14 Juni, 2025

Einfach

THE MAGNIFICENT AMBERSONS (Orson Welles, USA 1942).

Es gibt die politische Pflicht, Dinge, die sich einfach sagen lassen, auch einfach zu sagen. Aber: Nicht einfacher. Dieser kategorische Imperativ leuchtet mir ein – und ich wünschte, Robert Habeck hätte ihn öfter beherzigt. Aber gilt er auch für ästhetische Fragen? Ist es die Pflicht des Filmemachers, Dinge, die sich einfach zeigen lassen, einfach zu zeigen?

Lange dachte ich, Reife sei gleichbedeutend mit Zurückhaltung, Angemessenheit, einem funktionalen Verhältnis von Erzählabsicht und den gewählten Mitteln. Aber wie arm wäre die Filmgeschichte ohne stilistische Exuberanzen, ohne barockes Spiel, ohne Jauchzer. Und die „Einfachheit der Meister”, von der man manchmal liest, ist ohnehin trügerisch. Welches Kino liesse sich so beschreiben? Ford? Ozu? Kiarostami? Kaurismaki? Das Wort „Einfachheit” scheint mir nicht das Wesentliche ihrer Filme zu treffen. 

Viele Filme, die ich besonders verehre, sagen wir Fritz Langs M (1931), Orson Welles’ THE MAGNIFICENT AMBERSONS (1942), Max Ophüls’ MADAME DE… (1953), Luchino Viscontis IL GATTOPARDO (1963), Joseph Loseys MR KLEIN (1976), Akira Kurosawa RAN (1985), Martin Scorseses GOODFELLAS (1990), David Lynchs MULHOLLAND DRIVE (2001) oder Lucrecia Martels LA MUJER SIN CABEZA (2008) sind vielteilige, raffinierte, dialektische Maschinen. Auf formaler, narrativer, politischer Ebene komplizierte Artefakte. Aber sind sie „komplizierter als nötig”? Weniger „tief” als formal zurückhaltendere Filme, die weniger Einstellungen „verbrauchen”? 

Ich denke, das sind keine produktiven Kategorien. Jeder Film bringt seine eigene Dramaturgie, sein eigenes ästhetisches Gesetz hervor. Jede Filmemacher*in muss sich immer wieder neu ins Verhältnis zur Welt setzen. Ich kann die Kolleg*innen gut verstehen, die sich von einem Streben nach Einfachheit Reinigung und Reife erhoffen – aber eine künstlerische Hierarchie würde ich davon nicht ableiten.

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