Ein Leser hat mich gestern darauf aufmerksam gemacht: Parallelfilm ist vor einer Woche stillschweigend zehn geworden. 620 Posts, 898 Kommentare, 370.000 Seitenaufrufe, sagt die Google Statistik. Wer hätte das gedacht? Ich bestimmt nicht.
Aus diesem Anlass eine spontane Auswahl persönlicher Favoriten:
Ich versuche nicht zurückzuschauen, sehe mir meine Filme nach Fertigstellung nicht mehr an, aber immer wenn ich einen wirklich guten Film gesehen habe (wie vorgestern István Szabós TÜZOLTÓ UTCA 25.) krampft sich etwas in mir zusammen... weil mir das Genie der Anderen die vertanen Chancen vor Augen führt. Es sind nicht so sehr Fehler, die ich bereue, als Gemeinplätze, Momente, die im Ungefähren bleiben, weil ich meiner Vorstellung nicht vertraut habe. Das nächste Mal will ich unerschrockener sein. „Für die Lebenden ist es nie zu spät.” (Dickens)
Schon immer ist das Kino die Notaufnahme der Einsamen. Wir sinken in den Samt der künstlichen Nacht, um Gesichter aufscheinen zu sehen, vertraute Stimmen zu hören. Einmal, ca 1993, bin ich wie so oft mit dem Fahrrad von dem Zehlendorfer Schwesternheim, in dem ich als Zivi untergebracht war, ins Moviemento gefahren, um in der „langen Coppola-Nacht” alte Bekannte aus der Corleone-Familie zu treffen. Aber dieser Trost stand plötzlich in Frage, als zur Einlasszeit die Mindestzahl notwendiger Zuschauer nicht erreicht war. Die einzige andere Zuschauerin schien ebenso enttäuscht wie ich. Da beschlossen wir, für einen unsichtbaren Dritten zusammen zulegen. Zu zweit sahen wir Michael Corleone dann dabei zu, wie er nach und nach in den Schatten seiner Möglichkeiten tritt - und kamen uns näher. So habe ich einmal im Kino eine Freundin gefunden.
1987, da war ich 15, hat mich A., die damalige Freundin meines älteren Bruders, in EINE VERHÄNGNISVOLLE AFFÄRE mitgenommen. Ihr gefiel es, mir zu gefallen - und meine Erinnerung an den Film ist ganz sublimiertes Begehren. Am Ende, wenn die von den Filmemachern für meine (und ihre) Lust bestrafte Glenn Close noch einmal mit dem Messer aus dem Wasser taucht, bin ich vor Schreck aufgesprungen, der Klappsitz schnellte zurück und ich landete auf dem Boden. A's Gelächter höre ich immer noch gellen.
„Wir sehen weniger auf als in die Leinwand, wie der Säugling in das Gesicht der Mutter. So haben wir das Fühlen gelernt: als Parallelbewegung. Lächeln, wenn sie lächelt. Synchronität, dieses frühe Glück, ist auch die Basis der emotionalen Versklavung im Kino...” habe ich einmal in einem Katalogtext geschrieben.
Manchmal gehe ich ins Kino, will synchron sein, aber das Paradies lässt mich nicht ein. Vorgestern, in Paris, in einem Kino mit „verkehrter” Neigung, ging es mir so. Natürlich, es kann am Film gelegen haben, aber in solchen Momenten beschleicht mich die Angst, der Zustand der Seligkeit, der Verbindung, könnte für immer verloren sein. Filme bestehen dann nur mehr aus Einstellungen, Absichten, Zutaten.
Im Bild: Ingrid Bergman, in einem Screentest für das amerikanische INTERMEZZO-Remake, ihrem US-Debüt, das übrigens letztlich in s/w gedreht wurde. Ein Lächeln, das man sofort nachvollziehen will, wie ich finde.