24 Januar, 2022

Notizen zu 'M'


Ein Tonfilm, eine Kette von Geräuschen und Dialogen, ein akustischer Faden, der nicht (oder kaum je) abreißt und eine sehr diverse Bildebene auffädelt, eigentlich eine Abfolge von Montagesequenzen... ein „im Studio gefilmter Dokumentarfilm”, wie Lang es genannt hat.

Nur gelegentlich wird der Film szenisch, und bleibt auch dann darauf bedacht, keiner Figur zu viel Gewicht zu geben, der Geist der neuen Sachlichkeit regiert (Anti-Expressionismus?). Die Erzählung selbst ist der Held ... und was sie verspricht ist Zusammenhang.


Das dramaturgische Prinzip könnte man lexikalisch nennen. Ein Alphabet der Stadt. Auffällig jedenfalls das Element des Seriellen, das Motiv der Sammlung, der Recherche:


Die (gefunden) Brote werden "börsennotiert", die Zigarettenstummel sortiert, die Polizei systematisiert Fingerabdrücke, Elsies Mutter liest Serienromane, die Gangster arbeiten arbeitsteilig-seriell, Lorre ist Serienmörder. 


Eine Massengesellschaft versucht sich zu zählen, Lohmann referiert die Zahlen, betreibt eine Vorform der Rasterfahndung (was ebenfalls auf Recherche beruht - Lohmann ist ein fiktionalisierter Kriminalpolizeirat Ernst Gennat).


Geräusche kehren wieder: das Pfeiffen Lorres (Griegs Peer Gynt), der Abzählreim („Warte, warte nur ein Weilchen...”), die Rufe der Mutter, die Trillerpfeife des Schutzmannes. Alles Beschwörungen, Anrufungen, auf ein Echo aus. 


Wie überraschend dann, dass der Finger beim Buchstaben 'M' stehen bleibt, und Peter Lorre in einer eigentlich unmöglichen Aufholjagd - gegen die Gefühle der Zuschauer und gegen die 'demokratische' Struktur des Films - den Film ganz zum Schluss erobern darf.


(Aus meinem Notizbuch, 2018)


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