Mein Film BIS ANS ENDE DER NACHT (2023) wird am 28.09.2025 um 23.05 h in der ARD im „KinoFestival im Ersten” zu sehen sein; 30 Tage lang ist er in der Mediathek abrufbar.
Im Filmdienst schreibt Sebastian Seidler über den Film.
Mein Film BIS ANS ENDE DER NACHT (2023) wird am 28.09.2025 um 23.05 h in der ARD im „KinoFestival im Ersten” zu sehen sein; 30 Tage lang ist er in der Mediathek abrufbar.
Im Filmdienst schreibt Sebastian Seidler über den Film.
Ich habe mit dem US-amerikanischen Filmemacher und Filmblogger Dannzel Escobar über meine Ansichten zum Kino und meine eigene Arbeit gesprochen. Mein Vokabular hat nicht immer Schritt gehalten mit dem, was ich sagen wollte, aber ich hoffe, es ist trotzdem hörenswert.
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| In der kalten Welt des Vaters: James Dean im Eishaus in EAST OF EDEN (Elia Kazan, USA 1955). |
Auf einer Party kürzlich kam ich ins Gespräch mit einem Soziologen, der über die Auswirkungen von Kühlgeräten auf Leben und Gesellschaft forscht. Der erste Reflex war, das exotisch zu finden, aber bald wurde klar, wie interessant die Fragestellung ist – und wie eng verwandt Kälte- und Kinotechnik sind. Der springende Punkt ist natürlich „der Angriff der Gegenwart auf die übrige Zeit” (A. Kluge), im Sinne einer technischen Verzögerung natürlicher Prozesse. Kühlen ist Zeitlupe oder freeze frame – „Zeiteis” auf Knopfdruck –, und hat den Abstraktionsgrad unseres Alltags ganz erheblich gesteigert.
War man vor der Erfindung der Kältetechnik saisonal und regional gebunden in Verarbeitung und Verzehr, wurde mit dem Einzug der Kühlschränke (die sich vielleicht nicht zufällig zeitgleich mit dem Kino durchgesetzt haben) eine weitgehende Entkoppelung möglich. So wie das Kino eine Zeugenschaft quer zu Zeit und Raum erlaubt – das gespeicherte Bild hat einen Zeitstempel, der nicht identisch ist mit Zeit und Ort des „Abrufs” – kann ich nun Monate nach Fang oder Ernte und weit entfernt vom Lebensraum der Tiere oder Früchte „frisch” genießen.
Natürlich hat dieser „Sieg über die Zeit”, hat die Verfügbarkeit überhaupt einen Preis. Sie kostet Energie, Geschmack (offenbar geht auf dem Hin- und Rückweg in die Kälte etwas verloren, wobei es sehr auf das jeweilige Produkt ankommt), und - am schwersten zu fassen, aber womöglich entscheidend - Bewusstsein für das lebendige Ereignis in Raum und Zeit. Zum Beispiel vermittelt das Steak im Kühlregal nur noch eine vage Idee vom Tod eines Tieres.
Kurz gesagt: Kühlschränke sind Agenten der Entfremdung. Im Kino sind die Verluste einerseits offensichtlicher - schließlich werden nur akustische und visuelle Signale gespeichert, es fehlen also Dimensionen des Wirklichen. Andererseits könnte man sagen, dass ein guter Film den Mangel nicht zu verbergen sucht, sondern die Anmaßung der Unternehmung, ein Ereignis aufzuzeichnen, dialektisch bewusst werden lässt. Im besten Fall betrauern – und feiern – beide Medien, Küche und Kino, die überwundene lebendige Welt, die sie zum Verzehr darbieten. Ist das nicht eine schöne Paradoxie?
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| Besessen davon, Eis in den tropischen Urwald zu bringen: Harrison Ford in Peter Weirs unterschätztem MOSQUITO COAST (USA 1986). |
P.S.: Eben lese ich in der New York Times, dass uns Hitzewellen, wie sie durch die Klimakatastrophe gehäuft auftreten, schneller altern lassen, d.h. sie funktionieren wie Zeitraffer. Und ja: auch Kältetechnik trägt direkt und indirekt zur Erderwärmung bei.
P.S.2: René Umlauf, so heißt der oben erwähnte Soziologe, schrieb mir heute (09.09.2025):
„Deine Beobachtung, dass Kühlung und Kino zu einer ähnlichen Zeit gesellschaftstechnisch relevant geworden sind, lässt sich dabei vielleicht sogar noch einen Tick weiterdrehen: So waren es überhaupt Kinos, die als erste öffentliche Orte den 'cool comfort' für die urbanen Massen erlebbar und konsumierbar machten. Oder noch weiter getrieben: „Thanks to air conditioning, the summer months, which all but assured losses, became the movie industry’s most profitable season of the year. The summer blockbuster would not exist if not for the air conditioner and perhaps even talking pictures.”