30 November, 2007

'FUNNY' REMAKE
























Es gibt in der Filmgeschichte eine ganze Reihe von Doppelgängerfilmen, etwa Hitchcocks zwei Versionen von THE MAN WHO KNEW TOO MUCH (1934 & 1956), Alan Clarkes Remake seines von der BBC nicht freigegebenen SCUM (1977 & 1979) oder Gus van Sants seltsame Shot-by-Shot Kopie von Hitchcocks PSYCHO (1960 & 1998). Trotzdem ist Hanekes „Wiederaufnahme” seines Films FUNNY GAMES (1997 & 2007) eine Ausnahme, insofern der neue Film den alten nicht zu bessern oder modernisieren versucht, sondern Einstellung für Einstellung wiederholt, wenn auch mit einer englischsprachigen Besetzung: Naomi Watts, Tim Roth, Michael Pitt, Brady Corbet. Die „Echtheit des Imitats” kann man demnächst im Kino überprüfen...

28 November, 2007

Am Schreibtisch

(4)

In der Drehbucharbeit kommt es oft zu Lösungen, die aus dem Material selbst zu kommen scheinen, folgerichtig. Später stellt man fest, dass der Einfall nicht viel mehr als ein Echo war, dass eben jener Akkord stimmig klang, den man schon einmal gehört hat. Oft genug folgt die Filmdramaturgie dem Prinzip Ohrwurm. Wir wollen sozusagen mitsingen.

Die geläufige Filmdramaturgie scheint mir – bei allen Unterschieden – den Eigenimpuls einer Figur , das „Unmotivierte”, systematisch zu unterdrücken. Charaktereruptionen sind allenfalls als Auslöser erlaubt, im Übrigen aber wird versucht, eine REAKTIVE Ordnung zu etablieren, ein dynamisches Ursache-Wirkungs-Schema, in dem die Figuren zwar „charakteristisch” reagieren (müssen), aber keine „eigenwilligen” Charaktere sein dürfen. Die Figuren werden so automatisch zu Stellvertretern, „durchschnittlich”, während das bloss Individuelle reduziert wird auf ein paar Spleens und Sprechweisen. Der Konflikt uniformiert das Personal...

Zugegeben, eine solche „soldatische Dramaturgie” ist manchmal befriedigend zu sehen, wenn sie „gut gemacht” ist .... aber mein Leben zum Beispiel besteht durchaus aus Eingebungen, plötzlichen Umschwüngen, Ideen und Geheimnissen.

Interessanterweise ist dem „Kunstkino” der Ideenheld noch fremder als dem Mainstream, obwohl doch immerfort davon die Rede ist, „character driven”, also von der Figur aus erzählen zu wollen. Aber wehe, eine Figur hat originelle Einfälle! Auch Witz und Mut gelten als „unrealistisch”, während man das bloss Reaktive: den Gierigen, den Feigen, den Süchtigen für traurig, aber wahr hält. Mechanischer Pessimismus!

Hinter der Durchfunktionalisierung einer Figur im „Dienst” einer Geschichte steht die Behauptung, wir seien weitgehend Produkt innerer und äusserer Zwänge, und je größer die äusseren Zwänge, desto sichtbarer würden die inneren. Als würde sich das „wahre Ich” gerade in der Folterkammer zeigen...

Überspitzt gesagt scheint die geläufige Filmdramaturgie nach einem Schloss zu suchen, in das nur ein bestimmter Schlüssel passt - das Schloss (die Handlung) enthält das Negativ des Schlüssels (der Charakter), und je enger Zahnung und Riegel ineinandergreifen, desto „besser” der Film.

Das erinnert mich an die Lüge vom Markt als einer Maschine, in der die Einzelegoismen zum maximalen Gemeinwohl verrechnet werden.

*

Ich sehe drei mögliche Antworten auf die Verengung durch totalitäre Dramaturgien:

Intuition (= sich selbst zum Material zu machen)

Recherche (= Forschung)

Gegenüber (= Aktivierung)

Ich benütze absichtlich nicht das Wort „Zuschauer”, weil es um mehr geht. Eine Erzählung kann sich nur entfalten, wenn sich das Gegenüber öffnet, seine Erfahrung einbringt. Filmemacher, die sich darauf nicht verlassen wollen, müssen scheitern.

Es geht also um Aktivierung – der lebendige Film ist einer, der gekapert wird von seinen Zuschauern. Das muss ein Schiff zu lassen. Und die Enterhaken müssen bereit liegen.

17 November, 2007

Vorfreude (3)















Ein Bild aus dem Schneideraum: DIE LIEBE DER KINDER (2008) von Franz Müller, mit Alex Brendemühl, Marie-Lou Sellem, Katharina Derr und Tim Hoffmann. Kamera: Christine A. Maier.

Vorfreude (2)
















Ein Bild aus dem neuen Film von Paul Thomas Anderson: THERE WILL BE BLOOD (2007), mit Daniel Day-Lewis und Dillon Freasier. Kamera: Robert Elswit.

Vorfreude (1)
















Ein erstes Bild aus Maren Ades neuem Spielfilm ALLE ANDEREN (2008), mit Birgit Minichmayr und Lars Eidinger (Bild). Kamera: Bernhard Keller.

05 November, 2007

REVOLVER LIVE! (18)



Am Dienstag, den 13.11.2007 um 19.30 h im „Roten Speicher”
(im 3. Stock, über dem Roten Salon der Volksbühne, Berlin):

HANS HILLMANN: DAS FILMPLAKAT

Moderation: Christoph Hochhäusler

Hans Hillmann, Jahrgang 1925, ist einer der einflussreichsten Grafiker seiner Generation. Zwischen 1953 und 1974 schuf er – überwiegend für den Verleih „Neue Filmkunst” – eine große Zahl brillianter, grafisch hochwirksamer Plakate, die die Deutschen mit der Blüte des internationalen Autorenfilms bekannt gemacht haben. Seine Arbeiten zu Filmen von Bergman, Buñuel, Cassavetes, Eisenstein, Godard, Kurosawa, Lubitsch, Malle, Resnais, Sternberg, Welles und vielen anderen bestechen durch ihre unvergleichliche Mischung aus erzählerischem Witz, kühner Reduktion und zeichnerischem Eigenwillen. Sein filmgrafisches Werk, das nie bloss „Werbung”, sondern immer auch Kommentar war, pointiert und zeichenhaft, ist dabei so modern geblieben, dass die heute gängige Praxis, zugetextete Filmbilder zu Postern aufzublasen, als schmerzlicher Anachronismus erscheinen muss.

Hans Hillmann wird anhand von Plakaten und Dias von seinen Erfahrungen, seiner Methode, seinem visuellen Stil erzählen. Ein Gespräch über den Witz der Reduktion, Grafik als „Dienstleistung” und Flächen, die ins Auge springen.

Ziel ist ein offener Diskurs. Alle Film- und Grafikinteressierten sind dazu herzlich eingeladen.

Wir freuen uns!


Christoph Hochhäusler