20 Oktober, 2017

Midas

Im Flugzeug sitze ich schräg hinter einem Mann, der MINDHUNTER sieht. Kein Ton für mich, keine Titel. Überdeutlich dennoch, dass David Fincher am Werk ist. Weil alles abgekartet ist. Fincher uniformiert die Welt nicht, weil er sie als uniform empfindet oder auf Unterschiede aus wäre – er will das Chaos besiegen. Vor seiner Kadrage sind alle gleich. Seine Mise-en-Scène hat den Midas-touch. Alles wird ... zum Gegenstand. Sein Thema ist aber nicht das Lied in den Dingen, sondern das Stillegen, Abtöten, das Leblose. Die Tatsache, dass die Serie in der Vergangenheit spielt, begünstigt diesen Klassizismus noch. Die Möblierung ist rhetorisch, die Farbpalette eng. Aber Minimalismus ist es nicht. Finchers Versmaß ist totalitär: Ordnung vor Wahrheit. Besonders schmerzhaft zeigt sich diese Tendenz in der Besetzung: die wohltemperierten Gesichter und Körper stehen eigenschaftslos für das „Wir”, die Wenigen vom Leben Gezeichneten, Deformierten – das sind die Anderen. Ich will, dass der Mann das Programm wechselt.

6 Kommentare:

  1. Ich finde diese Ästhetik durchaus attraktiv, bin wahrscheinlich selbst tot. Aber auch auffällig und in dem Fall sicher ein feature, kein bug: Wie sauber glänzend die ganzen alten Autos sind, die sie da durch die Gegend chauffieren.

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    1. Das wäre eine Möglichkeit, Finchers Appeal zu erklären ... wir sind alle tot. Filme für Tote, als Fortsetzung von Cocteaus Diktum. Und ja, die Autos glänzen schön.

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  2. Fincher war nicht unbedingt immer so drauf. Die Digitalästhetik hat ihm nicht unbedingt gut getan (Malick auch nicht). Manche Filmemacher feiern das Digitale, verlieren sich aber dadurch.

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    1. Der Widerstand des Analogen war vielleicht wirklich gut für Fincher. Als reinen „Gott” finde ich ihn doch recht fad.

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  3. So elegant und klug dein Post formuliert ist - muss ich dir dennoch widersprechen. Weniger om Bezug auf deine spezifischen Beobachtungen als deinen Schlussfolgerungen. Es ist die Misere Filmkritik mit moralischen Kategorien zu füllen - mit dem Sentimentalismus der guten Intentionen. Es sind die Paradigmen der Kultur, die in das Terrain der Kunst (Fincher, als Autor begriffen) Einzug hält. Mit dem Ergebnis, dass Kunst zu Sozialpädagogig wird (besonders wertvoll). Ich bin froh, wenn man überhaupt einen Filmeacher/in sieht, den man an seiner Bilder/folge /Auflösung erkennt. Natürlich ist es legitim bestimmte Filmemacher/in nicht zu mögen - in dieser Hinsicht ist dies natürlich dein gutes Recht. Mir scheint Fincher in seiner Kälte / Objekthaftigkeit nah bei jemanden wie Kubrick zu verorten zu sein - oder auch gewisse Filme von Haneke. Na so hatte ich deinen Beitrag jedenfalls verstanden - vielleicht hast Du aber auf was ganz anderes gezielt...mit besten Grüssen Siegmar

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    1. Ich bin mir nicht sicher, was ich von Fincher halten soll. Der Post ist einfach Ausdruck eines Unbehagens. Der Vergleich mit Kubrick trägt nicht weit, finde ich. Wenn Kubrick Maschinen mit mehr Zuneigung filmt als Menschen (wie ein berühmter Einwand gegen 2001 - A SPACE ODYSSEE lautet) dann weil in der Überspitzung der Zivilisationssprünge die Pointe des Films liegt. Finchers Mittel scheinen mir dagegen weitgehend unberührt von seinen Themen...

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