28 Oktober, 2011

Double Feature (2)

IO SONO L'AMORE (Luca Guadagnino, Italien 2009)
Guadagnino sucht die Nähe werblicher Überwältigungsroutine, will die Opulenz für das Kino „retten” und momentweise gelingt das, vielleicht, weil die magnetische Monotonie von John Adams Musik die Sensationen der Dinge dämpft, zu blossen Beispielen der Vergeblichkeit macht. Aber nach und nach geraten die schönen Waren, Kleider und Schuhe, Frisuren und Schmuckstücke doch in den Verdacht, als Fetische zu dienen, zumal die Handlung nie wirklich Tritt findet in dieser visuellen Ermächtigungsfantasie. Die letzten dreißig Minuten habe ich als Demontage empfunden, in der sich die großen Versprechen als unhaltbar erweisen und der Plot ganz leer läuft, lächerlich wird. Tilda Swinton, die nichts falsch machen kann in den letzten Jahren, gibt hier einmal mehr das Alabasterwesen, ein Objekt kinematographischer Anbetung – als Charakter
jedoch wird sie nicht plastisch.



P.S.:
Zur Zeit arbeitet Guadagnino an einem Dokumentarfilm über Bernardo Bertolucci, ein passender Pate: auch wenn IO SONO L'AMORE an die visuelle Virtuosität eines IL CONFORMISTA nicht heranreicht, haben beide Filme doch den Virus Dekoration gemein, der sich in die lebenswichtigen Organe frisst und die Filme in Schönheit sterben lässt.

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AQUELE QUERIDO MÊS DE AGOSTO (Miguel Gomes, Portugal 2008)
Gomes hat eine ganz entgegengesetzte Art, „alles” zu zeigen. Halb zog sie ihn, halb sank er hin: so könnte man das Verhältnis zwischen Dokumentar- und Spielfilm beschreiben, die Gomes als schelmischer Cuppido hier verkuppelt. Und es ist durchaus nicht die einzige Schnulze in seinem charmanten Film, der ganz wesentlich von portugiesischen Schmachtliedern zusammengehalten wird, dabei aber immer auch die Bedingungen seiner Entstehung thematisiert und sich so ganz „realistisch” seinen Produktionsbedingungen gegenüber erweist. In Revolver Heft 23 singt Gomes ein Loblied auf die Beschränkung: „Ich habe nie gejagt, aber wenn ich es täte, würde es mir keinen Spaß machen, mit (...) unbegrenzter Munition” [loszuziehen]. Das Ergebnis ist aber gerade nicht Armut, sondern Vielfalt, denn Gomes ist großzügig, Erzählen heisst für ihn teilen.

Nominiert

Kurz gemeldet: UNTER DIR DIE STADT wurde für den Günter-Rohrbach-Filmpreis nominiert. Die Verleihung findet am 18.11.2011 in Neunkirchen statt, Rohrbachs saarländischem Heimatort.

27 Oktober, 2011

Double Feature (1)

In loser Folge will ich hier double features vorschlagen, Filme kombinieren, die in meinen Augen zusammen Funken schlagen.

ATTENBERG (Athina Tsangari, Griechenland 2010)
Ein Film, der mit radikalem chic weibliches Begehren modernisiert. Kann man Lieben lernen? Kann man Eroberung von Besitz trennen? Nur, wenn man die Verhältnisse zum Tanzen bringt. Konsequenterweise bewegt sich Tsangaris Film zwischen Musical, Ministry of silly walks und einer L'AVVENTURA, in dem die Männer verschwinden. Auf wunderbare Weise anwesend dagegen die zwei Frauen im Mittelpunkt der Handlung, Evangelia Randou und Ariane Labed. Über Labed ist sehr zurecht ein Preisregen niedergegangen (u.a. hat sie in Venedig Coppa Volpi „Beste Schauspielerin” gewonnen), aber ohne Randou könnte sie nicht leuchten. Im Gespräch in Locarno hat Tsangari formalistische Leidenschaften gebeichtet und Besserung gelobt, aber was wäre die Welt ohne Dandys wie sie? Ich hoffe, sie bleibt ihren Sünden treu.

Apropos Sünde: Trotz Hauptpreis auf dem Frauenfilmfestival (der mit einer hohen Prämie für die Herausbringung verbunden ist) in Deutschland noch immer ohne Verleih.



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PLAYGIRL (Will Tremper, Deutschland 1966)
Halb Spekulation, halb Emanzipation: Trempers Skript ist ein Amazonentraum, eine Männerfantasie der 60er, aber man muss ihm zugute halten, dass er seiner Darstellerin Freiheit gibt, die sie auch zu nutzen weiss. Sie verhält sich zur Empörung der Männer „männlich”, wenn es darum geht, die Initiative zu ergreifen - aber besitzergreifend ist sie nicht. Kann man seinem Begehren folgen, ohne Besitzen zu wollen? Eva Rienzi kann es, oder doch beinahe. Sehenswert auch als Dokument (der Fantasie?) eines mondänen Westberlins der 60er.


Bild via


Hier schreibt Michael Baute über den Film.

21 Oktober, 2011

4.11.2011



Mein Film UNTER DIR DIE STADT erscheint am 4. November 2011 auf DVD.

Als Bonus gibt es den Kurzfilm SÉANCE, eine „Single-Auskoppelung” aus dem Omnibusfilm DEUTSCHLAND '09. (Den auf der Verleihseite angekündigten Audiokommentar gibt es hingegen nicht.)

Am 25.10.2011 um 20 h soll ich in der Filmpalette Köln darüber sprechen, „ob DEUTSCHLAND '09 wirklich gescheitert ist” - wie ich gerade dem Programm entnehme. Seltsam.

04 Oktober, 2011

Übrigens:

DREILEBEN hat den Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie „Besondere Leistung Fiktion” gewonnen.

Auf Mubi hat David Hudson englisch-sprachige Reaktionen anlässlich der TIFF (Toronto) und NYFF (New York)-Premieren von DREILEBEN zusammen getragen.