25 März, 2008

Cannes '08!



Kein Gerücht mehr:

CANNES 2008 - WETTBEWERB

BLINDNESS von Fernando Meirelles (Eröffnungsfilm)

24 CITY von Jia Zhangke
ADORATION von Atom Egoyan
CHANGELING von Clint Eastwood
CONTE DE NOEL von Arnaud Desplechin
DELTA von Kornél Mundruczó
ENTRE LES MURS von Laurent Cantet
GOMORRA von Matteo Garrone
GUERRILLA von Steven Soderbergh
IL DIVO von Paolo Sorrentino
LA MUJER SIN CABEZA von Lucrecia Martel
LA FRONTIERE DE L’AUBE von Philippe Garrel
LE SILENCE DE LORNA von Jean-Pierre Dardenne
LEONERA von Pablo Trapero
LINHA DE PASSE von Walter Salles
MY MAGIC von Eric Khoo
SERBIS von Brillante Mendoza
SYNECDOCHE, NEW YORK von Charlie Kaufman
THE ARGENTINE von Steven Soderbergh
THE PALERMO SHOOTING von Wim Wenders
THREE MONKEYS von Nuri Bilge Ceylan
TWO LOVERS von James Gray
WALTZ WITH BASHIR von Ari Folman

WHAT JUST HAPPEND von Barry Levinson (Abschlussfilm)

Außer Konkurrenz:

BABYLON A.D. von Mathieu Kassovitz
INDIANA JONES AND THE KINGDOM OF THE CRISTALL SKULL von Steven Spielberg
KUNG FU PANDA von Mark Osborne, John Stevenson
THE GOOD, THE BAD, THE WEIRD von Jee-woon
VICKY CRISTINA BARCELONA von Woody Allen

19 März, 2008

Howard Hawks:

„In den heutigen Filmen wird zu viel geredet. Man muß seine Szenen zeigen und dann dem Zuschauer die Arbeit überlassen, damit er das Gefühl bekommt dazuzugehören. Jedes Drehbuch, das sich gut liest, taugt nichts. (...) Wenn man es dagegen dreimal lesen muß, um es zu begreifen, dann besteht vielleicht die Möglichkeit, einen Film daraus zu machen.”

Aus dem Interviewbuch „Who The Devil Made it?” von Peter Bogdanovich („Wer hat denn den gedreht?”, Haffmanns Verlag)

13 März, 2008

Vorzeichen

Im Theater. Bevor sich der Vorhang hebt, erscheint ein Mann, berichtet von dem Fahrradunfall der Hauptdarstellerin und dass sie sich das Knie verletzt habe. Sie werde nichtsdestotrotz auftreten, allerdings an der einen oder anderen Stelle von der üblichen Choreografie abweichen, um ihr Knie zu schonen. Obwohl sich die Aufführung nicht merklich von den anderen unterscheidet, verändert die Ankündigung die Wahrnehmung erheblich. Das Knie der Schauspielerin wird zum heimlichen Hauptdarsteller. Das ist die Macht des Vorzeichens.

Einen Film auf DVD zu sehen bringt manchmal Informationen ins Spiel, die die eigene Wahrnehmung auf eine ähnliche Art programmiert. Zum Beispiel sehe ich einen Film in der Originalsprache die ich beherrsche oder zumindest zum Teil verstehe. Um sicher zu gehen oder weil der Ton schlecht ist (oder meine Vorführtechnik) schalte ich Untertitel zu, gerne ebenfalls in der Originalsprache. Es ergeben sich Interferenzen. Die Untertitel kürzen ab, sind fehlerhaft, oder eilen dem Ton weit voraus – so dass ein ganz seltsames Überlegenheitsgefühl entsteht. Man hängt an den Lippen der Schauspieler, so wie man vielleicht an den Lippen eines Stotterers hängt, ungeduldig. Manchmal stehen nur Untertitel für Schwerhörige zur Verfügung – und man bekommt Beschreibungen von Musik („beschwingte Tanzmusik”) und Stimmungen („Wind pfeift”) geboten, die der eigenen Wahrnehmung Konkurrenz machen. Manchmal werden gar Dialoge aufgeführt, die im Ton nicht zu hören sind. Auch hier drängt sich also das „Knie” in den Vordergrund.

Ich frage mich, ob man die Politik der Vorzeichen nicht bewusster betreiben sollte. Auf Kritiken, Werbung oder Untertitel haben Filmemacher in der Regel wenig Einfluss. Aber natürlich kann der Erzähler selbst Vorzeichen zum Einsatz bringen. Wer „A True Story” vor einen Film schreibt, der alles andere als „wahr” ist, will sein Publikum programmieren und mit dieser Programmierung womöglich ein ironisches Spiel treiben - wie es die Coens in „Fargo” gemacht haben. Aber auch innerszenisch können Vorzeichen nützlich sein. Zum Beispiel kann man eine Figur über Ankündigungen aufladen und so die Aufmerksamkeit des Publikums justieren. Kaum je habe ich das so stark erlebt wie in Marcel Ophüls' großen Film „Hotel Terminus”, wo Eichmanns Anwalt Vergès wieder und wieder zur Sprache kommt („der Teufel”), bevor man ihn zum ersten Mal sieht. Als er dann auftaucht in all seiner Glätte, ist unser Blick geschärft für jede kleinste Anomalie ... Für mich eine der unheimlichsten Begegnungen der Filmgeschichte.

12 März, 2008

Alexander Kluge:

„Eine sog. Liebesszene ist z.B. eine solche Real-Erfindung. Wir sind alle gewohnt, in einem Film – oder in Wirklichkeit – eine solche Szene an 'realistischen Maßstäben' zu messen, die angeblich in der Szene selber enthalten sind. Die Liebesszene ist aber nur dann realistisch, wenn z.B. die künftige Abtreibung gleich in sie eingeschnitten wird. Aber auch die Geschichte aller früheren Abtreibungen. Das ist in einer wirklichen Liebesszene nicht anders, gleich, ob die beiden an die Abtreibung denken, ob diese überhaupt in dem konkreten Falle aktuell ist. Die gesamte vorangegangene Erfahrung, auch die durch Verhütung ausgesparte, auch die der Voreltern und die aller fremden Liebesszenen, ist in der konkreten Szene gegenwärtig. Der Konflikt zwischen Zärtlichkeit und den unzärtlichen Folgen, der rabiaten Erwartung und dem, was sich davon erfüllen läßt, genau dies ist der Real-Gehalt. An der Schärfe dieses Konflikts messen sich alle anderen Wahrnehmungen. Isoliert davon, nur 'gegenwärtig', wird die Liebesszene ideologisch. Die Szene wird aber auch ideologisch, wenn man ihr die Illusionen austreibt. Sie fände dann gar nicht statt.”

Aus: Kommentare zum antagonistischen Wirklichkeitsbegriff, 4. Kapitel: „Die schärfste Ideologie: daß die Realität sich auf ihren realistischen Charakter beruft”, gefunden in dem Suhrkamp Band zum Film „Gelegenheitsarbeit einer Sklavin” (S.215)

08 März, 2008

Alles Theater

Das Kino hat viel gemein mit älteren Medien öffentlicher Veranschaulichung. Ich meine nicht nur das Theater, sondern auch Museum, Parlament und Gericht. Im Namen des Volkes werden Ideen und Konflikte, die von übergeordneten Interesse sind, verkörperlicht und aufgeführt. Auch der Film ist ein Prozess, der Beweise präsentiert und sie zu einem einheitlichen Bild zu fügen versucht... nur dass die Perspektive, die alles bündelt, eben nicht der Schaden ist, sondern alles sein kann, was uns angeht. Allzu oft aber müssen wir im Kino Schauprozessen beiwohnen, in denen falsche Geständnisse die vorformulierten Schuldsprüche „beweisen”. Wie kann es gelingen, das Ergebnisoffene des Gerichtsprozesses in die Konservenkunst Film zu retten?