12 Oktober, 2024

Labt sich die Kunst an ihrer eigenen Brust?


In der Mailänder Pinacoteca Ambrosiana bin ich an einem Gemälde von Giovanni Serodine (1600-1631) hängengebliebenDie Frau auf dem Bild – im Katalog schlicht als „allegorische Figur“ bezeichnet – presst einen Milchstrahl aus ihrer Brust und lenkt ihn in ihren Mund


Man könnte die Figur als Allegorie der Künste lesen *), die sich, – weil sie „brotlos” sind – selbst nähren müssen. Oft scheint die Freude der Künstler*innen an der Herstellung wirklich jene Vorzugsmilch zu sein, ohne die die Kunst nicht entstehen würde. 

Die Kunst um der Kunst Willen zu betreiben – „ars gratia artis“, wie es ausgerechnet bei MGM auf dem Schild steht – ohne auf Markt und Publikumsinteresse zu schielen, das ist natürlich gerade im Kino rar. Aber sollte man diese Selbstnährung feiern oder fordern? 

Im Zeitalter der sogenannten künstlichen Intelligenz stellt das Bild womöglich noch eine andere Frage: ist die Lust an der Schöpfung wichtiger als das Ergebnis? Ist das Kunstwerk lediglich Dokument eines – eben immer auch körperlichen – Prozesses der Wahrnehmung und Auseinandersetzung, nicht ihr Ziel? Kurz: Muss die Kunst durch uns hindurch gehen, um Kunst zu sein?

Die autonome Kunst kritisiert „durch ihr bloßes Dasein” einen Zustand, „der auf die totale Tauschgesellschaft sich hinbewegt”, in der alles nur für anderes da sei, schreibt Adorno, der die Künste in einer dialektischen Beziehung zwischen Engagement (im Sinne eines Weltbezugs) und l’art pour l’art (im Sinne einer Weltferne) sieht, wie ich bei Wikipedia lese.


*) Das Museum schreibt allerdings: „It has been suggested, for example, that this is an allegory of Melancholy, or of Science. However, it is probably Philosophy nourishing and feeding the various liberal arts”.

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