23 Dezember, 2008

Im Licht der jüngsten Filme

Filme bilden Familien in meinem Kopf. Manchmal trifft man auf ein schwarzes Schaf und plötzlich wird klar, warum die anderen „Kinder” des Regisseurs – die man unter Umständen zuvor bewundert hat – auch nichts taugen. Die Enttäuschung über einen Film kann die ganze Verwandtschaft in Verruf bringen...

Ich weiss, ästhetische Sippenhaft ist nicht unbedingt fair, aber Urteile über Filme sind eben immer kontextuell und ständig in Bewegung – im Licht der jüngsten Filme haben zum Beispiel Bruno Dumont (FLANDRES) und Nuri Bilge Ceylan (THREE MONKEYS) radikal an Glaubwürdigkeit verloren für mich. Auch den umgekehrten Fall gibt es: dass ein „abgeschriebener” Filmemacher plötzlich überzeugt und so seine älteren Filme eine neue Chance bekommen (so ist es mir immer wieder mit Werner Herzog gegangen).

Klar ist, dass diese Neu- und Umbewertungen oft weniger mit der Entwicklung der Regisseure als mit den Gezeiten der eigenen Wahrnehmung zu tun haben. Oder mit dem Zeitgeist. Oder der Begleitung im Kino. Manchmal auch mit einer präzise geschriebenen Kritik. Oder oder. Fast ein Wunder, dass man sich dann doch so oft auf bestimmte Filme einigen kann...

P.S.:
Nach VICKY CHRISTINA BARCELONA fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Woody Allen hat schon immer Telenovelas für die besseren Stände gedreht. Nur weil das Personal aus Intellektuellen besteht und der Erzähler ein bisschen Ironie verteilt, ist der Film noch lange nicht geistreich – geschweige denn tief. Die Komplikationen der Handlung sind Routine, die Figuren Funktionäre durchsichtiger Absichten... Aber waren seine Filme früher wirklich anders? Tja. Genau das meine ich.

P.S.2:
Doch, sie waren anders, finde ich. Wenn es hart auf hart kommt, geht es um Nuancen... Gleich noch einmal MANHATTAN ansehen...

15 Dezember, 2008

Georges Simeon:

"Rechts und links von ihm sass jemand, und überall waren Gesichterketten, die durch den Widerschein von der Leinwand halb aus dem Dunkel gehoben wurden. Es war warm. Eine Frauenstimme sagte mit verstärkter, übermenschlicher Stimme lange Sätze, und manchmal war zwischen den Worten ihr Atem zu hören, als streife er die Tausende von Zuschauern, während auf der Leinwand ein riesenhaftes Gesicht die Lippen bewegte."

Aus: Georges Simeon: Die Verlobung des Monsieur Hire, 1933 (Deutsch von Linde Birk 1978). Diogenes Verlag.

...als Anfang einer kleinen Serie über das Kino aus der Perspektive der Literatur. Beiträge sind willkommen.

11 Dezember, 2008

Kluges Nachrichten...

Hier mein Text zu Kluges NACHRICHTEN AUS DER IDEOLOGISCHEN ANTIKE, der gestern in Berliner Zeitung erschienen ist.

06 Dezember, 2008

Der Traum von Kontrolle


Weil wir in den Kommentaren gerade darauf gekommen sind. Hier meine HFF-Technikarbeit (2003) zum Thema „Previsualisierung” am Beispiel von Coppolas ONE FROM THE HEART. Vielleicht interessiert es den einen oder anderen.

03 Dezember, 2008

AUSSEN, WÜSTE - TAG

Als Syd Field Anfang der 80er Jahre den Rufer in der Wüste spielte von wegen „Plot Point One: Page Twentyseven”, da konnte man nicht ahnen, dass sich die Ratgeber-Literatur einmal so wuchernd ausbreiten würde. Auch in Deutschland, einem Land, in dem man als Drehbuchautor besonders schlecht verdient, gibt es heute viele Meter Empfehlungsprosa im Regal - aber kaum ein richtiges Drehbuch zu kaufen.

Wer für die Bühne schreibt, hat selbstverständlich Zugriff auf eine große Fülle dramatischer Werke, aber Drehbuchautoren, die die Meister studieren wollen, sind oft genug auf die Filme selbst angewiesen. Und wenn dann doch einmal ein Drehbuch auftaucht, bevorzugt im „Buch zum Film”, stösst man oft auf trügerische Textfassungen, die im Zweifel lieber den Schnitt als das Drehbuch dokumentieren. Der Fan, der die Devotionalie zum Erfolgsfilm kauft, darf nicht verwirrt werden! Aber auch die alten Spektakulum-Bände von Suhrkamp, von Frieda Grafe und Enno Patalas verantwortet, haben die Filme literarisiert, statt Drehbücher zu veröffentlichen. Letztere sind wunderschöne Bände, sprachlich sehr elegant, aber eben weit davon entfernt, die Lücken, Widersprüche und Friktionen zwischen Buch und Film sichtbar zu machen, die zum Alltag des Filmemachens gehören.

Abhilfe schafft zumindest für den amerikanischen Raum das Netz, wenn auch nicht immer mit zuverlässig editierten Fassungen. Allerdings ist die Qualität der Download-Drehbücher sehr gestiegen, seit die Autoren eingesehen haben, dass es besser ist, selbst zu liefern als krude Fassungen zu bekämpfen. Kritische Editionen, wie es sie im Printbereich gelegentlich gibt, sind im Netz jedoch die große Ausnahme (Ich besitze zum Beispiel Ernest Lehmans Drehbuch zu NORTH BY NORTHWEST - aus der „MGM Library of Film Scripts”, Viking Press 1973 - eine ausgesprochen vergnügliche Lektüre mit feinen, aber mitunter vielsagenden Abweichungen zum fertigen Film, die jeweils mit eckigen Klammern gekennzeichnet sind).

Ich komme darauf, weil die Deutsche Filmakademie gestern angekündigt hat, in Zukunft deutsche Drehbücher als E-Books bzw. downloadbare PDFs zu verkaufen, für 9,90 Euro das Stück. Den Anfang machen wenig überraschend Dörries KIRSCHBLÜTEN und Akins AUF DER ANDEREN SEITE. Welche weiteren Titel geplant sind, nach welcher verlegerischer und editorischer Systematik man dabei vorgehen möchte, ist der Pressemitteilung leider nicht zu entnehmen. So oder so, den Vorstoss als solchen begrüsse ich sehr. auch wenn ich geduldiges Papier bevorzugen würde.

Zum (kostenpflichtigen) Download der beiden deutschen Drehbücher geht es hier.

Drei Hollywood-lastige amerikanische Seiten (auf denen sich aber auch der eine oder andere Dörrie-Film findet), allesamt kostenlos: Script-o-rama, Simply Scripts, Movie Scripts Database.