17 Oktober, 2010

Manifest

Klaus Lemke hat ein Manifest geschrieben. Die üblichen Sprüche, straßenwürzig vorgetragen, natürlich in Großbuchstaben:

„ (...) 13 JAHRE STAATSKINO UNTER ADOLF UND DIE LETZTEN 40 JAHRE STAATLICHER FILMFÖRDERUNG HABEN DAZU GEFÜHRT, DASS DER DEUTSCHE FILM SCHON IN DEN SIEBZIGERJAHREN AUF KLASSENFAHRT IN DER TOSKANA HÄNGENBLIEB; DASS AUS REGISSEUREN SOFT SKILLS-KASTRATEN UND AUS PRODUZENTEN VEREDELUNGSJUNKIES WURDEN.
WIR BAUEN DIE SCHÖNSTEN AUTOS.
WIR HABEN DIE SCHÖNSTEN FRAUEN.
ABER UNSERE FILME SIND WIE GRABSTEINE.
BRAV. BANAL. BEGÜTIGEND. GOETHEINSTITUT.
ABER FILM IST KEINE AUSSTERBENDE TIERART. FILM IST AUCH KEIN INTELLIGENZBESCHLEUNIGER. FILM MUSS NOCH NICHT MAL GUT SEIN.
FILM MUSS NUR WIRKEN. (...)”

Davon abgesehen, dass „Film muss nur wirken” völliger Quatsch ist - das Traurige ist doch, dass Lemke, der immer wieder mal einen tolldreist schönen Film macht, eben keine Alternative weiss. Seine Filme kommen schon lange nicht mehr ins Kino, sind Marginalien auf dem DVD-Markt, finden ihr bescheidenes Publikum im gebühren-finanzierten Fernsehen oder auf (geförderten) Festivals. Trotz der Tatsache, dass er sehr billig produziert (und nur minimale Gagen zahlt), hängt er letztlich - wie wir alle - am Geldhahn der Öffentlich-Rechtlichen. Der Unterschied ist, dass er sich dafür schämt.

Ich schäme mich nicht, finde im Gegenteil, dass sich die kulturelle Förderung, die wir uns leisten, (immer wieder) lohnt, im Theater, in der bildenden Kunst und natürlich auch im Film, mehr noch, dass wir sie brauchen, um - als demokratisch verfasste Gesellschaft - ein Bild zu haben von uns, unseren Leben und Widersprüchen, Material haben, mit dem wir uns beschreiben und in den Konflikt gehen können.

Natürlich gibt es einen Grundwiderspruch zwischen der Kunst und der Macht, zwischen dem Film und den Institutionen, und natürlich produziert Fördermacht Gehorsam - aber der Rückzug des Staates, die „Dynamik des Marktes” ist keine Lösung, und war es nie.

Thomas Brasch hat das Dilemma zwischen Kunst und Staat gut auf den Punkt gebracht, 1981, bei der Verleihung des Bayerischen Filmpreises. Ich habe mir eben die Mühe gemacht, seine Rede abzutippen ... „Widersprüche sind die Hoffnung”. Siehe oben.


Update: Eine Reaktion von Wolfgang Büld auf Lemkes Text.

2 Kommentare:

  1. wenn aber fördermacht "gehorsam" produziert, so bleibt für die gegenteilige entität, "widerspruch", wenig raum.

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  2. Ich würde denken, dass jede Macht - ob sie nun Markt heisst oder Staat - Gehorsam produziert, dass der Widerspruch immer Ausnahme ist. Auch wenn die Mär der „reinigenden Wirkung” des Marktes verführerisch ist, muss ich doch pragmatisch sagen: dieser Markt steht uns nicht zur Verfügung, und wo er es tut, ist er nicht „frei”. Ich liebe, übrigens, Filme aus allen Systemen der Filmfinanzierung, staatliche, private, sozialistische, kapitalistische usw. Ich verstehe Lemkes Sehnsucht, würde aber bezweifeln wollen, dass sie wirklich in einer Systemfrage aufgeht.

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