11 März, 2024

(Wieder-) Gesehen [20]

Gothic Romance: Untote Männer & Tote Frauen 

„Aus Gründen” ist die Filmgeschichte randvoll mit untoten Männern und toten Frauen. Man könnte meinen, weil die Männer nicht leben können – nicht leben können ohne ihre lebensfeindlichen Fiktionen –, und die Frauen die Fiktionen der Männer als Zwangsvorstellung sichtbar werden lassen. Deshalb müssen sie (viel zu oft) sterben, um dann verehrt und ins Gespinst gewoben werden zu können.

FALBALAS (Jacques Becker, F 1944)


Jemanden anziehen, verpuppen, verwandeln, Männer, die Frauen einnähen, in ihre Vorstellung, in ihr Nervenkostüm und – in diesem Fall – selbst daran zugrunde gehen. Ein großer Mode- und Horrorfilm, verblüffender Weise während der deutschen Besatzung gedreht.



THE PORTRAIT OF JENNY (William Dieterle, USA 1948)


Ein Künstler in der Krise, einer, der ohne das geeignete Modell nicht (an sich) glauben kann, und dann quer zur Zeit, mit Hilfe einer (Un-) Toten, die sich in der Gegenwart verirrt hat, seinen Glauben wieder findet. Der Film wird im Verlauf immer wahnhafter, erotisiert die Kindfrau Jenny auf problematische Weise (zu dieser Zeit quasi ein Rollenfach der Schauspielerin Jennifer Jones, obschon in ihren späten 20ern), gerät aber bald so stark in ästhetische Seenot, dass das Unbewusste des Films faszinierend direkt an die Oberfläche gespült wird.


VERTIGO (Alfred Hitchcock, USA 1958)


Ein Film eben auch über die Regie als eine Form der Aneignung des Lebendigen, und der Eifersucht, die es auslöst, wenn die Wirklichkeit ihr Recht fordert. 



PHANTOM THREAD (Paul Thomas Anderson, USA 2017)


Wirkt beinahe wie der Versuch, FALBALAS und VERTIGO zu verschmelzen. Das hat etwas Unzeitgemässes, aber womöglich wirkt das von „Alma” (Vicky Krieps) verabreichte (Gegen-) Gift auch gegen diese Anmaßung.



KURONEKO (Kaneto Shindō, Japan 1968)

Interessantes Kontrastprogramm zu den genannten Filmen oben: Ein beinahe (?) feministischer Geisterfilm, mit scharfen Krallen. Zwei Frauen, Yone und ihre Schwiegertochter Shige, werden zum Opfer marodierender Soldaten in Japans Feudalzeit. Die gegen sie verübte sexuelle Gewalt mit tödlichem Ausgang ist Auftakt für ein Nachleben als Rächerinnen. Sie locken vom Krieg verrohte, lüsternde Männer in ihr Waldhaus, bewirten und töten sie – selten habe ich Vergeltung im Kino als so befriedigend erlebt. Eines Tages kehrt Yones Sohn, Shiges Mann zurück. Die Frauen stehen vor einem Dilemma: Zwar sind sie glücklich, den totgeglaubten Ehemann und Sohn wiederzusehen, aber sie haben sich dem Katzendämon verpflichtet... 


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen