Ein phlegmatischer Körper, der immer und immer etwas zu werden droht. Ein heiliger Sebastian des Kinos, wundgeschossen, leidend, überreif. Er stinkt bestimmt schon ein bisschen. Irgendwie kann man Brando riechen, in allen seinen Rollen. Wie er da liegt in der Sandpanade, am Anfang von One-Eyed Jacks, musste ich an ein Schnitzel denken. Aber Brando ist eine Augenweide, auf der man nicht satt wird. Man muss ihn ansehen, das Genuschel abwarten, über die Verwandlung wachen. Wenn er die Stirn runzelt, bleibt eine kleine Beule unberührt, daran halte ich mich fest. Seine Stimme überrascht mich immer wieder – vielleicht, weil sie keinen „Normalton” kennt, außer in Grunzlauten. Schwein sein, und doch auf der richtigen Seite: das macht seine großen Rollen aus. Kurtz, der von nackten Schnecken auf Rasierklingen spricht. Corleone, der die Blumen als unerwünschtes Gemüse aus dem Raum bringen lässt. Paul, der noch im Wort „Happiness” den Penis findet. Immer wieder Fleisch. Im Englischen ist ein Schauspieler, der Schmiere spielt, „hammy”. Kommt das nicht auch von Schinken? Aber rotes Fleisch spielt Brando eigentlich nie. Seine Männlichkeit ist im Gegenteil immer prekär, ambivalent, changierend. Sein Spiel in One-Eyed Jacks wurde im Revolverkino-Publikumsgespräch nicht umsonst „tuntig” genannt. In Arthur Penns Western The Missouri Breaks (1976) wird Brando in dieser Hinsicht noch deutlicher, spielt eine Art „Tante Droll”, zwischen Transvestit und Travestie. In diesem Dazwischen – zwischen den Geschlechtern, Zuständen, Zuschreibungen – liegt für mich Brandos Wirkung, bis heute.
Geschrieben anlässlich der „Das Kino als Hellseher”-Diskussion mit Anke Stelling, Silvia Szymanski und mir, nach der Aufführung von One-Eyed Jacks im ersten Revolverkino-Programm. Anke Stelling und Silvia Szymanski haben auch jeweils einen kurzen Text zu Brando verfasst, verblüffend (weil nicht abgesprochen) ist die „kulinarische” Verwandtschaft der Texte. Silvias Text findet sich Revolver Heft 39, das Anfang Dezember erscheint. Ankes Text kann man hier nachlesen.
Geschrieben anlässlich der „Das Kino als Hellseher”-Diskussion mit Anke Stelling, Silvia Szymanski und mir, nach der Aufführung von One-Eyed Jacks im ersten Revolverkino-Programm. Anke Stelling und Silvia Szymanski haben auch jeweils einen kurzen Text zu Brando verfasst, verblüffend (weil nicht abgesprochen) ist die „kulinarische” Verwandtschaft der Texte. Silvias Text findet sich Revolver Heft 39, das Anfang Dezember erscheint. Ankes Text kann man hier nachlesen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen