23 Juni, 2021

(Wieder-) Gesehen [15]

PEGGY SUE GOT MARRIED (Francis Coppola, USA 1986)

Obwohl oder weil Coppola für mich immer ein wichtiger Regisseur war, hatte ich einen Bogen um diesen Film gemacht – so geht es mir manchmal mit geliebten Regisseuren: ich will ihr „Andenken ehren”, indem ich mich an die „stabilen” Filme halte. Ich hatte gelesen, der Film sei „sentimental” und mitunter war er abfällig mit ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT verglichen worden. Zu Unrecht, wie ich jetzt weiß. Der Film beginnt etwas schleppend mit der Schilderung desillusionierter Mittvierziger, die sich zu einem Highschool-Reunion treffen. Aber kaum ist Peggy in ihre Vergangenheit katapultiert – eine Einladung, das jugendliche Selbst zu erleben, ohne aber die Perspektive der Gegenwart, das Wissen um das Scheitern ihrer Ehe usw., zu vergessen – erweist sich der Film als gewitzte und witzige Meditation über das Was-wäre-wenn im Angesicht gelebten Lebens. Vielleicht liegt es an meinem Alter, aber mich hat die Rückkehr zu den Weichenstellungen der Jugend sehr bewegt, und Kathleen Turner wie auch Nicolas Cage liefern beide riskante, tief empfundene Darstellungen.


SALVO (Fabio Grassadonia & Antonio Piazza, Italien 2013)

Der Film beginnt mit einem Überfall, der zur Attacke auf den Zuschauer wird, so realistisch wirken die Details. In Folge soll Salvo (Saleh Bakri) den Drahtzieher umbringen. Dieser Auftrag: das Auflauern, Warten und Töten, ist unglaublich dicht inszeniert, atemlos spannend. In gewisser Weise erholt sich der Film davon nicht mehr, und will es auch nicht. Was folgt, hat eine andere Tonart, schlägt um in ein Märchen vom Killer, der sich in sein Opfer verliebt. Diese Geschichte ist schon oft erzählt worden; es ist vor allem das „unwillige” Opfer, gespielt von Sara Serraiocco, mit dem der Film hier vom breiten Pfad der Vorbilder abweicht.



LA TAULARDE (Audrey Estrougo, F 2015). 

Ein harter, aufwühlender Gefängnisfilm, und zugleich das Porträt einer Frau, deren Unbedingtheit zu gleichen Teilen Zumutung und Inspiration ist. Sophie Marceau, die ich oft unterschätzt habe - obwohl sie zum Beispiel auch in Pialats POLICE fantastisch war - spielt mit einer Bestimmtheit und vulkanischen Wut, die ihresgleichen sucht. Wenn es in der Welt gerecht zuginge, würden Freunde des Genres in aller Welt über diesen Film sprechen, statt über so müde Testosteron-Schleudern wie BRAWL IN CELL BLOCK 99, über den mir jedes Wort verschwendet scheint.



WILD RIVER (Elia Kazan, USA 1960)

Verstörend - in der Art, wie hier Gewalt und Agonie der Südstaaten plastisch werden - und herzzerreißend in der Schilderung der Gefühle zwischen Entkommen-wollen und einer Zuneigung, die bedroht und bedrohlich ist. Lee Remick ist ein Wunder, man möchte ihr nach diesem Film ein Denkmal errichten. Große, tränenreiche Empfehlung.



PANIC IN THE STREETS (Elia Kazan, USA 1950)

Ich dachte immer, ich sei kein Kazanianer, aber offenbar habe ich nur die falschen Filme gesehen. Dieser spannende, ausgesprochen düstere noir über die „Kontaktverfolgung“ eines Mordopfers, das nicht an, aber mit der Pest gestorben ist, ist Kazans respektableren Klassikern weit überlegen, finde ich. Die Intensität, mit der Palance einen kleinen, völlig verkommenen Gangster spielt, dessen manipulative Tricks ebenso offensichtlich wie wirksam sind, muss man gesehen haben. Und Widmark, ein unterschätzter Schauspieler, der auch in positiven Rollen etwas beunruhigend toxisches hat, ist magnetisch als Arzt, der zusammen mit der Polizei nach Wegen sucht, die Infektionskette zu unterbrechen. Ein Film, der mich nicht nur in seiner Aktualität, sonder vor allem durch seine kraftvolle Inszenierung der Körper im Raum beeindruckt hat.

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