28 Mai, 2011

Tony Richardson: MADEMOISELLE

Ein Programm der Reduktion. Keine Musik, keine Farbe, wenig Dialog. Die Kamera: unbewegt. Die Gewalt der Kadrage wird lustvoll zelebriert. Die Körper werden immer wieder beschnitten, geköpft. Dass der Kader zu eng ist für die Welt, kann man auch metaphorisch verstehen. Das Bild, das sich die Menschen machen, vom Anderen, – verletzt, beschneidet, tötet.

Die Auflösung springt zwischen den Extremen, vermittelt nicht. Die Lücke ist ihr Thema. Aber sparsam ist der Film an keiner Stelle. Eher scheinen die strengen Setzungen ein Versuch, die Fülle im Zaum zu halten. Das Bild ist barock, feiert die Sinnlichkeit der Welt, die Elemente. Tiere spielen eine große Rolle: ihre Unfähigkeit zur Pose soll beleben und authentifizieren. Die Gestaltung sucht Konter.



Tiefes lockendes Schwarz dominiert den Film. Immer wieder sehen wir Schattenrisse, starke hell-dunkel-Kontraste, chiaroscuro. Nur grau ist der Film nie. Richardson und sein Kameramann Watkin trumpfen auf mit den expressiven Möglichkeiten der Lichtgestaltung in schwarz-weiß. Sie filmen gegen die Farbe, gegen den Realismus.

In einer atemberaubenden Szene – das Begehren der titelgebenden Lehrerin findet auf mondbeschienenem Feld seine Bühne – taucht die Frau (Jeanne Moreau), in den Schatten des Mannes (Ettore Manni). Und der Schatten verschlingt sie. Magische Silberchemie.

Watkin, der als Pionier des indirekten Lichts gilt, zieht alle Register. Selten hat man Nacht und Feuer, Regen und Dämmerung, Mittagshitze und Waldschatten so sinnlich, so greifbar fotografiert gesehen. Nicht immer kann die Handlung diese visuelle Dichte tragen. Manchmal ist das Bild so beherrscht, so „sterbensschön”, dass der menschliche Abgrund, von dem erzählt wird, zur Nebensache wird.

„Die Welt wird bedroht von zwei Gefahren”, heißt es bei Paul Valéry: „Ordnung und Unordnung”. Vielleicht müsste man in diesem Sinne statt von der „Ökonomie der Mittel” besser von einer Ökologie sprechen. Jeder Film organisiert einen komplizierten Zusammenhang zwischen dem Lebendigen und seiner Rahmung. Rahmen heißt ordnen – und ausschließen. Wie fragil das Gleichgewicht ist zwischen Welt und Bild, Erfahrung und Erzählung, davon handelt „Mademoiselle” auf komplexe Weise.

C.H.

Mademoiselle (F + GB, 1966)
Regie: Tony Richardson
Kamera: David Watkin
Mit Jeanne Moreau, Ettore Manni

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Der Text, der in der August-Ausgabe von EPD Film erscheinen wird, ist Teil des Schwerpunkts „Zelluloid”.

1 Kommentar:

  1. http://hardsensations.com/2011/08/lieblingsfilm-mademoiselle/

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