14 März, 2018

unter uns

DIE MÖRDER SIND UNTER UNS könnte man, Wolfgang Staudtes eigener Beschreibung folgend *, als eine Art Ursünde des deutschen Nachkriegskinos interpretieren. Das ursprüngliche Konzept hatte nämlich vorgesehen, dass der Mord am Nazi-Wendehals gelingt. Davon musste Staudte absehen - weil die (damals erst im Entstehen begriffene) DEFA bzw. der verantwortliche sowjetische Kulturoffizier fürchtete, der Film könnte andernfalls als Plädoyer für die persönliche Abrechnung mit dem dritten Reich verstanden werden. Schon der erste Film nach dem Krieg musste also den Kino-Affekt der Pädagogik opfern - und nur scheinbar mit den besten Absichten. Besonders tragisch scheint mir Staudtes Einsicht in die Logik der Zensoren. Er hat die Änderung im Nachhinein ausdrücklich verteidigt. Dabei ist es im deutschen Kino im Wesentlichen geblieben. Während die empathische Schilderung des Falschen, entlang der sogenannten niederen Instinkte, schon immer ein Kraftzentrum des US-Kinos war, fühlte und fühlt sich der deutsche Film zuverlässig dazu verpflichtet, die 'richtige' Einstellung der Macher bezüglich ihres Gegenstands anzuzeigen.



Interviewer: In der Person des Brückner zeichnet der Film das Portrait eines Typs, der sich nach dem Zusammenbruch sofort fängt und auf fragwürdigen Grundlagen wiederaufbaut, ohne die geringsten moralischen Skrupel. Das haben Sie in dieser Form schon vor 1945 konzipiert?


Staudte: Ja, das existierte genauso in meinem ersten Entwurf. Die späteren Veränderungen und Zusätze bezogen sich darauf, wie es nun wirklich nach dem Krieg aussah. Ich bin dann mit dem Exposé zu allen möglichen Leuten, zu den Amerikanern, den Engländern und den Franzosen gegangen, die es aber sämtlich ablehnten. Nur der russische Kulturoffizier war an meinem Projekt sehr interessiert. Er hat in einem einzigen Punkt einen starken Einfluss auf den Film genommen. In meiner Originalgeschichte erschießt nämlich Mertens den Brückner. Und da sagte der russische Kulturoffizier: alles andere ist richtig; nur geht es nicht an, daß der Zuschauer am Schluss ermuntert wird, seinen privaten Rachekrieg zu führen. Wir werden ihn daran hindern, und vor allem werden wir Sie daran hindern, so eine Möglichkeit auch zu aufzuzeigen. Damals war ich voller Zorn.


Interviewer: War der Kulturoffizier Oberst Dymschitz?


Staudte: Das kann sein, das ist durchaus möglich. Ich kam dann noch einmal wieder mit einer Änderung, und dann wurde der Film genehmigt.


Interviewer: Nur diesen Punkt mussten Sie ändern.

Staudte: Den musste ich ändern. Aber ich habe eingesehen, dass die Änderung richtig war. Daher dann die Version, dass das Mädchen am Schluss auftaucht und Mertens an dieser Tat hindert, und daher dann die Szene mit dem Gitter.
Interviewer: Interessant in diesem Zusammenhang wäre zu wissen, mit welchen Begründungen die anderen Militärs den Film abgelehnt haben?

Staudte: Ach, mit sehr äusserlichen Begründungen. Der damalige amerikanische Kulturoffizier war der heutige deutsche Schauspieler Peter van Eyck, in silbergrauer Uniform, der war überhaupt der Meinung, die Deutschen würden und sollten in den nächsten zehn Jahren keine Filme machen. Die Engländer haben sich für nicht zuständig erklärt, obwohl ich im englischen Sektor wohnte.


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Im Interview mit Ulrich Gregor Ende 1963. Veröffentlicht in dem noch immer lesenswerten Band „Wie sie filmen”, Sigbert Mohn Verlag, Gütersloh 1966. Hier versucht Ulrich Gregor ein Fazit aus dem Buch zu ziehen.

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