2011 hat uns Werner Penzel dieses Bild geschickt mit den Worten:
another east-west-cinematopraphic-manifesto:
von wiederkehrender schwalbenfamilie
verschissene hose
walking on a deserted japanese balkony
towards moss…
Als ich von Werners (Frei-) Tod gehört habe, musste ich an das Bild denken.
Es hängt jetzt an meiner Wand.
*
Wir trafen uns im Garten. Die Sonne motivierte das faltenreiche Zukneifen der Augen, eine typische mimische Eigenheit, die Werner auch in dunklen Räumen zeigte und die seinem Gesicht etwas Strahlendes gab, aus seinen Augen Sterne machte. Wir waren verabredet, um über das Drehbuch zu sprechen, das Benjamin Heisenberg und ich geschrieben hatten und das die Grundlage für meinen Debütfilm bilden sollte. Der Arbeitstitel lautete „Verloren”, ein „Märchen in Angst und Farbe”, wie ich damals gerne sagte. Es handelte sich um eine freie Bearbeitung von Hänsel und Gretel, die ich bei Halle und in Polen drehen wollte. Ich hatte Werner gefragt, ob er sich vorstellen könne, Kamera zu machen für das Projekt, und er hatte sich gefreut über das Angebot; wir mochten uns, ich mochte seine Kameraarbeit und sah in ihm überhaupt ein Vorbild. So eine Einheit von Leben und Arbeit, so ein Miteinander, wie er es in der Zusammenarbeit mit Nicolas Humbert entwickelt hatte, schien mir ein erstrebenswertes Rollenmodell, jenseits des Profi-Getues der Branche. Ich war also gespannt auf seine Eindrücke und freute mich auf den Prozess, mit ihm über den Text zu Bildern zu kommen. Aber Werner sagte nein. Er meinte, in seiner leicht verschleppten und auf Wiederholungen setzenden Art zu sprechen, er wolle Filme in und über Freiheit machen, mein Projekt aber erzähle vom Gegenteil. Ich versuchte meinen Film zu verteidigen, aber die zugegeben grausame und traurige Geschichte meines Drehbuchs schien ihn viel mehr zu bedrücken als mich; es war zu ahnen in diesem Moment, dass die Wärme, Solidarität und Offenheit, die er lebte und ausstrahlte, über einem Abgrund gebaut war, dessen anziehende Schwärze er nie ganz vergessen konnte. Vielleicht, dachte ich damals, ist sein Prophetenleben keine Wahl, sondern Notwehr gegen die ererbten Zwänge.
Wir blieben in sporadischem, herzlichen Kontakt, aber sein Nein zu Angst und Unfreiheit hat mich über die Jahre immer wieder beschäftigt. Was heißt es, frei zu sein im Leben und in der Kunst? Werner hat die Frage gut erforscht. Am 1.12.2024 hat er sich die letzte Freiheit genommen. Danke für alles, Chili. Ich werde dich vermissen.
*
Hier findet man die Todesanzeige für Werner Penzel.