01 März, 2018

Lost Cause



2009 fragte mich Kevin B. Lee, ob ich Lust hätte, für ein geplantes Video zu Hans Jürgen Syberbergs HITLER – EIN FILM AUS DEUTSCHLAND den Kommentar zu schreiben. Er hatte gehört, dass ich mich eine Weile intensiver mit Syberbergs Filmen auseinandergesetzt hatte und so schrieb und sprach ich dann folgenden Text, zuerst auf Englisch, dann (zurückübersetzt) auf Deutsch. (Das Video kam nie zu Stande.)

2009 Kevin B. Lee asked me to do a voice-over for a video essay on Hans Jürgen Syberberg's HITLER - A FILM FROM GERMANY he wanted to make. He knew that I had immersed myself in Syberberg's work for a while and so I wrote and spoke the following text, first in English, than retranslated into German. (The video was never made)


Syberbergs Hitler
Ein Film der Trauer,
zutiefst ambivalent.
Gegen den Strom der Kulturproduktion seiner Zeit
die darauf aus war, das noch infektiöse 'Damals' 
rational auf Abstand zu halten,
in der Kritik die einzig akzeptierte Währung war.

Ein Film, der 
Analyse – „Wie konnte es passieren?”
und Verführung – „Es hätte so schön sein können!
zusammen zwingt,
auf eine wie es scheint vollkommen transparente Weise.

Aber am Ende ist es der Nebel, der bleibt,
(fast könnte man sagen: Weihrauch)
nicht der geliebte BRECHT,
sondern sein heiliger WAGNER.

Ein Film
der eine schamanistische Vorstellung von Kunst hat
Mit grenzenlosem Vertrauen in die eigenen Möglichkeiten
zu heilen und zu enthüllen.

Der Heiler bringt ganz einfache Zutaten
In einen magischen Zusammenhang.

Ein sehr einfacher Film:
eine Bühne
eine Leinwand
ein Dia-Projektor

Ein paar Requisiten, Puppen, Kostüme,
Nebel.

Ein Erzähler, wie
Ophüls' Zirkusdirektor in Lola Montez,
ein Konferencier in der „Höhle der Erinnerung”,
im Zirkus der deutschen Geschichte.

(Fast) kein Archiv-Material taucht auf in dem Film
ausser im Ton interessanterweise
(das Ohr ist offen für Verführung).

Er möchte Hitler mit Mozart und Wagner besiegen
hat Syberberg einmal über seinen Film gesagt,
der in Deutschland vehement abgelehnt wurde, 
während andere

Susan Sontag
Francis Coppola
Les Cahiers du cinema

ihn als Geniestreich feierten.

Was mir an dem Film gefällt
- jenseits seiner suggestiven Methoden -
ist der Mut, sich der Faszination für unsere alte Kultur
und dem katastrophalen Resultat, zu dem sie führte,
wirklich zu stellen.

Nicht die Entwicklung einfach als „Fehler” abzutun,
sondern sie groß zu lesen, als unser Schicksal:
Hitler war ersehnt worden, sehnsüchtig erwartet,
lange bevor er als „einfacher Gefreiter” nach Deutschland kam.

Syberbergs Hitler ist älter als das 20. Jahrhundert.
Er ist ein Abkömmling der selben Strömung,
die einige der wertvollsten Werke unserer Kultur hervorgebracht hat
(für Syberberg ist das offensichtlich die deutsche Musik, Mozart und Wagner)
und um das zu begreifen, müssen wir zurückkehren, durch die Zeit reisen,
lange Stunden.

Syberberg hat einmal gesagt, der Film müsse die Musik der Zukunft sein.
Er wollte unser neuer Mozart werden.
Es ist gut möglich, dass er sich noch immer dafür hält.
Man braucht eine gute Portion Grössenwahn, ausladende Pelzmäntel!
um unter den Bedingungen seiner Zeit einen solchen Film zu machen.
Und natürlich muss man seine Autobiografie umschreiben,
von früh an magisch vergrößern,
denn schliesslich
kann nur ein Zauberer Wunder wirken.


* * *


Syberberg’s Hitler

a film in the spirit of mourning,
deeply ambivalent
against the main corrent of cultural production of it’s time

which has been striving for a rational distance between now and then,
in which criticism was the only acceptable mode

a film
that forces together
analysis - what went wrong

in the most transparent way
but after the act
it's the fog
that remains,
not his beloved BRECHT,
but his sacred WAGNER

a film
that has a shamanistic ideal of art
with limitless trust in it’s own possibilites
to heal and reveal
the healer combines very simple ingredients
to magic results

a very simple film:
a stage
a slide projector
a few gadgets, puppets, costumes,
fog

a narrator, like
Ophüls’ circus director in Lola Montez
a conferencier in the cave of memory 

in the circus of german history
(almost) no archive material is used,
except in sound
that is telling

He wants to defeat Hitler with Mozart and Wagner
Syberberg said about his film
that was fiercly rejected in Germany at the time
while some

Susan Sonntag
Francis Coppola
Les Cahiers du cinéma

hailed it as the work of a genius

What I like about it
apart from it’s suggestive methods
is the courage to confront the fascination with our old culture
and the catastrophic outcome it lead to -
not to wrong the development
 but to read it big, as our fate:

Hitler has been wanted,
desired,
for a very long time

Syberbergs Hitler is older than 20th century
he is an offspring of the very same stream
that produced some of the most valuable goods of our culture
(for Syberberg, that ist he german music, clearly, Mozart and Wagner)
which is why we have to go back, travel in time
long hours

He once said film ought to be  the music of the future
He wanted to be our new Mozart
There is a good chance that he still thinks he is
It takes a good portion of megalomania
To create such a film under the circumstances
Enormous fur coats
And a autobiografical rewriting early on

Only a magican can perform miracles
After all

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen