Es wird so gerne über „deutsche Stars” geschrieben in der letzten Zeit. Manchmal bin ich versucht, mitzusingen in diesem Chor, Stimmung zu machen für die tollen Schauspieler, die es hierzulande gibt. Im poetischen Überschwang kann man sie gerne Sterne nennen, für's Blumige bin ich zu haben. Aber fehlt nicht der Himmel, auf dem sie leuchten könnten? Und wäre das so schrecklich?
Günther Rohrbach, Produzent großer Wegsteine des deutschen Films, schrieb 1983 in seiner Polemik „Die verhängnisvolle Macht der Regisseure”: „Filme, das waren Wünsche, Sehnsüchte, Ängste, Hoffnungen, erlebt und erlebbar gemacht durch Menschen, die größer waren als man selber, schöner, reicher, die das Produkt von Träumen waren. Der klassische Kinostar war entrückt und überhöht, fern aller Wirklichkeit, ein Wesen von unirdischen Glanz, ein Stern am Himmel.” Dass der damals gerade in die Jahre kommende Neue Deutsche Film (kurz vor seiner politischen Demontage) solche „Entrücktheiten” nicht hervorgebracht hatte, bedauert Rohrbach in seinem Text ausführlich - und macht dafür die „verhätschelten” Regisseure verantwortlich.
Aber auch 25 Jahre später gibt es - trotz der Wiedergeburt des Proudzentenkinos - wenig „unirdischen Glanz” im deutschen Kino. Stattdessen sind die „Stars” ganz zutrauliche Leute, die hart daran arbeiten, als bodenständig zu gelten, sich mit „alten Kumpels” brüsten, denen sie angeblich die Treue halten und entsprechende Rollen spielen, nach dem Motto: das nette Mädel / der junge Mann von Nebenan. Ein Missverständnis, finde ich, in zwei Richtungen: Zum einen ist ein „Star” eben nicht zu haben ohne Distanz, Kontrolle, Macht. Welcher Schauspieler in Deutschland hätte die Macht, sein öffentliches Bild präzise zu formen, über viele Filme hinweg, und dieses Bild mit einem „zuverlässigen” Begehren des Publikums zu verbinden? Zum anderen wäre es - Star hin oder her - angebracht, in die sympathische Wohlfühlmelodie ein paar Dissonanzen zu bringen, dem Kino zu Liebe.
Was mir am meisten fehlt im deutschen Film, das ist Gefahr - nicht nur um Leib und Leben, sondern auch Gefahr für den Seelenfrieden, die geistige Gesundheit und die erschlafften Lenden. Das Kino, von dem ich träume, ist aufregend im ursprünglichsten Sinne des Wortes, scharf und genau. Ich will Filme sehen, die meine Wahrnehmung intensivieren, mein Denken verändern, meine Sicherheiten in Frage stellen. Die Stars alter Prägung haben letztlich nur in ihren Vehikeln funktioniert, wo sie ihre Leinwandpersona varieren, sich aber nicht entwickeln durften. Ich sehe lieber Schauspieler, die mich zur Aufmerksamkeit verführen, Menschenkenner, die Widersprüche nicht vertuschen, Grenzgänger, die keine Angst haben, die Gunst der Schwiegermutter zu verlieren... Kurzum: keine netten Nachbarn, keine Stars in Cellophan, sondern lebendige Menschen.
Ist nicht zum Beispiel Diane Kruger die Art von Star, die sich Günther Rohrbach wünscht? Ein Weltstar, jemand der in Hollywood die Helena spielen kann, und der nicht das Image der Nachbarin von nebenan hat. Auf die Dissonanzen, die Tarantino ihrer Persona hinzufügen wird, darf man bestimmt gespannt sein.
AntwortenLöschenAnscheinend ist es doch so, dass man raus muss aus Deutschland, um ein "richtiger" Star zu werden. Wenn überhaupt, dann findet man Stars hierzulande allenfalls noch im Fernsehen. Die Art und Weise, wie zum Beispiel Christian Petzold Nina Hoss filmt, könnte sie doch zu einem Star machen. Aber diese Filme werden einfach von zu wenigen Menschen gesehen, als dass sie ein "richtiger" Star werden könnte.
Aber ich glaube auch, dass es hierzulande von seiten der Regisseure eine Scheu vor dem "Star" gibt, zumindest von den Regisseuren, die versuchen, unabhängig und ein wenig abseits vom Mainstream arbeiten. Vielleicht gibt es zur Zeit wenig Regisseure, die es interessiert, das, was ein Star abseits der Leinwand in den Illustrierten darstellt, in einen Film zu integrieren, also mit dem Image eines Stars zu spielen (so wie meinetwegen Billy Wilder Marilyn Monroe in Some like it hot inszeniert hat). Dem Star haftet doch häufig an, eigentlich kein guter Schauspieler zu sein (das gilt für Diane Kruger wie für Marilyn Monroe).
Ich würde jedenfalls gern mal einen Film der Berliner Schule mit Veronika Ferres in der Hauptrolle sehen...
Lieber philipp
AntwortenLöschenWie recht Du hast! Da bin ich ja mal gespannt.
Innigst
B.B.
Ich denke, dass der Status eines Stars durch das Medium seines Erscheinens definiert wird. Was aber auch bedeutet, dass eine Art von Exklusivität damit verbunden ist. Es ist doch so: Wenn ich weiß, dass ich Meryl Streep oder Clint Eastwood nur (!) im Kino sehen kann, bekommt auch das Medium Film wieder einen ganz anderen Stellenwert. Wenn ich mir hingegen deutsche "Stars" ansehe, die alle zwei Tage in irgendeinem öden Tatort herumlaufen, dann verschwindet ein gewisser Grand an Exklusivität. Wieso dann noch ins Kino gehen? Dazu scheint diese Spannung qua Geschichte zwischen Kino und TV vorgegeben zu sein. Für den Schauspieler bedeutet dies doch, dass er durch die Häufigkeit seiner Erscheinung im Fernsehen eigentlich kein "Star" im ursprünglichen Sinne mehr sein kann. Schließlich ist es die Unerreichbarkeit, die einen gewissen Reiz des Starwesen ausmacht.
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