03 Juni, 2007

Nazi-Kino

Das Schlimmste am Nazi-Kino ist nicht die mehr oder weniger subtil versteckte Ideologie sondern das Leugnen derselben. Natürlich, auch „Die Feuerzangenbowle” enthält nazistisches Gedankengut, aber der Film bemüht sich verzweifelt, der Gegenwart nicht ins Gehege zu kommen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen kommt die Militarisierung des Alltags etwa in den Filmen der Nazi-Zeit nicht vor. Keine Aufmärsche, Hakenkreuze, Hitler-Reden, kein Bücherverbot, keine Verhaftungen. In den meisten Filmen tragen Polizei oder Ordnungskräfte noch nicht einmal Naziuniformen. Es werden also nicht nur die Verbrechen ausgespart, Gegenwart überhaupt ist Tabu. Abgesehen von den „staatspolitisch besonders wertvollen” Filmen mit konkreten Indoktrinationsabsichten - „Hitlerjunge Quex”, „Jud Süß”, „Der ewige Jude”, „Kolberg” etc. - sind die „Botschaften” der großen Unterhaltungsfilme so vage und süßlich wie im Mainstreamkino heute auch: „Sei du selbst” „Gemeinsam sind wir stark” „Liebe ist kein Spiel” „Just do it”. Weil in der Retrospektive sozusagen immer auch das Fazit anwesend ist - in diesem Fall: das Wissen um die beispiellosen Verbrechen - kommt uns die Schere zwischen Film und Leben im Nazi-Kino besonders verlogen und abstossend vor. Die „befriedende”, den Zweifel unterdrückende Funktion des konsumistischen Kinos lässt sich vor dem Hintergrund der Verbrechen nicht mehr leugnen. Die Nazi-Ufa war also weniger eine Unterhaltungs- als eine Ablenkungs- und Verdrängungsindustrie. Aber wenn wir ehrlich sind, ist der Mainstream seit jeher zwanghaft an der Verleugnung von Wirklichkeit interessiert. Die Frage ist, ob die veränderten Umstände die zynischen Aussparungen heute wirklich harmloser machen.

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