06 August, 2018

The Touch

Ernst Lubitsch bei der Arbeit. 

Ernst Lubitschs Ästhetik, oder auch: 'Touch', ist bekanntermaßen schwer zu definieren. Ich versuche es trotzdem: Lubitsch sucht nach einem Kino, in dem das Wie wichtiger ist als das Was - und zwar gleichermaßen die Figuren (wie sie etwas tun) und die filmische Form (wie wir davon erfahren) betreffend. Es geht ihm weniger um Plot oder Thema und auch nicht um die abstrakte Schönheit einer filmischen Lösung, vielmehr ist diese schöne Abstraktion Ausdruck seines Wunsches, in der Andeutung und Auslassung so etwas wie ein zärtliches Verhältnis zwischen Figuren und Publikum zu etablieren. Man könnte auch sagen: Er spielt über Bande, um im Publikum Großherzigkeit zu stiften. Ausgehend von einer emphatischen Mitarbeit, die beinahe immer die Schwächen der Figuren betrifft („zwei und zwei zusammenzählen”, wie Billy Wilder das genannt hat) idealisiert er das Publikum, damit er seine Figuren nicht idealisieren muss. Dem ersten Anschein zum Trotz sind seine Filme nicht nostalgisch oder sentimental, sondern auf einen Handel mit dem Publikum aus: wer bereit ist, die „Löcher in Lubitschs Emmentaler” (Truffaut) zu stopfen, bekommt die Chance, die Zerbrechlichkeit des Glücks, der Liebe, des Lebens so leicht zu nehmen, dass Alternativen plötzlich möglich scheinen.


(Ich komme darauf, weil ich gerade Joseph McBride "How did Lubitsch do it?" gelesen habe. Anregende Lektüre.)

2 Kommentare:

  1. Mein Deutschlehrer sagte mir einst, eine entsprechend abzügliche Note in der Hand, daß ALLES in meinem Text "richtig" sei, ich aber leider nur die Ergebnisse meiner Überlegungen und nicht den Weg dorthin präsentiere. Ein Textgenre, das so etwas belohnt, hat er dabei allerdings nicht angeboten oder gefördert. Heute schreibe ich (natürlich!) immer noch in diese Richtung, bekomme auch Lob für meine Texte, trage aber (natürlich!) Ängste in mir, etwas falsch zu machen. In diesem Sinne, den prägnanten Lubitsch-Text, der aus jeder Pore andeutet, wieviel Erkenntnisprozeß in ihm wohl stecken muß, fand ich richtig klasse und äußerst anregend, vielen Dank!

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    1. Danke! So ein Lehrerwort wirkt manchmal erstaunlich lang nach. Aber mit dem Ungenügen kämpft jeder, der schreibt. Weitermachen, besser scheitern! Grüße, Christoph

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