11 August, 2021

Train Dreams

 


L'ARRIVÉE D'UN TRAIN À LA CIOTAT (Auguste & Louis Lumière, F 1896)

Das Eisenbahngenre gehört zu den ältesten des Kinos, vielleicht, weil die Technologien verwandt sind und einen ähnlich transformativen Charakter haben. Es sind beides Maschinen, die unsere Sinne oder körperlichen Möglichkeiten künstlich verlängern und uns so die Welt nahebringen, sie dabei aber zugleich bedrohen oder sogar verzehren (und uns von ihr entfremden). 

Das hatte von vorne herein etwas Fantastisches und Unheimliches, erinnert an die Siebenmeilenstiefel aus dem Märchen oder an den Jäger, der einer Fliege auf zwei Meilen ein Auge ausschießen will („Sechse kommen durch die ganze Welt”, Brüder Grimm). Der Passagier ist Zuschauer, die Geschwindigkeit verdichtet die Landschaft zum Ereignis, der Zuschauer Passagier, von der Bewegung im „Fenster” Leinwand gebannt. 

Auch in der Filmherstellung selbst spielt das „travelling”, die Bewegung auf Schienen, eine wichtige Rolle und in so manchem Zugfilm fällt das Unausweichliche der Schienenfahrt und die Schicksalhaftigkeit der Geschichte in eins – ich denke zum Beispiel an Jean Renoirs großartigen LA BÊTE HUMAINE (F 1938) und Fritz Langs sehenswerte Neuverfilmung HUMAN DESIRE (USA 1954)

Die Tatsache, dass man einen fahrenden Zug nicht ohne Weiteres verlassen kann, machen sich viele Filme dramaturgisch zu nutze, denn auch der Zuschauer soll nicht „aussteigen”, Blumenpflücken während der Fahrt ist verboten. Gleichzeitig muss es in jedem Eisenbahnfilm natürlich um die Entgleisung gehen, wörtlich oder im übertragenen Sinne. 

Natürlich gibt es tolle Eisenbahnfilme auch aus anderen Teilen der Welt, POCIAG (Jerzy Kawalerowicz, Polen 1959) fällt mir gerade ein, aber so weit ich sehe ist das Genre nirgendwo tiefer verankert als in der amerikanischen Filmgeschichte, von THE GREAT TRAIN ROBBERY (Edwin S. Porter, USA 1903) und THE IRON HORSE (John Ford, USA 1924) über SHANGHAI EXPRESS (Josef von Sternberg, USA 1932) und 20TH CENTURY (Howard Hawks, USA 1934) – zwei Filme, die nach einem Zug heißen und die ich beide liebe! – bis, sagen wir, UNSTOPPABLE (Tony Scott, USA 2010) gibt es zahllose Beispiele, Testament der mythischen Rolle, die die Eisenbahn bei der Eroberung und Verwandlung des nordamerikanischen Kontinents gespielt hat.

Zu den amerikanischen Filmen, die Eisenbahn- und Kinologik auf kongeniale Weise verschmelzen, gehören für mich THE GENERAL (Clyde Bruckman, Buster Keaton, USA 1926), THE TALL TARGET (Anthony Mann, USA 1951), THE NARROW MARGIN (Richard Fleischer, USA 1952), THE TRAIN (John Frankenheimer, USA 1964), THE INCIDENT (Larry Peerce, USA 1967), EMPEROR OF THE NORTH POLE (Robert Aldrich, USA 1973) und RUNAWAY TRAIN (Andrey Konchalovskiy, USA 1985).

Was sind eure Zugfilm-Favoriten?

2 Kommentare:

  1. "Was sind eure Zugfilm-Favoriten?"
    Mir ist da ungefiltert als allererstes das Werk von Christian Petzold in den Sinn gekommen. Ich glaube keiner seiner Filme (außer Transit) hat Szenen IN einem Zug, aber Züge, ganz speziell eben die Deutsche Bahn, sind Teil seiner filmischen Landschaft für mich und machen auch einen großen Reiz der "Petzold-Atmosphäre" für mich aus. Ein Gefühl von Provinz, der man nicht entkommen kann, obwohl das Fluchtvehikel einem (wie der Wald vor lauter Bäumen) vor der Nase entlangfährt.

    AntwortenLöschen
  2. Kennst du eigentlich Christians Eisenbahn-Text? https://www.revolver-film.com/christian-petzold-h0/ (ch)

    AntwortenLöschen