16 November, 2008

Räuberleiter





Zwei neue Bilder aus dem Schneideraum von Benjamin Heisenbergs DER RÄUBER (2009), der sich langsam dem Drehende nähert (Kamera: Reinhold Vorschneider; © Geyerhalter Film).

Kennengelernt habe ich Benjamin 1997, kurz bevor er anfing, an der HFF in München zu studieren, wo ich ein Jahr zuvor gelandet war. Damals standen ihm die Haare - durchaus wörtlich - besonders dann zu Berge, wenn jemand im Kino auf Genreeffekte setzen wollte. Ich kann deshalb ein Lied davon singen, weil Ben Regieassistent war bei meinem ohne Zweifel gefälligsten Kurzfilm „Fieber”, in dem zwar keine Schießereien, aber dafür ziemlich raffinierte Kamerafahrten vorkommen, die nicht immer seine Gnade fanden.

Dabei war seine Strenge durchaus nicht systematisch, im Gegenteil hatten in seinem Filmuniversum viel gegensätzlichere Filme Platz als bei mir damals. Und so ist es vielleicht doch nicht so erstaunlich, dass ausgerechnet Benjamin, für eine Weile der entschiedenste Verfechter asketischer Positionen in unserer Clique, nach seinem krimi-nahen Debüt SCHLÄFER einen „waschechten” Genrefilm gemacht hat: DER RÄUBER, nach dem gleichnamigen Roman von Martin Prinz. Rein quantitativ machen Überfälle, Verfolgungsjagden und Schußwechsel einen großen Teil der Filmhandlung aus, aber natürlich ist am Ende das 'Wie' entscheidend.

Ich erinnere mich an erhitzte Debatten darüber, in wieweit man die Überwältigungsrethorik à la Tony Scott für unsere Filme fruchtbar machen könnte. Benjamin war der Meinung, dass man dessen visuelle Tricks mit Realismus kontern müsse, um ihnen die notwendige Transparenz zurückzugeben... Ich bin gespannt, ob die Montage mehrerer gegenläufiger Helikopteraufnahmen, die ihn damals bei Scott so faszinierte, in DER RÄUBER „realistisch verwandelt” Verwendung finden wird. Denn ja, es wird Helikopteraufnahmen geben, auch das. Die Bilder oben sind jedenfalls vielversprechend, finde ich... Alles Gute für den Endspurt!

5 Kommentare:

  1. "...mit Realismus kontern müsse,...Transparenz zurückgeben..." ???
    Ich bin kein Fachmann für Realismus-Theorien... Aber ich frage mich schon, woher dieser Zug kommt (filmischen) Realismus und Transparenz (= Erkenntnisgewinn?) gleichzusetzen?

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  2. Das waren wahrscheinlich nicht Benjamins exakte Worte damals.

    Ich bin meinerseits kein Experte für Realismus-Theorien und habe nur eine vage Vorstellung, was „realistisches Kino” sein könnte. Benjamin hat sich mit diesem Begriff aber immer identifiziert. Ich glaube, er verbindet damit einen bestimmten Stil des Spiels, die Anwesenheit lebendiger Widersprüche in der Handlung, eine zurückhaltende Kamerasprache (Normalobjektiv, Augenhöhe, Raum- Zeitkontinuität innerhalb einer Szene), einen Schnitt, der die Prinzipien des Dokumentarfilms adaptiert (was ein „vorauseilendes” Positionieren der Kamera zum Beispiel verbietet... eine Situation müsste demnach von einem Zeugen „gesehen” werden, seine Perspektive bleibt konstant, wird nicht plötzlich auktorial etc.). Das beisst sich natürlich mit Tony Scott, deshalb schreibe ich ja davon.

    So oder so, nach meinem Verständnis kann man die Welt um so besser „für sich” sprechen lassen, wenn die Werkzeuge, die zum Einsatz kommen, offen zu Tage liegen. Ist das dann Formalismus? Es wäre jedenfalls realistisch gegenüber den Produktionsbedingungen.

    Die meisten von uns, würde ich behaupten, arbeiten mit „gesundem Halbwissen”, d.h. sie wissen nicht (genau), was sie tun, wollen es womöglich gar nicht wissen, weil eine festgelegte Grammatik der Intuition im Wege wäre.

    Grüße,

    C.

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  3. Ich möchte ja Suggestivfragen, die Sie eh verneinen werden, vermeiden. Dennoch: In SCHLÄFER wird diese "realistische" Erzählhaltung, ja in der objektivierenden Aussage des Protagonisten gedoppelt:„Das Schlimmste im Leben ist, dass man jeden verstehen kann.“ Eine Haltung, die Sie als das "Gegenteil von Politik" beschreiben. Ist da nicht Tony Scotts Überwältigungrhetorik (in ENEMY OF THE STATE), die rasanten (Kamera)Verfolgungsfahrten, der Schnitt auf die Überwachungssatelliten und die Emulation von Computer- und visueller Überwachung nicht wenigstens das politischere, vielleicht sogar das transparentere Stilmittel, weil so dem Zuschauer die Macht des Apparats erst veranschaulicht wird (ohne dabei realistisch sein zu müssen)?

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  4. Darauf sollte Benjamin antworten, denke ich. Aber ich persönlich kann ihrer Argumentation durchaus etwas abgewinnen...

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  5. ich würde der aussage widersprechen, bzw. keine wertung machen, weil einfach zwei verschiedene strategien am werk sind. die eine reißt den zuschauer komplett mit und bindet ihn so weit in die emotionale marschrichtung des films ein, daß die erfahrung eine des mittäters, bzw. mitfühlers wird. die andere (eher meine) sieht den zuschauer als gegenüber der nicht bezwungen wird sondern sich selbst entscheidet sich zu identifizieren oder nicht. das ist für mich nicht minder politisch, weil der betrachter die variablen des spiels im film, während des sehens, viel klarer vor sich sieht und vorallem die emotion der eigenen haltung für oder gegen die protagonisten und ihr handeln sozusagen zusätzlich zur emotion der emphatie hat.

    zu realismus:
    ich folge nicht direkt einem realismus, sondern schlicht und ergreifend einem weg meine wahrnehmung der welt und der personen über die ich berichte auf eine weise dazustellen, die wie ein verstärker dieser wahnehmungen wirkt. ob das in dem moment realistisch ist, oder nicht ist mir eigentlich egal.

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