14 Dezember, 2007

Es fehlen: Leute, die falsch singen und gut aussehen dabei

In dem Buch BESTANDSAUFNAHME: UTOPIE FILM (1983) gibt es eine „Liste des Unverfilmten”, die zu Recht eine gewisse Berühmtheit erlangt hat. Die Filmkritikerin Claudia Lenssen zählt darin auf, was im deutschen Kino alles fehlt. Sechzehn Seiten lang entblättert sie ihre unerfüllten Sehnsüchte; am Ende hat man das Gefühl, man könnte die Liste beliebig fortsetzen.

Viele der Dinge, die sie damals vermisst hat, gibt es immer noch nicht. Einige wenige sind inzwischen recht und schlecht verfilmt. Aus irgendeinem Grund spürt man immer einen Mangel im deutschen Kino.

Die andere Seite dieser Medaille sind Nischen, in denen man sich ständig auf die Füsse tritt, bei heimeliger Nestwärme. Ich denke dabei nicht nur an die geschichtspornografischen Exportschlager, die womöglich baugleich sein wollen, sondern auch und gerade an, wie soll ich sagen, „unsere” Filme - mit der Freiheit auf den Fahnen.

Dominik Graf hat einmal vom deutschen Genre des „Schneewitchenfilms” gesprochen; die Unterkategorien „stumme Teenager” und „entgleiste Frauen” sind dabei besonders populär. Ich weiss wovon ich spreche: in beiden Feldern bin ich schon aktiv gewesen.

Stumme Teenager:
DIE INNERE SICHERHEIT (Petzold, 2000), LOVELY RITA (Hausner, 2001), BUNGALOW (Köhler, 2002), KLASSENFAHRT (Winckler, 2002), FALSCHER BEKENNER (Hochhäusler, 2005), LUCY (Winckler, 2005), PING PONG (Luthard, 2006), FRÜHER ODER SPÄTER (v. Ribbeck, 2007), DIE UNERZOGENEN (Marais, 2007) usw.

Entgleiste Frauen:
DIE UNBERÜHRBARE (Röhler, 2000), IDENTITY KILLS (Voigt, 2003), MILCHWALD (Hochhäusler, 2003), MARSEILLE (Schanelec, 2004), DER WALD VOR LAUTER BÄUMEN (Ade, 2003), SOMMER 04 (Krohmer, 2006), MADONNEN (Speth, 2006), VALERIE (Möller, 2006), MONTAG KOMMEN DIE FENSTER (Köhler, 2007), YELLA (Petzold, 2007) usw.

So gut ich viele dieser Filme finde, so befremdlich erscheint mir die thematische Enge. Natürlich lässt sich keiner der Filme auf so pauschale Überschriften reduzieren - die Aufzählung ist Polemik! - und natürlich sind die Filme im Detail oft sehr eigenartig, persönlich und genau, aber man ertappt sich doch dabei, über das Gegenteil nachzudenken und Sehnsüchte zu entwickeln. Womit wir wieder bei Claudia Lenssens Liste wären.

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