08 Dezember, 2010

Mindfuck


Die Zeichnung als Werkzeug in der Drehbuchentwicklung: Christopher Nolans Strukturskizze zu INCEPTION (USA, 2010)

INCEPTION, ein rollendes Wunder in Sachen Technik, Marketing und Erfolg, hat mich ziemlich kalt gelassen. Nach einiger Vorfreude habe ich mich in einem Film wiedergefunden, der sich eine extravagante Struktur leistet, um dann doch nur das Übliche zu servieren (und das wieder und wieder). Der Film delektiert sich an seinen Komplikationen, ohne die Konsequenzen seiner Prämisse wirklich auszuloten, ohne komplex zu werden. Und weil es um nichts geht, weil das Zentrum leer bleibt, scheint der Aufwand an Exposition unverhältnismässig, nimmt man das erschreckend funktionale Personal mit Missvergnügen hin. Ja es drängt sich der Verdacht auf, die Vervielfachung der Handlungsebenen sei nur ein Vorwand, drei (sehr) konventionelle Actionplots unter einem Dach zu vereinen. Die Amerikaner nennen das Genre treffend „Mindfuck”: Der Preis für die Maximierung der Effektereignisse besteht in der Relativierung unserer Einfühlung. Wenn man sich nicht sicher sein kann, wie oft jemand sterben muss, um tot zu sein, geizt man mit den Tränen.

Trotzdem, die Grundidee ist faszinierend: die Welt des Traums als ein von der allesfressenden Maschine, die Kapitalismus heisst, gerade neu erschlossener Markt. In diesem Markt, an der neuen Grenze: Pioniere, die Risiken eingehen und damit mit ihrer eigenen Identität spielen. Das Problem ist, dass dieses neue Territorium, ganz entgegen unserer eigenen Erfahrung, schon von vorne herein gezähmt wirkt. Die sogenannte Traumlogik wird ja oft bemüht, wenn es ums Kino geht. Hier regiert weit und breit nur Plot. Das irrationale Moment, das sich der Markt- und Erzähllogik verweigert (und „erobert” werden müsste), hat bei Nolan keinen Platz - ist aber doch die Hauptsache beim Träumen, wie mir scheint. Der Traum im Film, muss man folgern, wurde schon kolonialisiert, lange vor Eintreffen unseres Helden. Entsprechend simuliert und second hand wirkt das Abenteuer. Schade.

Skizze: (via)

Aufregend: Aktuelle Traumforschung.

1 Kommentar:

  1. Lieber Christoph,

    habe jetzt erst Deinen Hinweis auf dieses Post gelesen. Zeigt natürlich wie wenig ich es schaffe, alle Deine Blog-Einträge zu lesen. Mich hat der Film natürlich auch wegen des Architekturthemas interessiert, aber dann eben völlig kalt gelassen. Dass Mindfuck ein Genre-Begriff geworden ist, war mir neu. Aber das trifft's. Alle diese Baudrillard hörigen Simulakren-Filme... Grässlich langweilig.

    AntwortenLöschen