep up the pace, with DP Reinhold Vorschneider (The Robber) constantly pivoting his camera back and forth, or in 360° circles, to provide a flurry of movement in front of the lens.” Jordan Mintzer, The Hollywood Reporter


„Und das sieht wirklich recht gut aus. Hochhäusler, einer der Hauptvertreter der sogenannten Berliner Schule, kreiert einen international anmutenden Film, der trotz kühl entsättigter Farben weniger beengt daherkommt als für diese Schule üblich. An manchen Stellen ist der durch und durch pessimistische Film sogar fast leicht, gar fröhlich. Meist geht es dann um sexuelle Spannungen zwischen dem Reporter und der Volontärin. Das hält natürlich nicht lange an. Denn auch wenn der Regisseur „Die Lügen der Sieger” seinen ersten Genrefilm nennt, wird man doch immer wieder an seine Ursprünge erinnert.” Felix Zwinzscher, Die Welt



... oder gar nicht:

„Geschichte wird aus den Lügen der Sieger gemacht, Filme aus den Lügen der Regisseure. Aber sie müssen gut sein. Christoph Hochhäuslers Lügen wirken oft kokett, selbstbezogen, wie ein Buch, in dem die Fußnoten größeren Raum einnehmen als der Text. Hochhäusler kann einen Flur vor einem Konferenzsaal aussehen lassen wie den Gang eines Raumschiffs. Aber in der Welt jenseits des Flurs wirkt sein Film so unbeholfen wie ein Außerirdischer mit einem sehr großen Kopf und einem kleinen Körper. Er denkt wie ein Weltmeister. Und er spricht wie ein Schüler. Das ist nicht genug.” Andreas Kilb, Frankfurter Allgemeine


„Das Problem ist nun nicht, dass manche Szenen handwerklich einfach misslingen und die Zuschauer auf eine falsche Fährte führen. Das kann auch viel größeren Regisseuren passieren. Das Problem ist, dass diese Szene [der FB-Chat im Auto], die nichts entscheidendes erzählt und komplett verzichtbar wäre, in dem fertigen Film, wie er jetzt ins Kino kommt, immer noch drin ist. Und das ist dann der Moment, wo man am deutschen Kino wieder einmal verzweifeln möchte. Wir bräuchten Cutter in diesem Land, die solche Dinge bemerken und gar nicht erst durchgehen lassen. Wir bräuchten Produzenten mit der Macht, derart verunglückte Ideen aus einem Film hinauszuwerfen, selbst wenn der Regisseur sie verzweifelt verteidigt.” Tobias Kniebe, Süddeutsche Zeitung


„...Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht: Die Enthüllungen fügt Hochhäusler gar nicht schlüssig zusammen, ihn interessiert mehr, wie Medien zu Marionetten werden. Dafür geht er aber zu angestrengt locker und kühl verspielt vor, gleichzeitig zu abgehoben mit künstlich anmutender Kadrage. Das redet und filmt enervierend lange um den heißen Brei herum und tut sehr mysteriös-konspirativ. Zugleich bedient es sich fader Genre-Elemente, etwa Florian David Fitz (...) als verschuldeter Zocker und Einzelgänger. Das überflüssige Verhältnis mit seiner Volontärin ist der Qualität ebenfalls abträglich.” Gnaghi, Komm und Sieh


„An Nihilismus mangelt es Regisseur Hochhäusler also nicht, so offen er die Wirkung von Presse und Wahrheit lässt. Immerhin bestätigt er, dass Mächte mit nicht allzu ethischen Absichten hinter der Regierung lauern. Seine These hält sich aber oberflächlich; manch einer könnte ja auch am Spekulativen hadern, drum vermeidet er direkte Auflösungen der politischen Infrastruktur. Wer weiß, ob das simple narrative Konstrukt überhaupt mehr tragen könnte, wo es doch schon mit beinahe ironischer Unnatürlichkeit, Prävention und Trivialität gefüttert wird.” Christian Witte, Cereality.net


„Sehr schnell schiebt Autor und Regisseur Christoph Hochhäusler eine Demonstration des Filmemachens vor den Stoff. Die Kamera beobachtet Fabian und Nadja aus bizarren Blickwinkeln. Oder sie pendelt lange und aufdringlich zwischen ihnen, damit man sich auch ganz sicher an den Godard-Streifen erinnert, in dem das einmal bezaubert hat. Wenn Nadja mit rotem Kussmund und auf die Wagenfarbe abgestimmter Kleidung mit Fabian im Porsche durch Berlin gleitet, ist nur noch die Auratisierung eines längst vergangenen Kinos wichtig.” Tsch, Showbiz.de


Hollywoods Politthrillern gelingt es immer wieder, auch wilde Verschwörungstheorien plausibel erscheinen zu lassen. Hochhäusler aber hat, obwohl er die Stilmittel zitiert, nichts im Sinn mit dieser Art von Geschmeidigkeit. „Die Lügen der Sieger“ ist ein Film so voller Widersprüche, dass man beim Zuschauen kaum umhin kann, eigene Verschwörungstheorien zu entwickeln.” Daniel Kothenschulte, Frankfurter Rundschau


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Ich werde versuchen, die markantesten Stimmen hier (unregelmässig) nachzutragen. Die Einordnung zwischen „von Herzen” und „oder gar nicht” stammt von mir. Wer sich falsch eingeordnet fühlt, kann gerne Bescheid sagen.