In der Rolle seines Lebens: Manfred Krug als Hannes Balla. |
Der tolle Manfred Krug ist tot. „Mit dir würde ich mir sogar nen DEFA-Film ansehen.” sagt er, unnachahmlich frech, zu seiner „kleinen Chefin”, in Frank Beyers großem SPUR DER STEINE. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: er war es, der uns für das Kino der DDR gewonnen hat – mit einer Leichtigkeit, die für Deutsche eigentlich nicht vorgesehen war.
Kein Wunder, dass er auch als Musiker schwebte. Schlager, hat er einmal gesagt, sei „Musik zum Verzehr”. Seine swingenden Süßigkeiten standen nicht nur im Osten hoch im Kurs. Für meinen DREILEBEN-Film, EINE MINUTE DUNKEL, wollte ich ein Lied von ihm verwenden: „Vor einem Jahr”, in einer Liveaufnahme des polnischen Fernsehens aus dem Jahr 1963. Die Rechte lagen bei Krug selbst. Er meldete sich per Fax und wollte wissen, warum gerade dieses Stück.
Ich schrieb ihm: „Zuerst, weil es schön ist. Und weil es dem, der es hört, Gefühle zuspricht. In der betreffenden Szene geht es um einen Kommissar (gespielt von Eberhard Kirchberg), der wörtlich und sprichwörtlich das Gleichgewicht verliert - und zum ersten Mal die Methoden der Ermittlung in Frage stellt. Der Film aber ist kein Krimi. Eher ein Doppelportrait - der Flüchtige, der Ermittler, zwei Männer in der Krise, die auch Freiheit bedeutet. Das Lied führt ihn zu seinen Gefühlen zurück. Es soll das einzige Stück im Film sein, das nicht identisch ist mit der Filmmusik (die Bert Wrede gemacht hat), das einzige Stück, das eine eigene Geschichte hat sozusagen. Es ist mir also sehr wichtig.”
Er rief mich dann an und erlaubte die Verwendung, obwohl er die Studioversion des Liedes „viel schöner” fand. Die rhythmischen Geräusche in der TV-Aufnahme, klärte er mich auf, gingen auf seine „idiotischen” Manschettenknöpfe zurück, die immer wieder in Konflikt mit der Gitarre gekommen waren. Aber das störte mich nicht. Die Live-Version rührte mich tiefer, vielleicht, weil einer Stimme, die sich ohne Orchesterbegleitung behaupten muss, eine andere Erregung inne wohnt.
Wir unterhielten uns ein paar Takte. Ich habe ihm sofort vorgeschlagen, ein Gespräch für Revolver aufzunehmen. Der heimliche Plan aber war es, ihn eines Tages noch einmal vor die Kamera zu bringen (Benjamin Heisenberg hat es wenig später auch versucht). Er war durchaus neugierig, liess sich das Heft schicken, aber sein Beschluss, keine Interviews mehr zu geben, war so unverrückbar wie der Rückzug aus dem Schauspiel. Schade.
Er war ein Gigant und wir – waren zu spät geboren, um ihn noch einmal aus der Reserve zu locken. Mach's gut, zärtlicher Riese! Und danke für alles.
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