Die Filme der Reihe, die zwischen 1934 und 2014 entstanden sind, behandeln auf höchst unterschiedliche Weise die Sehnsucht, Angst oder Hoffnung des Heimkommens. Aber Rückkehr in der deutschen Geschichte bedeutet eben immer auch das Risiko, nichts von dem Erwarteten wiederzufinden, und sei es, weil die „Heimat” von Vorne herein Fiktion oder Konstruktion war.
In der Zusammenstellung der Filme bin ich von „gegenmagnetischen” Filmpaaren ausgegangen, die die Kraft- und Bruchlinien deutscher Geschichte besonders deutlich sichtbar werden lassen. Das sind meine (imaginierten) Paare:
DER VERLORENE SOHN (Trenker) / STROZEK (Herzog) |
Zwei Deutsche in den USA, auf der Suche nach dem Glück.
Der verlorene Sohn von Luis Trenker (DR / USA 1934) – spielt 1934
Trenker spielt Tonio, der nach einem Bergunglück nach New York geht, im Schatten der Hochhäuser aber erkennt, dass die Dolomiten seine wahre Heimat sind. Die mit versteckter Kamera gedrehten Elendsszenen waren laut Rossellini „wegbereitend” für den Neorealismo und Grund für das Verbot des Films ’45.
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Stroszek von Werner Herzog (1977) – spielt 1977
Bruno Stroszek (in Variation seiner selbst), Straßensänger, verläßt Berlin, um sein Glück in Amerika zu suchen. Zusammen mit der Prostituierten Eva (Eva Mattes) und seinem Nachbarn landet er in Wisconsin. Doch das Glück bleibt aus. Karge, herzzerreissende Moritat zwischen Dokument und Erfindung.
DECISION BEFORE DAWN (Litvak) / ICH WAR NEUNZEHN (Wolf) |
Zwei Deutsche, die mit dem Feind, als Feinde, nach Deutschland zurückkehren.
Decision before dawn von Anatole Litvak (1951) — spielt 1944
Oskar Werner lyrisch ernst als Kriegsgefangener, der sich der US-Army zur Verfügung stellt, Stellungen in der Heimat auszukundschaften. Der Blick auf Deutschland, der so entsteht, ähnelt einem Tauchgang. Gerade weil die äussere Handlung eher unspektakulär bleibt, erscheint jeder Blick gefährlich.
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Ich war neunzehn von Konrad Wolf (1968) — spielt 1945
Konrad Wolf erzählt entlang ähnlicher, eigener Erfahrungen, wie ein junger Deutscher mit der Roten Armee nach Deutschland zurückkehrt. Jaeckie Schwarz gibt „Gregor Hecker” überzeugend brüchig als eine Art kulturelles Waisenkind, das nur zögernd begreift, was ihn dieses verheerte Land angeht.
DER VERLORENE (Lorre) / PHOENIX (Petzold) |
Wie das Überleben überleben?
Phoenix von Christian Petzold (2014) — spielt 1945
Wie das Überleben überleben? Die Jüdin Nelly kehrt aus dem Lager mit einem anderen Gesicht zurück in ihre alte Welt. In einer Art Frankenstein-Technik setzt der Film seine Fragen an die Geschichte zusammen, so dass die Geister anderer Geschichten, realer, geträumter, gefilmter, in ihr aufscheinen.
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Der Verlorene von Peter Lorre (1951) — spielt 1943/1945
Peter Lorre spielt in seiner einzigen Regiearbeit Dr. Rothe, einen Serumforscher, der seine Verlobte im Affekt tötet, aber nicht verurteilt wird, weil seine Arbeit als „kriegswichtig” gilt. Sein quälendes Schuldgefühl überlebt den Krieg – und wird umso mehr als ansteckend und unerwünscht empfunden.
Kann man sein Zuhause wählen?
Alice in den Städten von Wim Wenders (1974) – spielt 1974
Wim Wenders’ zärtlichster Film beschreibt die Rückkehr von Philip Winter (Rüdiger Vogler) nach Deutschland als eine tastende Bewegung. Das ihm anvertraute Kind – und dessen nur ungefähre Kenntnis der Heimat, auf der Suche nach dem Haus ihrer Großmutter – ist dabei Katalysator der (Selbst-) Findung.
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Sabine Kleist, 7 Jahre von Helmut Dziuba (DDR 1982) – spielt 1982
Bei einem Unfall verliert Sabine ihre Eltern. Im Kinderheim wird die Erzieherin Edith ihre wichtigste Bezugsperson. Als Edith schwanger wird und den Beruf aufgibt, reagiert Sabine verzweifelt und reißt aus dem Heim aus. Was Dziubas Kinderfilme hervorhebt ist ihre Offenheit für die Möglichkeiten seiner Darsteller.
Soldaten auf der Suche nach einem Grund, zurückzugehen.
Urlaub auf Ehrenwort (DR 1938) von Karl Ritter — spielt 1918
Ende des 1. Weltkriegs: Ein Zug deutscher Soldaten passiert die Stadt Berlin. Vier Ortsansässige erhalten „auf Ehrenwort” Urlaub. Jeder der Männer muss einen Grund finden, das Versprechen zu halten. Propagandistischer Episodenfilm, in der die Abstraktion „Heimat” über die Konkretion „Zuhause” siegt.
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Bungalow von Ulrich Köhler(2002) – spielt 2002
Köhlers Debüt hat die Schönheit eines Popsongs. Wie Bartleby bei Melville ist auch Paul weniger Verweigerer als Verzögerer. Er entfernt sich „unerlaubt von der Truppe”, aber geht nicht nur dem Kriegsdienst, sondern jeder Festlegung aus dem Weg. Doch auch Zuhause ist kein Platz für Ausweichbewegungen.
Zwei Misfits, die die Klassenfrage stellen.
Abschied von gestern von Alexander Kluge (1966) – spielt 1966
Ein Kaleidoskop der Widersprüche: Anita G. (Alexandra Kluge), als Kind jüdischer Eltern in Leipzig geboren und in der DDR aufgewachsen, versucht in der Bundesrepublik Fuß zu fassen. Doch das Land spricht eine andere Sprache. „Uns trennt von gestern kein Abgrund, sondern die veränderte Lage“ (Kluge).
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Paul von Klaus Lemke (1974) – spielt 1974
Aus einer ganz und gar formelhaften Situation – ein Gangster wird aus dem Knast entlassen und will alte Rechnungen begleichen – entwickeln Klaus Lemke und sein wunderbarer (Selbst-) Darsteller Paul Lyss das Maximum an lustvoller, wahnsinniger Unberechenbarkeit.
Die Gewalt der Konstruktion gegen das Fliessende: Gegensätze im NS-Kino.
Heimkehr (1941) von Gustav Ucicky — spielt 1939
Die besondere Infamie dieses Films liegt in seinem antisymmetrischen Verhältnis zur Wirklichkeit: fanatische Polen verfolgen unschuldige Deutsche. Die so konstruierte „Sehnsucht nach Heimkehr” sollte die Zwangsumsiedlung der Wolhyniendeutschen, Folge des Hitler-Stalin-Paktes, rechtfertigen.
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Unter den Brücken von Helmut Käutner (1944) – spielt 1944
Der Film handelt von der Unmöglichkeit der Heimkehr auch insofern, als die deutschen Städte während der Dreharbeiten schon Ruinen waren, was sich aus der Perspektive „unter den Brücken” gerade noch verbergen liess. Man drehte weiter, um gegen den Krieg zu träumen und um nicht kämpfen zu müssen.
Gesellschaft als ein Rahmen, in dem Gefühle stören.
Die Ehe der Maria Braun von Rainer Werner Fassbinder (1979) — spielt 1943-1954
„Es ist eine schlechte Zeit für Gefühle“ sagt Maria Braun (Hanna Schygulla). Im Glauben, ihr Mann sei gefallen, geht sie pragmatische Allianzen ein, die sie materiell absichern. Aber Herrmann kommt zurück. Fassbinders Geschichten sind immer schon Historienfilme: sie interessieren sich dafür, woher die Gewalt kommt – und wie sie sich fortsetzt.
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Die Unerzogenen von Pia Marais (2007) – spielt 2007
Stevie (C. Chuh) wächst ohne festes Zuhause auf. Mit wechselnden Freunden driftet ihre Familie durch Europa. In einem Kölner Vorort kommt die Karawane plötzlich zum Stehen. Ein Film über Eltern, deren Rebellion von Tag zu Tag kindischer, und über ein Kind, deren Sehnsüchte immer erwachsener werden.
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